Rente und Altersarmut - Handlungsfelder zur Vermeidung finanzieller Armut im Alter

08.09.2008 / Johannes Steffen

"Die Altersrenten der sozialen Rentenversicherung sind Spiegelbild der versicherten durchschnittlichen Erwerbseinkommensposition. Wer nur vergleichsweise wenige

Jahre versicherungspflichtig war und/oder ein vergleichsweise geringes Einkommen versichert hat, erwirbt auch nur eine relativ geringe Zahl an Entgeltpunkten (EP) und wird deshalb im Alter nur eine vergleichsweise geringe Rente erwarten können – und umgekehrt. So wichtig die Zahl der Entgeltpunkte für die Höhe der späteren Rente ist, so wichtig ist andererseits deren aktuelle Wertigkeit – gemessen in Euro und Eurocent zum Zeitpunkt der Verrentung wie auch während der Rentenbezugsdauer; diese Bewertung der EP erfolgt über den aktuellen Rentenwert (AR) und dessen Dynamisierung bzw. Entwicklung (Rentenanpassungsverfahren). Die Summe der EP bildet somit das «Kondensat» der im Erwerbslebensdurchschnitt versicherten Einkommensposition – modifiziert durch verschiedene Elemente und Instrumente des Solidarausgleichs.

Dem Solidarausgleich und der Umverteilung innerhalb der hauptsächlich beitragsfundierten Rentenversicherung sind jedoch systematische Grenzen gesetzt; einen absoluten Schutz vor Armut im Alter oder bei Erwerbsminderung kann das Rentensystem aufgrund seiner konstitutiven Prinzipien – Beitrags- bzw. Teilhabeäquivalenz, Einkommensersatz und Kausalprinzip – nicht gewährleisten. Allerdings: Das System der sozialen Rentenversicherung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten hinsichtlich der Vermeidung von Altersarmut als hoch effektiv erwiesen. Dieses Ergebnis kann jedoch nicht umstandslos in die Zukunft fortgeschrieben werden; vielmehr spricht einiges für eine Verlagerung der Risikoabsicherung – weg von der Versicherung und hin zur bedarfsorientierten und bedürftigkeitsgeprüften Grundsicherung. Zur Vermeidung von (Alters-) Armut ist im gegliederten deutschen sozialen Sicherungssystem die am Finalprinzip ausgerichtete Fürsorge zuständig; sie fragt nicht nach Vorleistungen oder erfüllten Anwartschaften, sondern danach, ob ein im Einzelfall gegebener Bedarf mit eigenen Anstrengungen und aus eigenen Mitteln gedeckt werden kann. Ist dies nicht der Fall, so wird die Lücke zwischen Bedarf und eigenen Mitteln durch steuerfinanzierte Transfers geschlossen. Mit der Fürsorge besteht ein flächendeckendes System der Armutsvermeidung.

Die gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen um finanzielle Armut heben folglich auch weniger auf einen Mangel an Instrumenten oder Systemen der Armutsvermeidung ab, sondern vielmehr auf deren konkrete Ausgestaltung. Im Zentrum stehen regelmäßig die Bedarfsorientierung (ist der Bedarf, vor allem der Regelbedarf, angemessen beziffert und ist damit die Leistungshöhe ausreichend?), die Bedürftigkeitsabhängigkeit (welche Einkommen und Vermögen sollen in welchem Umfang auf den Bedarf angerechnet werden?) sowie das Verwaltungshandeln (Antragsprozeduren, Ämterverhalten und dgl.).