Ist das Zukunftsprogramm der LINKEN wirtschaftlich realisierbar?

Das Programm ist die Antwort auf bevorstehende Krisen

19.04.2008 / Von Ulla Lötzer, Neues Deutschland

In den nächsten beiden Jahren wird die Wirtschaftspolitik in das Blickfeld des Parteienstreits rücken. Bestätigt wird dies durch aktuelle Umfragen: Noch vor dem Thema soziale Gerechtigkeit (28 Prozent) und der Arbeitsmarktpolitik (22 Prozent) war die Wirtschaftspolitik mit 34 Prozent für die Bürgerinnen und Bürger das wahlentscheidende Thema. Helmut Holter formulierte das jüngst in kritischer Auseinandersetzung mit dem Zukunftsprogramm so: »Viele Menschen in der Bundesrepublik sollen Neugierde und Interesse an einer linken Partei entwickeln. Gerade aus diesem Grund ist richtig und wichtig, unsere wirtschaftspolitische Kompetenz nachzuweisen. Wir können aber nicht nur Steuereinnahmen verteilen. Zu unseren wirtschaftspolitischen Alternativen sollten das Ziel der Vollbeschäftigung und solide Staatsfinanzen gehören.« Übersehen hat er in seiner Kritik bisher aber, dass das umstrittene Zukunftsprogramm genau das Instrument ist, mit dem sich diese Ziele erreichen lassen und damit die wirtschaftspolitische Kompetenz der Linken belegt. Mit dem Zukunftsprogramm würde die konjunkturelle Dynamik angeregt, die nicht nur neue Arbeitsplätze schafft, sondern – vermittelt über Mehreinnahmen bei Lohn- und Gewinnsteuern – auch die öffentlichen Haushalte entlastet. Die aktuelle konjunkturelle Dynamik macht die Notwendigkeit für wirtschaftspolitische Alternativen zum bisherigen Kurs der Bundesregierung, aber auch zum Konzept der Grünen Marktwirtschaft besonders deutlich. Getragen von einer notwendig gewordenen Ausweitung der Ersatzinvestitionen und von einem nach wie vor exorbitanten Exportwachstum, erlebte die deutsche Wirtschaft in den vergangenen zwei Jahren eine Erholung. 2008 wird sich das Blatt aber wenden: Zu den realwirtschaftlichen Auswirkungen der Finanzkrise kommt die nachlassende Auslandsnachfrage aufgrund der ins Trudeln gekommenen Weltkonjunktur, die Aufwertung des Euros sowie der dramatische Anstieg der Rohstoffpreise. Die Exportdynamik wird zurückgehen und der moderate und vor allem durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse erkaufte Rückgang der Arbeitslosigkeit wird zu einem raschen Ende kommen. Je weniger die öffentliche Hand dafür sorgt, den drohenden Nachfrageausfall auszugleichen, desto mehr wird die Konjunktur abflauen. So oder so wird der Wahlkampf 2009 ein Wahlkampf in Krisenzeiten und die wirtschaftspolitische Kompetenz der LINKEN wird daran gemessen, welche Vorschläge zur Stabilisierung der Lage vorgelegt werden. Wenn die Wählerinnen und Wähler der LINKEN schon nicht vom Aufschwung profitieren konnten, müssen unsere kurz- und mittelfristigen Alternativen darauf ausgerichtet sein, sie vor den Krisenfolgen zu schützen. Das Zukunftsprogramm ist als Teil einer wirtschaftspolitischen Strategie entwickelt worden, die eine Abkehr vom Neoliberalismus von FDP, über die Große Koalition bis hin zu den Grünen Marktwirtschaftlern markiert. Im Mittelpunkt steht eine Abkehr von der ausschließlichen Exportorientierung der bundesdeutschen Wirtschaft und Wirtschaftspolitik. Denn diese Exporterfolge werden auf dem Rücken anderer Volkswirtschaften erwirtschaftet und sind im Inland teuer erkauft: Die öffentlichen Investitionen sind im Keller, die Realeinkommen und der private Konsum stagnieren, die Lohnquote ist weiterhin rückläufig. Genau diese Schwäche des Binnenmarktes, die vor allem der Lohndrückerei der großen Konzerne und den Arbeitsmarktreformen der letzten Jahre geschuldet war, hat den Aufschwung im internationalen Vergleich verzögert, und genau diese Exportorientierung macht uns abhängig von internationalen Finanzmärkten und der instabilen Wirtschaftsmacht USA. Ein wesentliches Kernprojekt der LINKEN sollte deshalb eine Wende in der Wirtschaftspolitik sein. Wir brauchen eine Stabilisierung der Konjunktur, mehr Beschäftigung und deutliche Lohnzuwächse. Deshalb betonen wir die Notwendigkeit und sehen auch die Spielräume für das von uns vorgeschlagene Zukunftsprogramm und verbinden es mit dem qualitativen Anspruch, den Einstieg in den sozial-ökologischen Umbau endlich zu wagen. Neben neuen zukunftsträchtigen Konzepten, wie etwa dem Energiesparfonds des Wuppertal-Institutes, wurden zentrale Projekte der LINKEN gebündelt: vom Ausbau der Kinderbetreuung, dem Ausbau der Hochschulen, der Gesundheitsprävention über die dringend notwendige Modernisierung der kommunalen Krankenhäuser bis zur öffentlich geförderten Beschäftigung. Im nächsten Schritt wurde in einer ökonometrischen Wirkungsstudie abgeschätzt, welche gesamtwirtschaftlichen Folgen ein solches Programm haben würde. Im ersten Jahr würde ein Ausgabenvolumen von 40 Milliarden Euro schon 600 000 Arbeitsplätze vor allem im Handwerk, im öffentlichen Dienst und im öffentlich geförderten Bereich schaffen. Nach vier Jahren wächst die Beschäftigung auf über eine Million zusätzliche Arbeitsplätze. Das kurbelt das Wachstum an, gibt ihm eine sozial-ökologische Richtung, entlastet die Sozialversicherungen und steigert die Erträge aus der Einkommensteuer, aber auch aus den Gewinnsteuern der privaten Unternehmen bereits im ersten Jahr um rund 20 Milliarden Euro. In der Betonung dieser Selbstfinanzierungseffekte liegt der Kern unseres haushaltspolitischen Ansatzes: Nur ein solcher Wachstumspfad führt zu einer nachhaltigen Verbesserung der Staatseinnahmen und damit zu neuen Spielräumen. Auch das vorgeschlagene Finanzierungskonzept war stimmig. Unsere Vorschläge zur Reform der Erbschafts- und Vermögenssteuer kommen vor allem den Bundesländern zugute. Eine moderate Gewerbesteuerreform würde den Kommunen neue Spielräume verschaffen und eine Börsenumsatzsteuer neben kräftigen Erträgen für den Bund auch die schädliche Spekulation auf den Aktienmärkten begrenzen. Deshalb kann der Parteivorstand der LINKEN gelassen in die Auseinandersetzung auf dem Parteitag Ende Mai in Cottbus gehen, die der finanzpolitische Sprecher im Berliner Abgeordnetenhaus Carl Wechselberg angekündigt hat: Von Luftnummern und Traumschlössern wird auf den Parteitag keiner mehr reden können.

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