Lasst es die Leute selbst entscheiden

Kommentar von Steffen Bockhahn*

12.01.2012 / linksfraktion.de, 10 Januar 2012

Seit Jahren wird in der Bundesrepublik über Mindestlöhne diskutiert. DIE LINKE war die erste Partei, die sich für flächendeckende gesetzliche Mindestlöhne stark gemacht hat. DIE LINKE ist die einzige Fraktion, die im Bundestag wiederholt geschlossen für den Mindestlohn gestimmt hat. Die Mehrheit der Bevölkerung unterstützt diese Forderung inzwischen. Die Bundesregierung scheint aber noch immer nicht gewillt zu sein, etwas für die Beschäftigten im Niedriglohnbereich zu tun.


Natürlich ist es zuerst eine Angelegenheit des Bundes, hier als Gesetzgeber tätig zu werden. Das wäre der einfachste und beste Weg. Nur können die Betroffenen nicht so lange warten, bis selbst die FDP Offenkundiges akzeptiert. Daher hat DIE LINKE in den Landesregierungen, an denen sie beteiligt war oder ist, Vergabegesetze auf den Weg gebracht, die wenigstens für öffentliche Aufträge einen Mindestlohn garantieren. In Berlin und Brandenburg müssen Unternehmen, die von den Ländern Aufträge haben wollen, Lohnuntergrenzen garantieren. Das ist ein konkreter Erfolg linker Politik.

In Mecklenburg-Vorpommern sieht die Lage leider anders aus. Fünf Jahre lang hat die Landesregierung sich nicht auf ein entsprechendes Gesetz für den Nordosten verständigen können. Nach der Landtagswahl im September 2011 sollte es nun endlich vorwärts gehen. Aber wieder blockieren sich SPD und CDU selbst - und immer auf dem Rücken derer, die für teilweise weniger als fünf Euro in der Stunde arbeiten müssen. Der Staat vergibt also Aufträge zu Bedingungen, die dazu führen, dass die Beschäftigten nicht davon leben können und als Aufstocker Hartz IV beziehen müssen. Man stelle sich nur die Einsparungen in der Verwaltung vor, wenn das wegfallen würde. Die Tatsache, dass die derzeitigen Bedingungen entwürdigend sind, scheint ja für SPD und CDU leider nicht von Interesse zu sein.

DIE LINKE hat nun in Mecklenburg-Vorpommern eine weitere Volksinitiative gestartet, um die Landesregierung zum Handeln aufzufordern. Wir wollen, dass für öffentliche Aufträge wenigstens zehn Euro pro Stunde bezahlt werden, und wir wollen, dass die Landesregierung sich im Bundesrat für eine entsprechende Initiative stark macht. Auf diesem Weg über die Länder kann das Ziel vielleicht schneller erreicht werden.

Ohnehin gibt uns das die Möglichkeit, den Regierenden noch einmal deutlich zu machen, was die Mehrheit der Bevölkerung von ihnen tatsächlich erwartet. Gerade haben wir mitten in der Weihnachtszeit in nur wenigen Wochen 47 000 Unterschriften für den Erhalt der Theater und Orchester in Mecklenburg-Vorpommern gesammelt. Mit der Volksinitiative zum Mindestlohn wollen wir das Gleiche noch einmal schaffen. Der große Zuspruch macht aus meiner Sicht zwei Dinge deutlich: Die Menschen haben Interesse an Politik, und sie wollen entscheiden.

Gerade wenn man sich darüber beschwert, dass die Wahlbeteiligung immer weiter sinkt, wenn man sich darüber ärgert, dass die Parteien immer weniger Mitglieder haben, dann muss man etwas ändern. Unsere Antwort heißt BürgerInnenbeteiligung. Wir werden nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern noch stärker auf direkte Demokratie setzen. In den Kommunen wollen wir Bürgerentscheide, wenn es darum geht, ob Eigentum verkauft werden soll, oder wenn entschieden werden muss, ob ein neuer Bürokomplex oder Sozialwohnungen gebaut werden sollen. Wir möchten, dass die Bürgerinnen und Bürger selbst eine Stimme haben, wenn es um den Erhalt von Theatern und Orchestern in den Bundesländern geht.

Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag hat sich auch wiederholt dafür eingesetzt, dass Volksentscheide auch auf Bundesebene möglich werden. Denn was in Kommunen und Ländern erlaubt ist, bleibt im Bund bisher streng verboten. Der Mindestlohn ist ein schöner Beweis für die Notwendigkeit von Volksentscheiden im Bund. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland ist für gesetzliche Mindestlöhne - übrigens ohne Unterschied in Ost und West. Nur die Bundesregierung blockiert, und auch die SPD macht über den Bundesrat keinen entsprechenden Druck. Das Einfachste wäre also auch beim Mindestlohn, wenn es die Leute dann eben selbst entscheiden.

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Direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Rostock und für DIE LINKE Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestages