Mit der Unterschrift der griechischen Regierung unter ein ihr aufgezwungenes drittes »Memorandum«
ist die Euro-Krise keineswegs vorbei. Im Gegenteil: Diese Art der „Krisenbekämpfung“
verschärft die Probleme in den von der Krise am meisten betroffenen Ländern
und verbaut Wege zu den dort tatsächlich erforderlichen Reformen. Mit dem eisernen Beharren
der Troika, der Euro-Gruppe und der deutschen Bundesregierung auf Sozialabbau, Zerstörung
des Tarifvertragssystems, Privatisierung der öffentlichen Infrastruktur und Massenbelastungen
werden wirtschaftliche Perspektivlosigkeit, hohe Arbeitslosigkeit und zunehmende
Ungleichheit im gemeinsamen Währungsraum zum Dauerzustand gemacht. In den
letzten Wochen erleben wir auch in Finnland und Großbritannien massive Angriffe auf Gewerkschaftsrechte
und Tarifautonomie.
Diese Erfahrungen zeigen: Die EU und die Europäische Währungsunion werden als Hebel
für die Durchsetzung einer unsozialen Politik und zum Abbau von Demokratie missbraucht.
Dies fördert nationalen Chauvinismus, Fremdenfeindlichkeit und andere antidemokratische
Stimmungen in den Ländern Europas. Das aktuelle Versagen Europas in der Flüchtlingskrise
macht diese Entwicklung noch dramatischer.
Vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen sage n wir: Die IG Metall stellt sich diesen
Gefahren entgegen und wird sich mit noch größerem Nachdruck als starke Kraft für ein solidarisches
und demokratisches Europa positionieren:
- Die IG Metall setzt sich für Solidaritätsaktionen der europäischen Gewerkschaften zur
Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen und der Arbeitslosen in Griechenland
und anderen Krisenländern ein und tritt mit einer offensiven Öffentlichkeitsarbeit der
nationalistischen Stimmungsmache entgegen.
- Die IG Metall widerspricht öffentlich dem Austeritätskurs von Eurogruppe und Bundesregierung
und allen Bestrebungen, Griechenland und andere „Programmländer“
zu Niedriglohnländern zu machen. Europa braucht keine Niedriglohnkonkurrenz zwischen
EU-Ländern, sondern eine Stärkung der sozialen und demokratischen Grundrechte
aller.
- Um die Lage in den Krisenländern zu verbessern, ist ein weit über den so genannten
»Juncker-Plan« hinaus gehendes europäisches Wachstums- und Investitionsprogramm
erforderlich, wie es die Gewerkschaften mit dem »Marshallplan für Europa«
und dem »Europäischen Investitionsplan« vorgeschlagen haben. Die IG Metall setzt
sich auf europäischer und bilateraler Ebene dafür ein, diese n Plan inhaltlich zu vertiefen
und in den EU-Institutionen bekannt zu machen. Für Griechenland und andere
Krisenländer muss der Zugang zu Investitionsmitteln wesentlich erleichtert und der
Umfang von Investitionen in die Zukunft so stark erweitert werden, dass der durch die
Ausgabenkürzungen angerichtete wirtschaftliche Schaden möglichst gering gehalten
werden kann. Gewerkschaften, Umweltverbände und andere Kräfte der Zivilgesellschaft
in Europa müssen verstärkte eigene Vorschläge zu den strategischen Investitionsfeldern
in die Debatte einbringen und für Transparenz sorgen, damit anspruchsvolle
Ziele tatsächlich verwirklicht werden können.
- Die IG Metall setzt sich in einem breiten Bündnis für ein sozialeres und gerechteres
Europa ein. Alle interessierten gesellschaftlichen Gruppen und Einzelpersonen in
Deutschland und Europa sind eingeladen, sich in diesem Bündnis mit Ideen zu beteiligen.
Eine Diskussion über die bestmögliche politische Zuspitzung für die Erreichung
unserer Ziele im Sinne der europäischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und
ihrer Gewerkschaften muss jetzt beginnen.