Eine Perspektive für Europa – Kampf gegen (Jugend-) Arbeitslosigkeit

Von Axel Troost

08.10.2013 / 08.10.2013

Die Jugendarbeitslosigkeit in Europa lag in der Euro-Zone im Juli bei 24 Prozent. In der EU erreichte sie 23,2 Prozent. Während sie in Deutschland auf nur noch 7,7 Prozent gefallen ist, liegt sie in den Krisenländern weit über diesem Durchschnitt. In Griechen­land lag die Jugendarbeitslosigkeit im Mai, dem letzten Monat, aus dem Daten vorliegen, bei fast 63 Prozent. In Spanien liegt sie bei gut 56 Prozent. Was sind die wesentlichen Ursachen? Die Wirtschaft ist in beiden Ländern in einer Abwärtsspirale; Investitionen in moderne Produktionsstrukturen sind die Ausnahme; staatliche Kürzungsprogramme verschärfen die Lage zusätzlich. Problematisch ist die Lage des Arbeitsmarktes auch in Italien, Portugal, Zypern und der Slowakei. Dort sind jeweils mindestens 35 Prozent der jungen Menschen ohne Arbeit. In Irland und Frankreich ist mehr als jeder Vierte unter 25 Jahren auf der Suche nach einer Stelle, genauso wie in den Nicht-Euro-Ländern Polen und Bulgarien.

Nicht nur die Perspektivlosigkeit für Millionen junger Menschen ist erschütternd und schreit nach einem grundsätzlichen Politikwechsel. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa kostet jedes Jahr mehr als 75 Mrd. Euro und hat den Betroffenen seit dem Ausbruch der Finanzkrise Wohlstandsverluste von fast 227 Mrd. Euro gebracht.

Die EU-Mitgliedsländer haben die Kommission aufgefordert, Vorschläge zu erarbeiten, wie man den sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen Herr werden könnte. Demgegenüber nimmt sich der Beschluss des EU-Gipfels vom Juli, sechs Milliarden Euro für ein Sofortprogramm „Jugendgarantie“ aufzulegen, – vorsichtig ausgedrückt – bescheiden aus. Zurecht fordert eine große Mehrheit im EU-Parlament: Jugend­garantie-Projekte, die sicherstellen sollen, dass junge Menschen unter 25 ein Arbeitsangebot, eine Lehrstelle oder ein Praktikum innerhalb von vier Monaten nachdem sie arbeitslos geworden sind, bekommen, müssen erweitert werden.

Letztlich brauchten wir Marshallpläne für Beschäftigung und Ausbildung in den Euro-Krisenländern mit wirksamer Konzeption zu Inhalten, praktischer Umsetzung sowie aus­reichender Finanzierung und die Wiederherstellung der demokratischen Entscheidungs­verfahren. Ein wichtiger Schritt zur Verbesserung wäre eine EU Richtlinie, die alle Mitgliedsländer verpflichtet, ausreichende Arbeitslosenversicherungssysteme einzu­richten.

Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit kann nur der Einstieg in eine umfassende Reform der europäischen Wirtschaften sein. Europa braucht ein Zukunfts- und Investi­tionsprogramm in Bildung, Infrastruktur und Wirtschaft. Der Stabilitäts- und Wachstums­pakt fördert Standortkonkurrenz und soziale Ungleichheiten – er wird dem Ziel einer gleichgewichtigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Europa nicht gerecht. Es ist falsch, Strukturanpassungen der nationalen Ökonomien in der Euro-Zone einseitig durch eine in ökonomische Depression führende Lohnsenkungs- und Austeritätspolitik erzwingen zu wollen. Europa braucht wirtschaftliches, sozial-ökologisches Wachstum und zugleich einen politisch gesteuerten Strukturwandel der Wirtschaft und Arbeits­plätze.

Seit den 1970er Jahren sind die Wachstumsraten in den reichen Industrieländern mehr oder weniger stetig zurückgegangen. Notwendig ist ein Mix von Wachstumsanreizen und Sanierungsmaßnahmen für die öffentlichen Finanzen. Außerdem brauchen wir Strategien gegen Europas interne Ungleichgewichte und Deutschlands enormen Leistungsbilanzüberschuss. Konkret bedeutet dies Lohnerhöhungen in Deutschland und eine Industriepolitik, die in den Volkswirtschaften Europas den Binnenmarkt ausbautund die Überbetonung der Exportfähigkeit zurücknimmt. Das Scheitern der bisher verfolgten Strategie ist eindeutig: Die interne Abwertung, d.h. die zwangsweise Ab­senkung von Löhnen und Preisen, hat die Schuldenlast der Haushalte, Unternehmen und Regierungen erhöht. Wird gespart, verlieren die Menschen ihre Arbeit, weil die von ihnen hergestellten Produkte niemand kauft. Durch Jobverlust sinkt aber die Schuldenlast nicht, sondern steigt an. Dieser Falle kann man entkommen, allerdings nur, wenn in der Diskussion über die Senkung der Schuldenquote von der Sparpolitik – höhere Steuern und niedrigere Ausgaben – Abschieden genommen und über schulden­freundliche Konjunkturanreize gesprochen wird: nämlich über Steuererhöhungen für Besserverdienende bei Anhebung der Staatsausgaben im gleichen Ausmaß.

Nach Eurostat waren im August EU-weit 26,6 Millionen Menschen arbeitslos, davon 19,2 Millionen im Euro-Raum. Gegenüber dem Vormonat sind die Zahlen nur marginal gesunken, nämlich um rund 7.000 in der EU-28 und um 5.000 in der Euro-Zone.Ökonomen erwarten für die nähere Zukunft eine nur langsame Verbesserung. Diese Prognose wird durch verschiedene Umstände nicht gerade erhärtet.

  • Auf dem stagnierenden europäischen Stahlmarkt findet ein harter Konkurrenz­kampf um Marktanteile und damit um die Verdrängung von Wettbewerbern statt. Hintergrund dafür ist, dass sich die Stahlindustrie in den letzten zehn Jahren strukturell gewaltig verändert und zu einer innovativen Branche entwickelt hat, die eng mit den nachgelagerten Industriezweigen – Automobil- und Bauindustrie, Maschinenbau und Elektrotechnik – verflochten ist. Gegenwärtig blasen den Stahlunternehmen die schwache Konjunktur und die sinkende Nachfrage aus dem EU-Ausland ins Gesicht. Die gebeutelten Staaten in Südeuropa halten sich mit Bestellungen zurück.
  • Auch des Budget der EU soll nach dem Willen der EU-Kommission um rund 6 Prozent gekürzt werden. Damit würde das EU-Jahresbudget 2014 mit 142 Mrd. Euro um rund 9 Mrd. Euro unter dem Jahresbudget 2013 von 151 Mrd. Euro liegen.

Nur auf Grundlage einer gemeinsamen sozialökologischen und sozial gerechten Wachstumspolitik kann Europa aus den massiven Spaltungen und Konflikten heraus­finden Der Abbau der Leistungsbilanzüberschüsse und die Ausweitung der Binnen­ökonomie in den Kernländern sind unverzichtbare Beiträge zur Stabilisierung der EU. Notwendig ist eine Reform, die statt auf einer Säule – der Geld- und Währungspolitik – auf drei weiteren Säulen aufbaut: einer gemeinsamen Fiskalpolitik, die von oben nach unten umverteilt, einer Wirtschaftspolitik, die mit öffentlichen Investitionsprogrammen Europa sozial und ökologisch erneuert, und einer Sozialpolitik, die Armut beseitigt und Entwicklungschancen schafft.

Statt des Paktes für Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz wird ein Pakt zur Gestaltung und Stärkung des Binnenmarktes gebraucht. Die Ausrichtung an der Wettbewerbs­fähigkeit muss durch eine nachhaltige Entwicklung, Vollbeschäftigung, soziale Sicherheit und Umweltschutz ersetzt werden.