Empfehlungen der Sachverständigengruppe für die Überprüfung der griechischen Arbeitsmarktinstitutionen

22.12.2016 / europa-neu-begruenden.de, 27.09.2016

Im letzten Griechenland-Memorandum von 2015 war die Einsetzung einer Expertenkommission festgelegt worden, die nach den massiven Eingriffen in ArbeitnehmerInnenrechte und die Tarifautonomie Vorschläge für neue und bessere Arbeitsbeziehungen in Griechenland unter Berücksichtigung vorbildlicher europäischer Erfahrungen erarbeiten sollte. Aus Deutschland waren die Professoren Gerhard Bosch (IAQ/Universität Duisburg-Essen) und Wolfgang Däubler (Universität Bremen) Mitglieder der Kommission. Der griechische Arbeitsminister Giorgos Katrougalos hat jetzt den Bericht der internationalen Expertenkommission über den griechischen »Arbeitsmarkt« vorgestellt. Der komplette Bericht ist sowohl in englischer Sprache[1] als auch in deutscher Sprache[2] verfügbar.

In einer Presseerklärung des »Instituts Arbeit und Qualifikation« der Universität Duisburg-Essen[3] werden die Empfehlungen der Kommission so zusammengefasst: »Sie schlägt vor die Tarifautonomie der Sozialpartner wieder herzustellen, was auch dem einstimmigen Wunsch der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände in Griechenland entspricht. Branchentarife sollen künftig wieder – wie in vielen andern EU-Ländern – für allgemeinverbindlich erklärt werden können, um gleiche Konkurrenzbedingungen für Betriebe zu schaffen und die weitere Zunahme geringer Löhne zu vermeiden. Voraussetzung ist, dass der Tarifvertrag entweder für 50 Prozent der Beschäftigten im Tarifgebiet gilt oder dass die Allgemeinverbindlichkeit im öffentlichen Interesse liegt. Angesichts der Struktur der griechischen Wirtschaft, wo Kleinbetriebe bei weitem überwiegen, ist die Allgemeinverbindlichkeit unabdingbar. Von Branchentarifen kann auf Betriebsebene nicht zu Lasten der Arbeitnehmer abgewichen werden, es sei denn, dass die Tarifpartner – wie in Deutschland – Öffnungsklauseln für den Fall gravierender wirtschaftlicher Schwierigkeiten vereinbaren.

Weiterhin soll der Mindestlohn, wie in Deutschland oder Belgien, allein durch die Sozialpartner festgelegt werden. Die bisherige Regelung, wonach Arbeitnehmer bis 25 Jahre einen reduzierten Mindestlohn erhalten, soll abgeschafft werden. Stattdessen soll es lediglich für Berufsanfänger im ersten Jahr einen Abschlag von 10 Prozent, im zweiten Jahr von 5 Prozent geben.«

Ein Teil der Empfehlungen werden von der Expertenkommission einstimmig gegeben, die Empfehlungen zum Mindestlohn und zum Tarifrecht von einer deutlichen Mehrheit der Kommission. Da die Kommission zur Hälfte von der Quadriga und zur Hälfte von der griechischen Regierung ausgewählt worden war, war dieses Votum nicht vorhersehbar. Die Seite Griechenlandsolidarität [4]kommentiert: »Die Verhandlungen auf Grundlage des Berichtes der Kommission sollen nun am 18. Oktober beginnen. Dann werden wir sehen, ob die Quadriga den Argumentationen der Arbeitsrechtler folgend wird, oder ob wieder einmal Machtinteressen mehr wiegen als Argumente.

Zumindest im Moment hat die Tsipras-Regierung einmal bessere Karten als die neoliberalen Repräsentanten der europäischen Institutionen.«

Links:

  1. http://www.ypakp.gr/uploads/docs/9946.pdf
  2. http://www.europa-neu-begruenden.de/wp-content/uploads/2016/12/Empfehlungen-der-Sachverst%C3%A4ndigengruppe-f%C3%BCr-die-%C3%9Cberpr%C3%BCfung-der-griechischen-Arbeitsmarktinstitutionen.pdf
  3. http://www.iaq.uni-due.de/aktuell/presse/2016/160930.php
  4. https://griechenlandsoli.com/2016/10/03/einmal-gute-karten-fuer-tsipras/#more-7864