Begrenzte Untersuchungen führen zu begrenzten Ergebnissen

Pressemitteilung von Troika Watch: Antwort auf den Untersuchungsbericht des Europäischen Parlaments zur Troika

15.03.2014 / www.troikawatch.net, 13.03.2014

Heute stimmt das Europäische Parlament über den „Bericht zur Untersuchung der Rolle und der Operationen der Troika (Europäische Zentralbank, EU-Kommission und Internationaler Währungsfonds)“ ab. In Europa wurden in den letzten drei Jahren in einer nie da gewesenen Weise Finanzinstitutionen auf Kosten der normalen Bürger herausgekauft. Der Bricht gibt keine befriedigende Antwort darauf, warum dies geschah und wie verhindert werden kann, dass sich dies wiederholt. Die Entscheidung, eine solche Untersuchung auf Griechenland, Irland, Portugal und Zypern zu begrenzen ist nur ein Zeichen für diesen Missstand. Es hat den Anschein, als hätte das Parlament übersehen, dass auch Spanien ein Memorandum of Understanding mit der Troika unterzeichnet hat.

Während normale Bürger darunter litten, dass sie ihren Job verloren haben, Einschnitte bei Löhnen und Renten hinnehmen mussten und manchmal sogar starben, weil es Einschnitte im Gesundheitssystem gab, wurden Finanzinstitute häufig herausgekauft, ohne dass man wenigstens das Management austauschte. Der Bericht hat vollständig darauf verzichtet zu untersuchen, warum es bei den Bailouts immer jede Menge Vorschriften für die Regierungen gab, während den Regierungen bei den Finanzinstitutionen, für die sie bezahlten, fast immer verweigert wurde, irgendetwas zu sagen zu haben.

Für Griechenland führt der Bericht an, dass es eine Debatte innerhalb der Troika gab, in der der IWF eine frühe Restrukturierung der Schulden forderte, was von der EU zurückgewiesen wurde. Als einzige Begründung wird dazu angeführt, dass die EZB wegen des schlechten Zustands des Bankensystems und möglicher Ansteckungseffekte besorgt war. Allerdings versäumte es der Bericht völlig, weitere Untersuchungen dazu anzustellen, in wie weit diese Argumente tatsächlich stichhaltig sind, wenn man die Größe des griechischen Schuldenproblems mit dem BIP der Eurozone vergleicht.

Aber selbst, wenn die Argumentation der EZB stichhaltig wäre, bleibt nach wie vor die Frage, warum nur die Menschen einiger weniger Staaten für den Bailout des Europäischen Finanzsystems zahlen mussten und nicht die Menschen aller Staaten. Denn in der Tat geschah der Bailout nicht nur zu Gunsten von Institutionen in den Krisenstaaten, sondern zu einem großen Teil zu Gunsten von Finanzinstitutionen in Kernstaaten wie Deutschland oder Frankreich. Während in einigen Ländern das Leiden der Menschen alle vernünftigen Grenzen überschreitet, profitieren andere Länder wie z.B. Deutschland sogar noch von der Krise, in dem sie hohe Profite mit weitergereichten Krediten machen, von extrem niedrigen Zinsen für ihre Staatsanleihen profitieren und Vorteile aus gigantischen Kapitalzuflüssen aus den Krisenstaaten ziehen.

Der Bericht stellt fest, dass es massiven Druck auf einige Regierungen gab, den Bailout ihrer Banken zu betreiben, insbesondere durch die EZB. Es ist aber nicht genug, wenn im Bericht festgestellt wird ‘dass die Europäischen Institutionen unter allen Umständen das Unionsrecht respektieren müssen, insbesondere die Charter der fundamentalen Rechte der Europäischen Union’. Von einer solchen Untersuchung sollte man erwarten können, eine Liste zu bekommen, wer wann wie welche Gesetzte verletzt hat und welche personellen und institutionellen Konsequenzen daraus zu ziehen sind.

Zu den Vorschlägen des Parlaments, insbesondere der Schaffung eines Europäischen Währungsfonds (EWF): Ein Europa, das auf dem Grundsatz der Solidarität beruht, braucht andere Änderungen als einen EWF. Auch wenn eine solche Institution eingerichtet werden würde, würde das Europäische Parlament nicht automatisch eine ausreichend fortschrittliche Institution, wenn das nächste Mal wieder Finanzinstitutionen zu retten sind, wie es mit dieser sehr begrenzten Untersuchung über die Troika bewiesen hat. Wir erwarten von diesem Parlament, dass es in der Zukunft in dieser Sache mutigere Untersuchungen unternimmt. Das, zusammen mit anderen notwenigen Veränderungen hin zu einem Europa von mehr Solidarität (was auch einschließen würde, Banken nicht um jeden Preis zu retten und sich für Schuldenaudits einzusetzem) würde dringend gebraucht, um die gegenwärtige Umverteilung von Reichtum von Arm zu Reich zu stoppen.

Über TroikaWatch

TroikaWatch ist ein Netzwerk, das über die Troika, die Situation in den von ihrer Politik betroffenen Ländern und die Opposition und den Widerstand dagegen berichtet. Dies soll helfen, Kämpfe gegen die Politik der Troika besser zu vernetzen und einen Beitrag dazu leisten, den Widerstands gegen die Sparpolitik zu stärken.

Nähere Informationen zu TroikaWatch finden Sie unter:

www.troikawatch.net[1]

Anhang
Hier einige Highlights aus dem Untersuchungsbericht, von denen wir denken, dass sie es wert sind, erwähnt zu werden. Der vollständige Untersuchungsbericht in der Fassung, wie er dem Plenum zur Abstimmung vorgelegt wird, finden sie unter
www.troikawatch.net[2]

  • Punkt 17 über das griechische Programm:
    Notes that the first agreement of May 2010 could not contain provisions for a restructuring of the Greek debt, despite it being first proposed by the IMF, which, in line with its usual practice, would have preferred an early debt restructuring; recalls the ECB’s reluctance to consider any form of debt restructuring in 2010 and 2011 on the grounds that it would have led to the crisis having a contagion effect on other Member States, as well as its refusal to participate in the restructuring agreed in February 2012;
  • Punkt 19 über Irland:
    Recalls the bilateral pressure reportedly exerted by the ECB on the Irish authorities prior to the initial agreement between the latter and the EU and IMF being adopted on 7 December 2010 and 16 December 2010, respectively in the relevant MoUs containing the policy conditionality for EU-IMF assistance; […]
  • Punkt 54 über die EZB:
    […] notes that throughout the crisis the ECB has had crucial information on the health of the banking sector and financial stability in general, and that with this in mind it has subsequently exerted policy leverage on decision-makers, at least in the cases of the Greek debt restructuring, where the ECB insisted that CACs were to be removed from government bonds it held, the Cypriot ELA operations, and the Irish non-inclusion of senior-bondholders in the bail-in.

Und ein Teil eines IWF-Protokolls aus dem Jahr 2010 mit Spekulationen über die wahren Gründe des griechischen Bailouts:

  • Brazil’s executive director Paulo Nogueira Batista in a prepared statement to the board for the May 9, 2010 meeting:
    “The risks of the program are immense…As it stands, the programs risks substituting private for official financing. In other and starker words, it may be seen not as a rescue of Greece, which will have to undergo a wrenching adjustment, but as a bailout of Greece’s private debt holders, mainly European financial institutions.”
    Quelle: www.blogs.wsj.com[3]

Links:

  1. http://www.troikawatch.net/
  2. http://www.troikawatch.net/wp-content/uploads/2014/03/20140305ATT80482EN.pdf
  3. http://blogs.wsj.com/economics/2013/10/07/imf-document-excerpts-disagreements-revealed/