Grünes Licht für Schwarz-Grün?

27.02.2008 / Joachim Bischoff/Bernhard Müller/Björn Radke

Nun kommt das, was jede/r Wähler/in bei der Stimmenabgabe wissen konnte: CDU und GAL denken ernsthaft über die erste schwarz-grüne Landesregierung in Deutschland nach. Die Christdemokraten setzen den einst linken Hamburger Landesverband massiv unter Druck. Man will auf alle Fälle die hessische Hängepartie vermeiden. Auch die Hamburger Wirtschaft drängt aus Tempo: „Eine lange und zähe Regierungsbildung wäre für unseren Standort schädlich. Deshalb brauchen wir schnell einen neuen und mehrheitsfähigen Senat, der dem bestehenden Optimismus weitere Nahrung gibt und unsere Metropole auf Wachstumskurs hält.“ Innerhalb der nächsten zehn Tage soll über den Eintritt in ernsthafte Koalitionsverhand­lungen entschieden werden.

Hamburgs CDU-Chef von Beust hat die Marschrichtung für den Marsch ins schwarz-grüne Hamburg vorgegeben: „Wir entscheiden nach Hamburger Interessen und nicht, weil wir Mo­dell sein wollen.“ Gelingt es bei dieser Entscheidung nach „Hamburger Interessen“ ein Bünd­nis mit der GAL zu schmieden, hat man damit selbstverständlich sehr wohl ein „Modell“ für die Bundesebene, das dem bürgerlichen Lager aus seiner machtpolitischen Notlage heraushel­fen könnte. Die GAL bzw. die Grünen wären damit da gelandet, wo sie sozialstrukturell schon lange hingehören: im bürgerlichen Lager. „Wo wenn nicht in Hamburg könnte Schwarz-Grün ausprobiert werden? Die Hamburger CDU hat sich geöffnet. Ole von Beust präsentiert per­sönlich den modernen Großstadtmenschen. Man lebt in den gleichen Quartieren, man hat ähnliche Interessen und Ziele.“ (FAZ) So tue die Hamburger CDU schon vieles, „was den Grünen gefallen muss: Man trennt mit Begeisterung den Müll, lässt sich von Al Gores mise­rablem Klimaschutzfilm zu Tränen rühren, schult die Busfahrer in ökologischen Fahrtechniken und liebt den Isemarkt und seine heimatlichen Köstlichkeiten.“ (Welt)

Hamburgs Eliten und die Hafenwirtschaft tragen diesen Kurs mit. Auch ein Großteil der mittel­ständischen Wirtschaft kann sich Schwarzgrün gut vorstellen. In einer aktuellen Blitzumfrage des AGA Unternehmensverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistung e.V. votierten 69% der befragten Unternehmen dafür, sofern Elbvertiefung, Hafenquerspange und Gymna­sien nicht zur Disposition stehen.

Aber: Geht das überhaupt? Scheitert das nicht an für die Grünen unverzichtbaren Essentials oder an der grünen Basis?

Die grünen WählerInnen sind bekanntlich geduldig. Sie haben schon viele Zumutungen er­oder mitgetragen (vom Kosovo-Krieg bis zu Agenda 2010). Teile der grünen Basis sind je­weils abgesprungen, und auch jetzt drohen weitere massive Vertrauensverluste. Gleichwohl hat die Landespartei schon vor ein paar Monaten entschieden, nach einem entsprechenden Wahlergebnis Gespräche mit der CDU zu führen. Die Parteiführung sah sich angesichts dras­tisch sinkender Umfragewerte im Wahlkampf zwar gezwungen, schwarz-grüne Frühlingsge­fühle heftig zu dementieren, aber so richtig entschieden wirkte das nie. Zudem plädiert ein Teil der grünen Akteure jetzt ganz offen für die neue bündnispolitische Option: „Der Befund ist klar. Wir bewegen uns in der Bundesrepublik in einem Fünf-Parteien-System. Da ist es nicht klug, sich mit der Linken darüber zu streiten, wer die linksillusionärsten Positionen besetzen kann. Damit würden wir uns die Möglichkeit nehmen, auf das Regierungshandeln Einfluss zu nehmen.“ (Wilfried Maier)

Nimmt man die berühmten Knackpunkte zwischen CDU und GAL genauer unter die Lupe zeigt sich, wie das Fügen in das „Unvermeidliche“ bzw. das „Regierungshandeln“ aussehen könnte.


Bei der Elbvertiefung kennen Hamburger Eliten und Wirtschaft kein Pardon. Sie gehört zu ihren „Kernforderungen“. Man wird der GAL die Zustimmung zur weiteren Auslöffelung des Flusses durch großzügige Ausgleichsflächen versüßen.

Beim Monsterkraftwerk in Moorburg kommen von der Hamburger Wirtschaft deutlich sichtba­re weiße Rauchzeichen. Nicht zufällig fehlt in der Aufzählung der „Kernforderungen“ der Han­delskammer das Kohlkraftwerk. Hier wird sich die CDU also bewegen. Entweder man einigt sich darauf, dass Moorburg nur die Hälfe der Leistung, also nicht 1.600 Megawatt, sondern 800 Watt hat oder man verzichtet als großes Schmankerl bzw. Kompensation für die bittere Pille Elbvertiefung ganz auf das Kraftwerk – was – wie auch die Unternehmen wissen – kein Schaden ist, weil es sowohl vom Energiebedarf wie vom technologischen Standard überflüs­sig ist wie ein Kropf. Kommt es soweit, würde öffentlich, was die Spatzen schon von den Dä­chern pfeifen: Moorburg und die Geheimnistuerei um Verträge und Akten als gut inszenierte Show in einem abgekarteten politischen Pokerspiel.

Den „Knackpunkt“ Bildung schließlich wird die CDU wohl über die Zeitschiene ausräumen können. Der Weg zu der von der GAL geforderten einheitlichen Schule ist schließlich lang. Er soll ja in Teilstrecken begangen werden und eine solche Schule kann es frühestens 2012, da sind wieder Bürgerschaftswahlen, geben. Also wird man sich mit der GAL auf einen Kompro­miss einigen können, der weder die Gymnasien abschafft, noch den Weg zu einer einheitli­chen Schule verbaut.

Dass „Soziales“ nicht zu den „Knackpunkten“ der Politik der Hamburger Grünen gehört, ist bekannt. „In der Sozialpolitik haben wir Unterschiede, allerdings hat die CDU nach massiven Einschnitten zu Beginn ihrer Regierungszeit mittlerweile nachgebessert.“, so das „grüne Ur-gestein“ im vorläufigen Ruhestand, Wilfried Maier. Der Senat hat den grünen Forderungen zudem durch die kürzliche Aufstockung des Programms „lebenswerte Stadt“ um jährlich 10 Mio. Euro schon vollständig Rechnung getragen.

Selbstverständlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass die schwarz-grünen Träume zerplatzen, keine Kompromisse gefunden oder die gefundenen Kompromisse von der grünen Basis nicht mitgetragen werden. Als Alternative bleibt dann die Bildung einer großen Koalition – mit einer allerdings innerlich zerrissenen Sozialdemokratie. Bei den Sozialdemokraten reicht der aktuelle politisch-programmatische und personelle Spannungsbogen von Michael Naumann, der sein Wahlprogramm schon vergessen hat und sich die SPD gut als soziales Gewissen einer Politik des „Weiter So!“ in einer großen Koalition vorstellen kann bis hin zum linken Flügelmann Thomas Böwer, für den der von der SPD im Wahlkampf geforderte Politik­wechsel nur im Bündnis mit der LINKEN zu realisieren ist. Diese innere Zerrissenheit lähmt die SPD gegenwärtig vollständig, so dass sie jede eigene politische Initiative hinsichtlich der zukünftigen politischen Gestaltung der Stadt vermissen lässt.

DIE LINKE muss sich darauf einstellen, dass wir in Hamburg eine schwarz-grüne Koalition, evt. auch eine große Koalition, bekommen werden. Was immer mit der CDU ausgehandelt werden wird, der Wählerverrat ist programmiert. Dazu gehört die Kumpanei mit jenen politi­schen Kräften, die sich in den vergangenen Jahren stets als „Herren der Stadt“ aufgeführt und die Missachtung des Volkswillens zum politischen Programm erhoben haben. Dazu ge­hört die Vergesslichkeit gegenüber bzw. das Arrangement mit der tiefen sozialen Spaltung der Stadt, die nicht zuletzt auf Druck der LINKEN im Mittelpunkt des Wahlkampfs gestanden hat. Dazu gehört schließlich auch die Prinzipienlosigkeit der grünen „Weltretter“ auf ihrem ur­eigensten Terrain – der Umweltpolitik. Für ein Linsengericht wird hier die eigene Identität ver­kauft.