Strategie der roten Zahlen

Ständig wird behauptet, dass wir in Deutschland über unseren Verhältnissen leben. Dies ist Unsinn.

20.03.2006

Das soziale Hauptproblem in Deutschland ist die anhaltende und weiter steigende Massenarbeitslosigkeit, und das Hauptproblem der deutschen Wirtschaft ist ihre anhaltende Wachstumsschwäche. Beide Probleme haben weder mit Globalisierung noch mit Überalterung etwas zu tun, sondern sind hausgemacht. Die Politik ist nicht bereit, dagegen anzugehen.

Die entscheidende Ursache dieser Fehlentwicklung liegt darin, dass immer größere Teile des gesellschaftlichen Reichtums in wenige private Taschen wandern, statt der Allgemeinheit und der Mehrheit der Menschen zugute zu kommen. Wir wollen einen Kurswechsel und treten daher für Steuergerechtigkeit, die Schaffung von sinnvollen Arbeitsplätze und eine solidarische Finanzierung öffentlicher Leistungen ein. Wir wollen, dass die Möglichkeiten dieses reichen Landes genutzt werden, um die Probleme zu bewältigen. Für deren nachhaltige Überwindung sind energische politische Anstöße der binnenwirtschaftlichen Endnachfrage notwendig: Neben der Stimulierung des privaten Verbrauchs, des mit Abstand wichtigsten Faktors der Binnennachfrage, durch eine kräftige Steigerung der Löhne und Gehälter sollte der Staat durch Beschäftigungsprogramme eindeutige Impulse für eine Ankurbelung der Konjunktur geben.

Für eine wirkliche Reform des Sozialstaates

Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik hält an den – auch in der Verfassung verankerten – Grundsätzen des Sozialstaates als einer wesentlichen zivilisatorischen Errungenschaft fest. Lange und erbitterte gesellschaftliche Auseinandersetzungen haben ihn im vergangenen Jahrhundert zwar noch nicht verwirklicht, aber doch wesentliche Zwischenerfolge durchsetzen können. Gegen diese Fortschritte bei den sozialstaatlichen Reformen richten sich seit zwanzig Jahren die neoliberalen Gegenreformen. Das Festhalten an den Grundsätzen des Sozialstaates hat nichts mit Reformfeindschaft zu tun. Im Gegenteil: Den Sozialstaat sichern, heißt, ihn weiter zu entwickeln und auf neue Entwicklungen abzustimmen. Das meint allerdings nicht, ihn angesichts neuer Gegebenheiten zurückzunehmen oder abzuschaffen.

Anpassungsbedarf ist vor allem durch die neuen Formen entstanden, in denen heute gearbeitet wird. Sie sind Resultat technologischer Entwicklungen, sozialer Umbrüche, veränderter Familienstrukturen – insbesondere einer neuen – immer noch unvollkommen verwirklichten – Rolle der Frauen in der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Familie. Diese Entwicklungen erfordern erstens Veränderungen in der Organisation der Arbeit, ohne das Ziel der Vollbeschäftigungaufzugeben. Wir halten daran fest, dass es darum gehen muss, allen Menschen einen ihren Fähigkeiten entsprechenden Arbeitsplatz anzubieten, auf dessen Grundlage sie in der Lage sind, ein selbst bestimmtes Leben zu führen. Die genannten Entwicklung erfordern zweitens auch Reformen der sozialen Sicherungssysteme, ohne den Grundsatz aufzugeben, dass diese einen umfassenden Schutz aller Mitglieder der Gesellschaft vor den sozialen Risiken und die Sicherung des Lebensstandards gewährleisten sollen. Technische, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen machen es auch erforderlich, die Ziele sozialer Gerechtigkeit, ökologischer Nachhaltigkeitund internationaler Kooperation und Entwicklungals Eckpunkte einer alternativen Politik immer wieder neu zu bestimmen.

Umverteilung zugunsten der Konzerne und der Reichen

In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hat eine gewaltige Umverteilung der Steuerbelastungen zu Lasten der abhängig Beschäftigten stattgefunden. Die Steuerbelastung der NormalverdienerInnen und der VerbraucherInnen ist deutlich gestiegen. Die Steuern für große Unternehmen und Vermögen sowie Spitzenverdiener sind in mehreren Etappen immer weiter gesenkt worden. Die Gewinnsteuer der Aktiengesellschaften und GmbHs betrug bis zum Jahr 2000 noch 45 vH, jetzt liegt sie bei nurmehr 25 vH. Der Spitzensteuersatz auf hohe Einkommen betrug in den 1990er Jahren noch 53 vH. 2004 liegt sie bei nur mehr 45 vH und wir ab 2005 noch weiter abgesenkt auf 42 vH. Die Vermögensteuer wird seit 1996 überhaupt nicht mehr erhoben. Außerdem nutzen Unternehmen und Großverdiener in großem Umfang diverse Steuertricks, um ihre Einkommen klein zu rechnen und so ihre Steuern zu senken.

Diese Entwicklung und nicht etwa übermäßig gestiegene Ausgaben sind der Hauptgrund für die öffentliche Finanzkrise. Von einem ausufernden Moloch Staat kann keine Rede sein. Das heißt nicht, dass es nicht auch sinnlose oder ineffiziente Ausgaben gibt, die vermieden werden sollten – wie bei privaten Unternehmen auch.

Das eigentliche Problem liegt auf der Einnahmenseite. Weil Unternehmen und Reiche immer weniger Steuern gezahlt haben, sind die Einnahmen hinter den Ausgaben weit zurückgeblieben. 2001 bis 2003 fehlten gegenüber dem Niveau von 2000 jedes Jahr 40-50 Mrd. € an Steuereinnahmen. Der größte Teil dieser Fehlbeträge geht dabei auf das Konto der Steuern von Kapitalgesellschaften – und das, obwohl deren Gewinne gesamtwirtschaftlich betrachtet trotz Krise gar nicht gesunken, sondern von 285 Mrd. € im Jahr 2000 auf 314 Mrd. € 2002 gestiegen sind.

Die Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche wurden bezahlt mit immer schärferen Einschnitten bei sozialen Leistungen und bei der Bildung, durch Personalabbau bei öffentlichen Dienstleistungen und immer weniger öffentliche Investitionen. Die Lage der sozial Schwachen und Benachteiligten verschlechtert sich. Die Spaltung zwischen Am und Reich wird vergrößert. Die Grundlagen des Sozialstaats werden ausgehöhlt. Verkehrswege, Kanalisation, öffentliche Gebäude und Anlagen sind in hohem Maße erneuerungsbedürftig.

Um Arbeitslosigkeit abzubauen und zu mehr Beschäftigung zu kommen, greift die Politik vorzugsweise zum Mittel des Drucks auf die Arbeitslosen. Arbeitslosen wird Leistungsentzug angedroht, wenn sie sich nicht aktiv um eine neue Arbeit bemühen und bereit sind, Arbeiten zu akzeptieren, die in keiner Weise ihrer Qualifikation, ihren bisherigen Tätigkeiten und/oder Bezahlung entsprechen. Grenzen, unterhalb derer Arbeit nicht zumutbar ist, werden beseitigt. Die hohe Arbeitslosigkeit hat allerdings nichts mit der mangelnden Bereitschaft der Arbeitslosen, zu arbeiten, zu tun, sondern resultiert aus dem Mangel an Arbeitsplätzen. Dieser Mangel aber besteht, weil es an gesamtwirtschaftlicher Nachfrage fehlt und das Arbeitsvolumen daher seit vielen Jahren zurückgeht. Die Politik des Drucks auf die Arbeitslosen, der Niedriglohn- und Zwangsarbeit, wird diesen Nachfragemangel nicht beseitigen oder mildern, sondern verstärken.

Die wirtschaftliche Entwicklung wird durch die Politik der Agenda 2010 nicht gefördert, sondern geschwächt. Der versprochene Aufschwung bei den privaten Investitionen in Folge höherer Nettogewinne hat nicht stattgefunden. Im Gegenteil: Die Investitionen sanken, die Wirtschaft stagnierte und die Arbeitslosigkeit stieg. Sozial und gewerkschaftlich orientierte ÖkonomInnen hatten das vorher gesagt – aber die Regierungen folgten lieber der unternehmerorientierten herrschenden Lehre, obwohl diese schon mehrfach widerlegt wurde. Dabei ist es ganz logisch: Unternehmen schaffen nur dann neue Arbeitsplätze, wenn sie zusätzliche Produkte verkaufen können, nicht weil ihnen Steuergeschenke gemacht werden. Die wollen sie gerne haben und trommeln dafür, auch wenn sie sie dann nur in Finanzanlagen stecken. Aber mehr Beschäftigung bringt das nicht, wenn das Problem zu wenige Aufträge und zu wenige KäuferInnen sind.

Der Export floriert. Es fehlt an Kaufkraft im Inland. Wenn die Leute durch Personalabbau, Lohndrückerei und Sozialabbau noch weniger Geld haben, können sie noch weniger kaufen. Wenn der Staat immer weniger investiert, hat die örtliche Wirtschaft noch weniger zu tun. Noch mehr Beschäftigte werden »freigesetzt«. Erst recht, wenn auch noch die Arbeitszeit verlängert wird. Auch die langfristigen Wachstums- und Innovationspotenziale werden vernachlässigt, wenn die öffentlichen Hände zu wenig in gute Infrastruktur, Bildung und Forschung investieren.

Zukunftsinvestitionen bringen Arbeit und nützen allen

Zu dieser neoliberalen Politik gibt es Alternativen. Ein wirtschaftspolitischer Kurswechsel trüge schnell dazu bei, die aktuelle Stagnation zu überwinden, die Arbeitslosigkeit deutlich zu vermindern und die akuten Finanzierungsprobleme der sozialen Sicherungssysteme zu lösen. Auf mittlere Frist würde ein solcher Kurswechsel die Produktivität und Leistungsfähigkeit der Wirtschaft dauerhaft steigern. Er würde Schritte auf dem Weg zur Vollbeschäftigung ermöglichen und die Grundlage für die Ausweitung und Stärkung der sozialen Sicherheit in Deutschland schaffen. Er würde auch über die Landesgrenzen hinaus wirken und Druck für eine aktivere Wirtschaftspolitik der EU machen. Die dadurch erreichte Belebung der europäischen Konjunktur würde es zum einen ermöglichen, der europäischen Integration insbesondere im Hinblick auf die neuen Beitrittsländer einen neuen Schub zu geben. Zum anderen wäre sie ein relevanter Beitrag zur Stabilisierung der Weltwirtschaft und eine solide Grundlage für faire, auf Kooperation und Hilfe zur eigenständigen Entwicklung gerichtete Beziehungen mit den Entwicklungsländern.

Wir brauchen also einen grundlegenden Kurswechsel. Eine andere Politik ist nicht nur sozialer und gerechter, sie ist auch wirtschaftspolitisch besser. Wir brauchen ein großes öffentliches Zukunftsinvestitionsprogramm in den Kommunen, für Bildung und Umwelt und zum Aufbau Ostdeutschlands im Umfang von 75 Mrd. € jährlich.

Eine Steigerung der staatlichen Ausgaben und insbesondere der öffentlichen Investitionen hat weit größere Wachstums- und Beschäftigungswirkungen als Steuersenkungen. Ein solches Zukunftsinvestitionsprogramm bringt über 750.000 sinnvolle Arbeitsplätze für Frauen und Männer und stärkt die Binnennachfrage. Davon gehen nachhaltige Impulse für qualitatives Wachstum und mehr Beschäftigung aus. Insbesondere in den Kommunen hilft ein solches Programm den kleinen und mittleren Unternehmen, die für den örtlichen und regionalen Markt produzieren. Die Menschen schöpfen wieder Zuversicht und geben ihre Kaufzurückhaltung auf. Die Unternehmen investieren wieder und schaffen neue Arbeitsplätze.

Mehr und bessere Arbeitsplätze

Im Zentrum alternativer Wirtschaftspolitik steht die Beschäftigungspolitik, denn die Massenarbeitslosigkeit ist das soziale Hauptübel in der Bundesrepublik. Sie stürzt die Arbeitslosen in tiefe Krisen, untergräbt die öffentlichen Finanzen, schwächt die Wirtschaft, zerreißt den sozialen Zusammenhalt und gefährdet die Stabilität der demokratischen Gesellschaft. Demokratische Beschäftigungspolitik soll die Massenarbeitslosigkeit schnell und erheblich vermindern und mittelfristig zu Vollbeschäftigung führen, bei der alle, die arbeiten können und wollen, einen ihren Qualifikationen entsprechenden Arbeitsplatz erhalten, der ihnen ein selbst bestimmtes Leben ermöglicht. Lange Erfahrungen belegen, dass dies durch Lohnsenkungen und eine weitere Verschlechterung von Arbeitsbedingungen nicht zu erreichen ist, und dies ist auch theoretisch völlig einsichtig: Lohndrückerei untergräbt die wichtigste Säule der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, den privaten Verbrauch. Das führt nicht zu mehr Einstellungen, sondern zum weiteren Personalabbau bei den Unternehmen und damit zum weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit. Es müssen also andere Wege gegangen werden. Dabei kommt zum einen den Gewerkschaften eine wesentliche gesamtwirtschaftliche Rolle zu, denn ihre Fähigkeit zur Durchsetzung von Einkommensforderungen und Arbeitszeitverkürzungen in Tarifauseinandersetzungen schafft die Grundlage für den privaten Konsum der Beschäftigten und für zusätzliche Einstellungen auf Unternehmerseite. Zum anderen aber ist die Politik gefordert, Anstöße für mehr Beschäftigung zu geben, die der Mechanismus der Märkte nicht hervorbringt. Wir wollen mit vier Schritten eine alternative Entwicklung einleiten:

  • ein kräftiges öffentliches Investitionsprogramm,
  • den Ausbau statt des weiteren Abbaus der öffentlichen Beschäftigung,
  • die Verstärkung statt der Austrocknung der Arbeitsmarktpolitik und
  • die politische Unterstützung der Verkürzung statt der Verlängerung von Arbeitszeiten.

Wir wollen mehr Beschäftigung in sozialen Dienstleistungen und durch öffentlich geförderte Beschäftigung. Schulen und Hochschulen brauchen mehr Geld und mehr Personal. Durch ein flächendeckendes Angebot an Ganztagsschulen und ganztägiger qualifizierter Kinderbetreuung werden die Beschäftigungsmöglichkeiten vor allem für Frauen entscheidend verbessert und sinnvolle Arbeitsplätze geschaffen. Die verstärkte Förderung umweltverträglicher öffentlicher Verkehrssysteme und neuer Produkte, Energieeinsparung und der Umstieg auf erneuerbare Energieträger helfen der Umwelt und bringen zukunftssichere neue Arbeitsplätze.

Steuersenkungen versickern zu einem großen Teil in zusätzlichen Finanzanlagen, anstatt die inländische Nachfrage zu stärken. Das gilt besonders, wenn sie Unternehmen und den Beziehern hoher Einkommen zufließen, wie es durch die Senkung des Spitzensteuersatzes geschieht. Eine Strategie öffentlicher Investitionsprogramme ist geeignet, sowohl die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen als auch die Staatshaushalte mittelfristig zu konsolidieren, eine Strategie der Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche dagegen versagt bei beiden Zielen eklatant.

Stärkung der Staatsfinanzen durch mehr Steuergerechtigkeit

Der Politik eines Steuersenkungswettlauf halten wir entgegen: Einerseits muss der Umfang des Steueraufkommens so groß sein, dass er ausreicht, die öffentlichen Ausgaben zu finanzieren. Die großen und absehbar zunehmenden infrastrukturellen, ökologischen und sozialen Entwicklungsprobleme stellen die Politik vor zusätzliche Steuerungsaufgaben, für die zusätzliche Ressourcen erforderlich sind. Die Steuereinnahmen dürfen also nicht sinken, sondern sie werden langfristig steigen müssen. Andererseits muss die Belastung durch steigende Steuern gerechtverteilt werden. Das beste Kriterium für eine solche Gerechtigkeit ist für Personen die individuelle Leistungsfähigkeit (entsprechend Einkommen und Vermögen) und für Unternehmen der erzielte Gewinn.

Zur Finanzierung einer solchen Beschäftigung schaffenden Politik muss kurzfristig ein steigendes Staatsdefizit in Kauf genommen werden. In den folgenden Jahren wird durch steigende Steuereinnahmen und sinkende Kosten der Arbeitslosigkeit die Sanierung der öffentlichen Finanzen um so leichter möglich sein. Um das Zukunftsinvestitionsprogramm dauerhaft solide zu finanzieren und die staatliche Verschuldung zurückzufahren, muss die Einnahmenseite sozial gerecht gestärkt werden. Reiche und Superreiche, Bezieher hoher Einkommen und wirtschaftlich stabile Unternehmen müssen wieder erheblich mehr zu den Steuereinnahmen beitragen.

Erstens ist auf weitere Senkungen des Spitzensteuersatzes in der Einkommensteuer zu verzichten. Der Spitzensteuersatz sollte mindestens 47 vH betragen. Diese Spitzenbelastung sollte ab einem zu versteuernden Einkommen von 60.000 € im Jahr einsetzen. Der Grundfreibetrag soll auf 8.000 € angehoben werden. Der Eingangssteuersatz soll bei 15 vH liegen. Der Tarifverlauf soll allmählich und gleichmäßig (linear-progressiv) ansteigen. Dadurch werden untere und mittlere Einkommen deutlich entlastet.

Steuerschlupflöcher für Reiche und Großverdiener müssen geschlossen werden. Steuervereinfachung und der Abbau ungerechtfertigter Steuervergünstigungen müssen zu mehr Steuergerechtigkeit führen. Dazu müssen sie vor allem auf Gewinn- und Vermögenseinkünfte gerichtet werden und dürfen nicht eine Methode sein, ArbeitnehmerInnen zusätzlich zu belasten. Eine Senkung der Steuersätze auf hohe Einkommen, wie CDU/CSU, FDP, der Sachverständigenrat, Kirchhof und andere fordern, hat nichts mit Vereinfachung zu tun, sondern ist pure Privilegierung privaten Reichtums. Durch eine solche Reform der Lohn- und Einkommensteuer können über 10 Mrd. € zusätzliche Einnahmen erzielt werden.

Zweitens müssen die wirtschaftlich stabilen und gewinnträchtigen Unternehmen wieder erheblich mehr Steuern zahlen. Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer müssen zusammen wieder das Niveau des Jahres 2000 erreichen, das bedeutet gegenüber dem Jahr 2003 eine Steigerung um etwa 20 Mrd. € jährlich. Die vielfältigen Möglichkeiten insbesondere großer und international aktiver Konzerne, sich um die Zahlung von Gewerbe- und Körperschaftsteuer zu drücken, etwa durch die Übertragung von Gewinnen ins steuergünstigere Ausland, müssen beschnitten werden. Weiterhin müssen die Möglichkeiten eingeschränkt werden, unversteuerte stille Reserven zu bilden, steuerfreie Veräußerungsgewinne zu erzielen, und Gewinne mit Verlusten anderer Unternehmen oder anderer Jahre zu verrechnen.

Eine Reform der Kommunalfinanzen ist notwendig. Die in einer Gemeinde tätigen Betriebe müssen einen angemessenen und möglichst konjunkturstabilen Beitrag zur Finanzierung der kommunalen Infrastruktur und Dienste leisten. Anknüpfungspunkt muss dabei die örtliche Wertschöpfung sein, egal ob sie mit Eigen- oder Fremdkapital erwirtschaft wurde. Deshalb müssen neben den am Ort erwirtschafteten Löhnen/Gehältern und Gewinnen auch gezahlte Zinsen, Mieten, Pachten und Leasingraten in der Bemessungsgrundlage enthalten sein. Auch Selbständige und Freiberufler müssen mit hinreichend hohen, sozial verträglichen Freibeträgen einbezogen werden. Einen kommunalen Zuschlag zur Einkommensteuer lehnen wir ab.

Drittens muss eine reformierte Vermögensteuer wieder erhoben werden. Dabei sind ausreichend hohe Freibeträge vorzusehen, etwa von 500.000 € für eine Familie. Gleichzeitig sind die aktuellen Werte der Immobilien zur Grundlage der Besteuerung zu machen. Bei einem Steuersatz von 1 vH auf die den Freibetrag übersteigenden Vermögen würden so Einnahmen von 14 Mrd. € erzielt. Daneben ist eine höhere Besteuerung großer Erbschaften und Schenkungen notwendig. Ohne die steuerfreie Vererbung von Einfamilienhäusern zu gefährden, können vier Mrd. € jährlich zusätzlich erzielt werden. Diese Steuern fließen den Ländern zu, Mehreinnahmen können für eine dauerhafte Erhöhung der Zuweisungen an die Kommunen genutzt werden.

Viertens ist eine möglichst vollständige Besteuerung von Kapitalerträgen und Veräußerungsgewinnen von Vermögensanlagen zu gewährleisten. Dabei muss es dabei bleiben, dass es Freibeträge für Sparer gibt und dass Personen mit einem höheren Einkommen auch einen höheren Steuersatz zahlen müssen. Zur Sicherstellung der Steuerzahlungen sind Kontrollmitteilungen einzuführen und international auszutauschen. Zusammen mit einer konsequenten und auch personell verstärkten Bekämpfung von Steuerhinterziehungkönnten so weitere Mehreinnahmen von weit über 50 Mrd. € im Jahr erzielt werden.

Eine Umsetzung solcher Überlegungen hat aber letztlich nur dann eine Chance, wenn die vorhandenen Bewegungen wirklich miteinander verbunden werden. Es gibt keine Chance – und dies hat sich ja im letzten Jahr gezeigt –, wenn Gewerkschaften alleine kämpfen ohne mit Öffentlichkeitskampagnen an die Bevölkerung und an die Arbeitslosenbewegungen heran zu treten. Es gibt keine Chance für die Arbeitslosenbewegung Hartz IV oder schlimmeres zu verhindern, wenn es nicht gelingt, noch stärker die Verknüpfung mit den Gewerkschaften hinzubekommen. Es geht auch darum in den Betrieben an die Kolleginnen und Kollegen heranzutreten, wirtschaftspolitische Fragen auch zu Themen auf den Betriebsversammlungen zu machen, damit man über solche Frage diskutiert und konkret aufzeigt, dass es Alternativen gibt. Nur so können wir den einen oder die andere mobilisieren und einer großen Politikmüdigkeit („die spinnen alle in Berlin und wir wollen nicht mehr“) etwas entgegen wirken.