Positionspapier: Die milliardenschwere Riesterrente

Bundesregierung fördert private Altersvorsorge von Besserverdienenden in Milliardenhöhe und lockt Geringverdienende in untaugliche Riesterrente

14.01.2008 / Kommentar zum Bericht des ARD-Magazins Monitor vom 10. Januar 2008

Im Zentrum der aktuellen Debatte um die Riesterrente steht die Regelung, dass bei der Grundsicherung im Alter alle Einkommen angerechnet werden. Hierzu zählen auch die gesetzliche Rente und die private Altersvorsorge. Dieser Umstand ist jedoch weder ungewöhnlich noch neu, denn bei der Grundsicherung handelt es sich um die Gewährleistung eines Existenzminimums. Die Debatte lenkt damit von dem eigentlichen Problem des sinkenden Rentenniveaus ab. Interessanterweise sind es dieselben Personen (federführend Professor Rürup, ehemaliger Vorsitzender der gleichnamigen Kommission, die die Vorschläge für die rot-grüne Rentenreform entwicklet hat), die vor einigen Jahren die Privatisierung der Alterssicherung vorangetrieben haben. Heute geriert sich der ehemalige Brandstifter als Feuerwehrmann, wenn der Scharlatan darauf hinweist, was er immer schon wusste: Die Riesterrente wird auf die Grundsicherung angerechnet und lohnt sich deswegen gerade für Geringverdiener nicht.

Das aktuelle System der Förderung von privater Vorsorge wird von der Bundesregierung propagiert und bisher mit fast drei Milliarden Euro subventioniert. Die Bundesregierung fordert dabei insbesondere Niedriglohnverdiener auf, sich privat über eine Riester-Rente abzusichern. Sie behauptet sogar, dass sie mit dieser „Zulagenförderung bewusst ein Instrument geschaffen habe, von dem gerade Geringverdiener profitieren“ (DrS 16/6898). Diese Behauptung ist nachweislich falsch, und eine grobe Täuschung gerade derjenigen, die von Altersarmut bedroht sind. Zudem führt die Milliardenförderung zu perversen Effekten: Durch die öffentliche Förderung werden die Finanz- und Versicherungswirtschaft und die Besserverdienenden unterstützt. Geringverdienende zahlen jedoch vielfach in ein System ein, aus dem sie nichts rausbekommen. Nutznießer sind neben den Anbietern der Riesterprodukte die öffentlichen Haushalte, deren Leistungen für die Grundsicherung im Alter sich entsprechend reduzieren.

Das Grundproblem der Alterssicherung in Deutschland ist die Absenkung des Leistungsniveaus in der Gesetzlichen Rentenversicherung – GRV- durch die rot-grünen und rot-schwarzen Rentenreformen der letzten Jahre. Ziel der Reformen war die Absenkung des Leistungsniveaus in der gesetzlichen Rente zur Stabilisierung des Beitragssatzes, damit Arbeitgeber die Lohnnebenkosten gering halten können. Die Reduktion des Leistungsniveaus in der GRV soll individuell kompensiert werden über den Aufbau einer privaten Zusatzversicherung, die bei der Riesterrente in Milliardenhöhe staatlich gefördert wird. Faktisch wurden die Kosten für die Alterssicherung durch die Riester-Reform teilprivatisiert; eine Beteiligung der Arbeitgeber findet hier nicht mehr statt.

Die Voraussetzungen, um überhaupt eine gesetzliche Rente jenseits des Grundsicherungsniveaus erreichen zu können, steigen damit erheblich an. Die Anzahl der notwendigen Jahre an Beitragszahlungen, um eine Nettorente in Höhe der Grundsicherung zu erreichen, steigt von 28 Jahre für den Durchschnittsverdiener heute auf 34 Jahre in 2030, für eine Person mit 75% der Durchschnittsverdienstes von 37 auf 45 Jahre (Zahlen: Steffen, Arbeitnehmerkammer Bremen). Die Rentenreformen (Einführung der Dämpfungsfaktoren in die Rentenformel durch Riester- und Schmidtreform) führen also unmittelbar dazu, dass zunehmend erwerbstätige BeitragszahlerInnen keine Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus mehr bekommen. Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigung und Niedriglöhne mindern zudem die Beitragszahlungen in die GRV. Die Deutsche Rentenversicherung hat jetzt berechnet, dass ein heutiger Durchschnittsverdiener 32 Jahre in die GRV einzahlen muss, um eine Rente oberhalb der Grundsicherung zu erzielen.

Hier ist der primäre Ansatzpunkt für politische Reformen: Das Niveau der öffentlichen Alterssicherung muss gestärkt werden (Lebensstandardsicherung), indem die Renten wieder der Lohnentwicklung folgen. Innerhalb des gesetzlichen Rentensystems sind weiter Lücken zu schließen (Erwerbstätigenversicherung) sowie Maßnahmen des Sozialausgleichs zu etablieren und zu stärken, damit auch Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien oder niedrigen Löhnen über ausreichende Rentenansprüche verfügen. Wichtig für die Vermeidung von zukünftiger Altersarmut ist zudem eine Zurückdrängung der Niedriglohnbeschäftigung über einen garantierten Mindestlohn.