Geld bedeutet Macht - Gedanken zur Erbschaftsteuerreform

Von Richard Pitterle, steuerpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE

21.07.2015 / linksfraktion.de, 13.07.2015

Geld bedeutet Macht. Und wer bisher noch geglaubt hat, in Deutschland würden die Uhren anders ticken, muss sich nur das monatelange Theater um die Erbschaftsteuerreform genauer ansehen. Mit der Verabschiedung des Gesetzentwurfes durch die Regierung hat es einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Zur Erinnerung: Ende letzten Jahres kassierte das Bundesverfassungsgericht einige Regelungen, durch die Erbinnen und Erben von Unternehmen von Erbschaftsteuer verschont wurden. Das Bundesverfassungsgericht akzeptierte zwar Steuerverschonungen zum Schutz von Arbeitsplätzen. Nicht jedoch zum Schutz der Erbinnen und Erben. Mit wachsendem Wert des Unternehmensanteils müsse vielmehr genau hingesehen werden, ob die Steuerschuld wirklich das Unternehmen und die Arbeitsplätze gefährde und ob Erbinnen und Erben diese nicht aus eigenem Vermögen bezahlen können.

Danach brach ein gewaltiger Orkan los. Unternehmerverbände erzählten mit großem medialen Getöse ihre eigene Version der Geschichte. Ein Märchen über die wackeren Unternehmer und Unternehmerinnen, die nach Jahrzehnten harter Arbeit ihr kleines Geschäft den Kindern vermachen, die dann in Liebe zur Familie und in Fürsorge für die treuen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Unternehmen fortführen wollen. Doch der dunkle Schatten des Fiskus greift mit unbarmherzigen knochigen Händen nach dem kleinen Säckel Erspartes. Gevatter Staat mit rauchenden Nüstern, der mit der Erbschaftsteuersense durch das blühende Feld des deutschen Mittelstandes mäht, nur verbrannte Erde hinterlässt und Familien wie Unternehmen in den Ruin treibt!

Weinende Kinder waren schon immer ein Motiv, um Politiker zu beeindrucken. Dass es bei dem Urteil und der Reform gar nicht um die kleine Familienbäckerei oder den kleinen familiengeführten Landwirtschaftsbetrieb geht, musste schnell kaschiert werden. Auch die unbedeutende Tatsache, dass in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie ein Unternehmen wegen der Erbschaftsteuerschuld pleite gegangen ist, musste unter den Teppich gekehrt werden. Und das, obwohl die großzügigen, aber nun als verfassungswidrig erkannten Verschonungsregeln sogar erst 2009 eingeführt wurden.

Woher der Wind weht, erkennt man, wenn man sich die Unternehmerverbände genauer ansieht. Unter der von weitem noch Sympathie auslösenden pinkfarbenen Flagge der Familienunternehmen segeln internationale Großkonzerne wie Volkswagen, BMW oder Metro. Es geht bei der Debatte um nichts weniger, als den Kampf um die steuerliche Verschonung von milliardenschweren Privatvermögen der deutschen Unternehmerdynastien und Oligarchen.

Ein Kampf, in dem die Superreichen wieder eine Schlacht gewonnen haben: Der nun verabschiedete Kabinettsentwurf zur Erbschaftsteuer lockert noch einmal die ohnehin schon schwächlichen Schräubchen. Für den einzelnen Erben muss sein ererbter Unternehmensanteil schon ein Wert über 26 Millionen Euro, in bestimmten Fällen sogar 52 Millionen Euro, haben, um einen genaueren Blick des Fiskus auf dessen Finanzen zu erlauben. Bis zu dieser Grenze streitet einfach die Vermutung dafür, dass das Unternehmen und die Arbeitsplätze durch die Bezahlung von Steuern gefährdet werden, sodass sie gleich vorsichtshalber erlassen werden müssen. Doch die Familie Quandt - die im Übrigen zu den größten Einzelspendern deutscher Parteien gehört - & Co müssen sich keine Sorgen machen. Auch wenn ihre ererbten Unternehmensanteile Milliarden schwer sind, dürfen sie sich noch satte Steuerrabatte bis zu 35 Prozent ohne Blick in ihre Bücher und Kontoauszüge einräumen lassen.

Dass die Union den Unternehmern stets behilflich ist, ihre Pfründe auf Kosten der Allgemeinheit der Steuerzahler zu sichern, ist wahrlich nichts Neues. Neu ist allenfalls, mit welcher Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit deutschen Oligarchen milliardenschwere Schuldenerlasse zu Lasten der Allgemeinheit gewährt werden. Aber dass diese Reichenverschonungsreform nun trotz vereinzeltem Gemurre aus den hinteren Reihen auch von der SPD abgenickt wird, ist eine herbe Enttäuschung: Noch im Wahlkampf haben die Genossen gegen die Privilegierung von Unternehmenserben Stimmung gemacht, nur um diese Privilegierung jetzt minimal modifiziert zu verlängern. Geradezu bizarr erscheint dabei das fortwährende Krakele des SPD-Finanzministers Nils Schmid aus Baden-Württemberg, dem selbst die jetzige umfassende Steuerverschonung noch nicht weit genug geht.

Das Erbrecht und damit auch das Erbschaftsteuerrecht ist ein wesentliches Instrument der Umverteilung, der Herstellung sozialer Chancengleichheit und der Gewähr von Freiheit und Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger. Die Erbschaftsteuer dient auch dem Zweck, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen Einzelner zu verhindern, wie es schon in der Bayerischen Landesverfassung heißt.

Das Bundesverfassungsgericht setzt sich mit diesen Fragen leider nicht auseinander. Und so verfährt es mit Unternehmenserben zu großzügig und eröffnet dem Gesetzgeber zu weite Spielräume. Doch es ist nicht alle Hoffnung verloren. In einem erhellenden Sondervotum haben sich die mitwirkenden Bundesverfassungsrichter Gaier und Masing und die Bundesverfassungsrichterin Baer damit und mit der Bedeutung des Sozialstaatsprinzips auseinandergesetzt und mahnende Worte gefunden.

Die wieder hergestellten großzügigen Rabatte für Unternehmenserben werden einen erneuten Gang nach Karlsruhe unumgänglich machen.