Der Entwurf des „Rahmen für Änderungsanträge zum Bundeshaushalt 2015“ der AG Haushalt der Bundestagsfraktion DIE LINKE enthält unter Punkt 2 momentan die kontroverse Forderung einer „schwarzen Null“ für den Bundeshaushalt:
„Obwohl DIE LINKE generell das Instrument der Schuldenbremse ablehnt, beantragen wir in den Haushaltsberatungen keine höhere Neuverschuldung, als die im Regierungsentwurf angesetzte. Anderenfalls würden alle unsere Anträge kommunikativ abgewertet, weil der LINKEN dann ausschließlich „Schuldenmacherei“ unterstellt würde.Für das Haushaltsjahr 2015 sieht der Entwurf der Bundesregierung eine Neuverschuldung von 0 Euro vor. Würden wir ein Hochschrauben der Neuverschuldung vorschlagen, wäre theoretisch die Gegenfinanzierung unbegrenzt vieler ausgabewirksamer Änderungsanträge möglich. Dies wäre jedoch unglaubwürdig, ein solches Umgehen einer Priorisierung von Änderungsvorschlägen ließe unsere Vorschläge beliebig und nicht umsetzbar erscheinen. DIE LINKE muss ihr Problem überwinden, das zum Ausdruck kommt, indem ein großer Teil der Gesellschaft sowohl die Kapitalismuskritik der LINKEN teilt als auch deren Vorstellungen von einem solidarischen Gemeinwesen erstrebenswert findet, der LINKEN aber nicht zutraut, von dem Kritisierten zu dem angestrebten Zustand der Gesellschaft zu kommen.“
Demnach bestehe für DIE LINKE die Gefahr als wirtschaftspolitisch unverantwortlich dazustehen und unfinanzierbare Wohltaten auf Pump versprechen zu müssen, sofern sie sich die Option einer höheren Neuverschuldung (als von der Regierungskoalition geplant) offenhalte.
Auch unter dem Regime der Schuldenbremse sieht das (geänderte) Grundgesetz unabhängig von Konjunktureinbrüchen, Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen einen Verschuldungsspielraum des Bundes in Höhe von 0.35% des Bruttoinlandsproduktes (BIP), d.h. gegenwärtig von ca. 9,5 Mrd. Euro vor.
Dieser Spielraum sollte auch im Bundeshaushalt 2015 ausgeschöpft und zur Finanzierung unserer Forderungen für eine bessere öffentliche Infrastruktur genutzt werden.
Die obigen Schlussfolgerungen und zugrundeliegenden Annahmen zur Akzeptanz der „schwarzen Null“ halte ich dagegen aus folgenden Gründen für falsch:
Fazit:
Auch wenn die Staatsverschuldung im Vergleich zum BIP über die letzten Jahrzehnte – aus sehr unterschiedlichen Gründen[5] – deutlich angewachsen ist und zunehmend als Problem gesehen wird, ist es falsch, Staatsverschuldung generell abzulehnen. Stattdessen muss eine LINKE Politik den jeweiligen Grund für eine Neuverschuldung kritisch unter die Lupe nehmen: Werden die Schulden aufgenommen, um beispielsweise Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche zu kompensieren (wie unter Rot-Grün), ist dies zu kritisieren. Werden hingegen Schulden aufgenommen, um langfristige Investitionen in eine zukunftsfähige Infrastruktur zu tätigen, ist dies als richtig und wichtig zu begrüßen.
Dem Staat Investitionskredite auf Schuldenbasis generell zu verbieten würde im Klartext bedeuten, gerade den besonders benachteiligten Menschen in unserer Gesellschaft eine gute öffentliche Infrastruktur und ausreichende, anständig bezahlte Arbeitsplätze vorzuenthalten. Wie bereits in Südeuropa der Fall, könnte damit auch in Deutschland eine von der Politik im Stich gelassen „verlorene Generation“ entstehen. Deshalb führt das pauschale Dogma einer „schwarzen Null“ in eine neoliberale Sackgasse und ist das Gegenteil einer solidarischen, zukunftsfähigen und ökonomisch wohl begründetet LINKEN Politik.
Und wer nun glaubt, dass diese Ansicht ja wieder nur eine ewig gleiche Position der KeynesiaerInnen sei, der nehme das folgende Interview „Es gibt keine Welt ohne Staatsverschuldung“ mit dem (Chef-)Wirtschaftsforscher Michael Hüther vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) über sinnvolle Staatsverschuldung zur Kenntnis:
„Die Staatsschulden sind aufgrund der Krise weltweit zu hoch. Wie stark müssen sie abgebaut werden?
Es geht um Schuldentragfähigkeit. Manche vermitteln jedoch den Eindruck, als würden die Staatsschulden jetzt verschwinden, als wären sie eine Fußnote der Geschichte. Das wird nicht passieren und es wäre auch verfehlt, wenn man versuchte, die Staatsschulden auf null zu drücken.
Wie bitte?
Es ist ökonomisch durchaus gerechtfertigt, Investitionen in den Kapitalstock über Kredite zu finanzieren.
Die Nettoneuverschuldung von null ist kein vernünftiges Ziel?
Langfristig, im neuen Gleichgewicht nach der Krise und bei disziplinierter Finanzpolitik, ist das Ziel jedenfalls fragwürdig. Bis zum Abbau der hohen Verschuldung auf die Maastricht-Grenze von 60 Prozent Staatsschulden gemessen am Brutto-Inlandsprodukt, ist eine Neuverschuldung von null ein paar Jahre lang zwingend.
Was ist an Staatsschulden sinnvoll?
Solange damit Investitionen des Staates finanziert werden, die eine höhere Rendite als den Zinssatz abwerfen, sind sie wohlstandssteigernd und generationengerecht. Das macht jedes Unternehmen so! Aber Staatsanleihen sind auch für die Risikostruktur einer Bank wichtig sowie für die private Altersvorsorge als risikoarmes, aber hochliquides Asset.
Dann müssten Sie die Schuldenbremse kritisch sehen, da sie für neue Schulden so kaum Spielraum lässt?
Naja, der Investitionsgedanke ist enthalten, der konjunkturstabilisierende Gedanke ebenso sowie der Gedanke, dass Naturkatastrophen eine höhere Staatsverschuldung erlauben. Alles in allem ist die Schuldenbremse nicht so strikt, wie manche glauben. Verstehe ich Sie richtig, dass auf dem Anpassungspfad für eine geringere Staatsverschuldung die Schuldenbremse mit ihren 0,35 Prozent Neuverschuldung pro Jahr ein sinnvolles Instrument ist, das später etwas gelockert werden müsste? Man muss in ein paar Jahren schauen, ob die starren 0,35 Prozent ausreichen, um die notwendigen Investitionen tätigen zu können. Diese Diskussion müssen wir jetzt nicht führen. Mein Punkt ist an die Politik gerichtet. Es ist naiv zu glauben, es gäbe eines Tages eine Welt ohne Staatsschulden.“[6]
[1] Für eine ausführliche Analyse zu Staatsschulden und empirische Daten für Deutschland siehe: Axel Troost, Hintergrund Staatsverschuldung in Deutschland www.axel-troost.de[1]
[2] Das neoklassische Mantra vom „Sparen als Voraussetzung für Investitionen“, oft mit der „schwäbischen Hausfrau“ verglichen, wird seit Jahrzehnten von alternativen ÖkonomInnen zurecht kritisiert. Dass ein Staatshaushalt fundamental anderen Gesetzmäßigkeiten als ein Privathaushalt unterliegt, kommt mittlerweile sogar im ökonomischen Mainstream mehr und mehr an.
[3] Wobei eine Tilgung der Staatsschulden volkswirtschaftlich wenig Sinn macht oder sogar gefährlich wäre: Um ein bestimmtes Wertschöpfungsvolumen (BIP) zu halten, ist in einem Kreditgeldsystem ein gesamtgesellschaftlich konstantes Verschuldungsniveau unumgänglich. Entschulden sich die Wirtschaftsakteure (also auch der Staat) insgesamt, sinken zwangsläufig die umlaufende Geldmenge sowie die Nachfrage, und damit auch das BIP. Die Folgen dieser Austeritätspolitik sind in Südeuropa zu sehen
[4] Häufig wird behauptet, die Staatsschulden gingen zulasten künftiger Generationen. Für die Bürger eines Staats gilt jedoch, dass nicht nur die Staatsschulden vererbt werden, sondern auch die Vermögen, die diese Staatsschuld finanziert haben. Daher ist die Umverteilung durch Staatsverschuldung kein Problem zwischen verschiedenen Generationen, sondern innerhalb von Generationen – also zwischen Arm und Reich – und könnte durch entsprechende Besteuerung neutralisiert werden.
[5] Vgl. den Text in Fußnote 1
[6] Wirtschaftsforscher Michael Hüther vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) spricht im Interview über sinnvolle Staatsverschuldung, Gefahren für die Industrie und die gefährliche Droge Nullzinspolitik. Aus: Berliner Zeitung vom 19.07.2013 www.berliner-zeitung.de[2]
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