Europäische Zentralbank: Mit Fiskalpolitik raus aus der Minuszinspolitik

Kurzkommentar von Rudolf Hickel zur Entscheidung des EZB-Rats am 21.7.2016 in Frankfurt a.M.

27.07.2016 / 21.07.2016

Wer auf eine grundlegende Änderung der Geldpolitik bei der jüngsten Sitzung der Europäischen Zentralbank gewettet hat, der zählt zu den Verlierern. Die Euronotenbank lässt den Leitzins, zu dem sich die Geschäftsbanken mit Notenbankgeld eindecken, beim Rekordtief von 0,0 Prozent. Banken, die ihr Geld bei der EZB parken, zahlen weiterhin den Strafzins mit 0,4%. Sollte der Brexit das Wirtschaftswachstum belasten, wäre eine weitere Drehung dieser ultrabilligen Geldpolitik möglich. Nach dem bisherigen Muster wird unerbittlich weiterhin extrem billiges Geld in die Realwirtschaft gepumpt. Dazu gehört auch der Ankauf vor allem von Staatsanleihen. Der Kauf der Mitte Juli ausgegebenen 10-jährigen Bundesanleihe ohne Zinsanspruch wird erstmals mit einer Rendite von -0,05 Prozent zum Minusgeschäft. Seit Anfang Juni kauft die EZB den Banken auch Unternehmensanleihen ab. 158 Unternehmen profitieren mit insgesamt über 10 Mrd. ¤. Dabei sind die Deutsche Bahn, Metro, Siemens, die Bosch AG sowie auch Anheuser-BuschInbev, aber auch die schlecht bewertete Kali + Salz AG. In der Gesamtwirkung führt die Überflutung mit Billiggeld zu Minuszinsen und den Run auf die Aktienmärkte. Die Zinssätze auf Ersparnisse bewegen sich weiterhin in der Nähe von Null. Nach Abzug der Inflationsrate verliert das Sparvermögen real an Wert. Die Gefahr, dass nicht mehr nur vereinzelt viele Geschäftsbanken dazu übergehen, zumindest für hohe Summen von Einlegern einen Strafzins zu verlangen, ist groß. Denn was sollen sie mit der überschüssigen Liquidität gewinnbringend anfangen?

Was sind die Gründe für die fortgesetzte Minuszins-Geldpolitik? Das Wirtschaftswachstum im Euroraum, das anhaltend zu schwach ist, soll angekurbelt werden. Ursache ist die anhaltend geringe Bereitschaft zu unternehmerischen Investitionen. Über billige Zinsen für die Kreditaufnahme will die EZB einen Anreiz schaffen. Die EZB kämpft auch durch mehr an Nachfrage um eine Erhöhung der Inflationsrate bis zur Zielinflationsrate von zwei Prozent. EZB als Inflationserzeuger, das ist schwer begreifbar, aber richtig.

Diese neue Geldpolitik hat sicherlich den tiefen Absturz der Eurowirtschaft verhindert, ihre Ziele erreicht sie jedoch nicht: Das auffällig schwache Wirtschaftswachstum im Euroland wird absehbar nicht überwunden. Die Investitionen der Unternehmen bleiben trotz der günstigen Finanzierungsbedingungen schwach. Die Inflationsrate bewegt sich in der Nullzone.

Was sind die Ursachen für die Erfolglosigkeit dieser voll ausgereizten Geldpolitik? Es gelingt immer weniger, die gigantischen Geldmittel aus den Finanzmärkten und speziell aus dem Bankensystem in die Finanzierung der Produktionswirtschaft zu lenken. Die gigantischen Ersparnisse werden unzureichend durch Unternehmen in Produktion transformiert. In diesem Klima erhöht die Geldpolitik der EZB diese Geldschwemme, treibt die Aktienkurse hoch. In Erinnerung an Karl Schiller, die Pferde werden an die billig finanzierte Tränke geführt, aber sie saufen nicht.

Gibt es ein Entkommen aus dieser Liquiditätsfalle? Ja, die Geldpolitik erbringt ihre Vorleistung für die wirtschaftliche Besserung. Aber sie ist bei der Schaffung ausreichender Nachfrage, die die Auftragsbücher der Wirtschaft füllt, völlig überfordert. Die Fiskalpolitik 2 muss die Investitionsfelder erschließen, die für die Privatwirtschaft nicht rentabel, jedoch nützlich sind. Derzeit stößt jedoch die expansive Geldpolitik auf eine restriktive Finanzpolitik, die im Euroland auf Schrumpfen setzt. Draghi wird durch Schäuble ausgebremst. Deshalb gilt: Die Wirtschaft sollte mit nützlichen Infrastrukturinvestitionen auch zugunsten künftiger Generationen angekurbelt werden. Arbeitslosigkeit wird vermieden, die öffentliche Infrastruktur gestärkt und die Staatshaushalte werden finanzierbar. Eine Rückkehr zu „normalen Zinsen“ für die Sparerinnen und Sparer ist ohne aktive Finanzpolitik nicht möglich.