Mecklenburg als Vorbild für Sachsen

Verwaltungsumbau im Freistaat beschäftigt Verfassungsgericht / LINKE will Gesetze kippen

22.04.2008 / Von Hendrik Lasch, Neues Deutschland

In Sachsen sollen die Landkreise und die Verwaltung neu gegliedert werden. Doch vier Kommunen ziehen vor das Verfassungsgericht, ebenso die Linksfraktion. Sie möchte das gesamte Gesetzeswerk kippen.
Seit dem Juli 2007 gibt es zwei Heilige für Gegner von Verwaltungsreformen. In weiten Kreisen ist zwar kaum bekannt, dass es solcher Schutzpatrone überhaupt bedarf. Bürgermeister, die für ihre Stadt den Status als Kreissitz retten wollen, oder die Verwaltungsexperten in Landtagen aber haben Matthias Dombert und Wolfgang Ewer zu ihren Schutzherrn erkoren, seit es dank ihres juristischen Beistands gelang, den von der rot-roten Landesregierung geplanten ambitionierten Umbau von Landkreisen und Verwaltung in Mecklenburg-Vorpommern zu kippen. Derzeit haben die beiden Juristen einen Arbeitsschwerpunkt in Sachsen. Dort hat der Landtag im Januar eine Verwaltungs- und Gebietsreform verabschiedet, mit der die Zahl der Landkreise von 22 auf zehn reduziert und viele Aufgaben samt der dafür zuständigen Mitarbeiter an die Kommunen übertragen werden. Gegen das Vorhaben gibt es aber anhaltenden Widerstand: Vier Kommunen sowie die Linksfraktion im Landtag sind vor das Verfassungsgericht gezogen. Für Plauen, Aue und den Muldentalkreis erarbeitete Ewer die Klagen, für Grimma und die LINKE der Potsdamer Professor Dombert, der selbst Richter am Verfassungsgericht Brandenburg ist. Vor allem die nur 54 Seiten lange Klage der LINKEN birgt große Sprengkraft: Sie zielt darauf ab, die Reform, die am 1. August in Kraft treten soll, im Kern für nichtig zu erklären. Folgen die Verfassungsrichter in Leipzig den von ihrem Potsdamer Kollegen formulierten Einwänden, wäre auch die für den 9. Juni angesetzte Wahl der neuen Kreistage und Landräte obsolet. Entscheidet das Gericht nicht mehr rechtzeitig, was wegen der für Mai geplanten Wahl neuer Verfassungsrichter denkbar ist, müsste ein dann bereits vollzogener Umbau rückgängig gemacht werden. Ein neuer Anlauf nähme mindestens ein Jahr in Anspruch; allerdings wird in Sachsen 2009 auch ein neuer Landtag gewählt. Alternativen zur Klage in Leipzig gebe es trotz dieser gravierenden Folgen nicht, sagt Klaus Bartl, der Rechtsexperte der Fraktion: Einwände, wonach das Gesetzespaket teils verfassungswidrig sei, seien in der Beratung im Landtag zwar von Experten vorgebracht, von der CDU/SPD-Koalition aber nicht berücksichtigt worden: »Jedes gute Argument verhallte ungehört.« Für äußerst bedenklich hält die LINKE vor allem den Egoismus des Landes. Die Reform habe vor allem den Zweck, diesem den beabsichtigten Stellenabbau zu ermöglichen. 4150 Stellen samt der dazugehörigen Aufgaben werden an die vergrößerten Landkreise übertragen. Viele der Aufgaben, etwa in Umwelt- und Forstverwaltung, könnten von den Kreisen aber »gar nicht umfassend erfüllt werden«, sagt Michael Friedrich, Verwaltungsfachmann in der Fraktion. Er befürchtet, dass hochspezialisierte Fachleute, von denen es für das jeweilige Fachgebiet nur eine Handvoll im Freistaat gibt, einer Kreisverwaltung zugeschlagen werden, weil »Personalabbau beim Land einseitig den Gang der Reform bestimmt hat«, so Friedrich. Zu rechtfertigen ist der tiefgreifende Umbau der Verwaltung aus solchen Motiven nicht, sagt Bartl – zumal es sich schon um die zweite Reform seit 1994 handle. Laut Verfassung müssten vielmehr »Gründe des Allgemeinwohls« ins Feld geführt werden. Zudem seien die Interessen der Kommunen und deren Recht auf Selbstverwaltung zu berücksichtigen: »Gemeinden sind nicht politische Verfügungsmasse des Staates«, sagt Bartl, der nun hofft, dass seine Fraktion mit Beistand des »Schutzpatrons« Dombert auch die Richter überzeugt.