Keine Einigung zum EU-Haushalt – 2013 das „Jahr des Schreckens“ in der Euro-Zone?

Von Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE und stellvertretender Vorsitzender der Partei DIE LINKE

12.11.2012 / 12.11.2012

Die Verhandlungen über das EU-Budget sind vorerst gescheitert. Die Vorstellungen der 27 EU-Mitgliedstaaten und Vertreter des Parlaments hätten zu weit auseinander gele­gen, so der Chef der Verhandlungsdelegation des EU-Parlaments, Alain Lamassoure. Der britische Premier Cameron bekräftigte noch einmal seine Entschlossenheit, jede reale Budgeterhöhung mit einem Veto zu blockieren. Er erklärte, angesichts der Haus­haltnöte der meisten Mitgliedsstaaten wäre eine Aufstockung des EU-Budgets grotesk. Für das kommende Jahr hatte das Europaparlament Ausgaben in Höhe von 137,9 Mrd. Euro gefordert. Das sind 6,82 Prozent mehr als in diesem Jahr. Der Ministerrat der EU-Regierungen will die Ausgaben hingegen auf 132,7 Mrd. Euro begrenzen. Das wäre ein Anstieg um 2,79 Prozent.

Eine Klärung vor dem Sondergipfel die Staats- und Regierungschefs am 22. November soll aber erreicht werden, um eine Einigung über die EU-Finanzplanung für 2014 bis 2020 nicht zu gefährden. Die sogenannten „Nettozahler“ - wie beispielsweise die deut­sche, die finnische, die österreichische, die britische, die dänische und die spanische Regierung - machten klar, dass sie den Anstieg des Haushalts 2013 weiterhin auf ma­ximal 2,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr begrenzen wollen. Die Beratungen über den Haushalt werden zusätzlich dadurch erschwert, dass die EU-Kommission auch einen Entwurf für einen Nachtragshaushalt des Jahres 2012 vorgelegt hatte. Die Minister soll­ten zusätzlichen Ausgaben in Höhe von 9 Mrd. Euro zustimmen, damit Rechnungen bezahlt werden könnten, die aufgrund früherer Zahlungsverpflichtungen jetzt anfallen.

Die EU-Kommission hat deutlich mehr Mittel gefordert und eine Reihe von Südländern wünscht eine deutliche Erhöhung vor allem mit Blick auf die schrumpfende Wirtschafts­leistung. Zugespitzt wird die Situation durch die aktuelle Prognose des EU-Währungs­kommissars Olli Rehn, der für 2013 „ein Jahr des Schreckens in der Euro-Zone“ be­fürchtet. „Die Arbeitslosigkeit wird 2013 mit knapp elf Prozent in der EU und zwölf Pro­zent in der Euro-Zone einen Höchststand erreichen", teilte die Kommission mit. Allein in der Euro-Zone wären damit etwa 19 Millionen Menschen ohne Arbeit. Die Wirtschaft in der Währungsunion werde erneut leicht schrumpfen und auch 2014 nur knapp die Null­linie beim Wachstum überschreiten. „Europa durchläuft einen schwierigen Prozess“, sagte er, „der noch eine ganze Weile anhalten wird.“

Die EU-Kommission hat ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum in der Eurozone nach unten korrigiert. Die gemeinsame Wirtschaftskraft der 17 Euro-Länder schrumpfe demnach um 0,4 Prozent in diesem Jahr und legt dann im Jahr 2014 nur um 0,1 Pro­zent zu. Im Mai war die EU-Kommission noch von minus 0,3 Prozent für 2012 und plus 1,0 Prozent für 2013 ausgegangen.

So hat sich die Lage besonders in den Krisenländern am Rand der Währungsunion noch verschlechtert:

  • Die Wirtschaft in Griechenland etwa bricht in diesem Jahr mit einem Minus von sechs Prozent stärker ein als noch im Mai vorhergesagt. Auch 2013 wird noch ein Minus von 4,2 Prozent stehen, zuletzt hatte die Kommission ein Nullwachstum vor­hergesagt. Jetzt soll erst 2014 Wachstum zu sehen sein, magere 0,6 Prozent pro­gnostiziert die Kommission. Die tiefe Rezession lässt den Schuldenberg wachsen: Bei immer noch über 176 Prozent sieht die Kommission die Verschuldung Athens in diesem Jahr, bei 188 Prozent im kommenden und noch mal leicht mehr im Jahr da­rauf. Mit den Geldgebern vereinbart ist, dass Athen bis 2020 einen Schuldenstand von 120 Prozent des BIP erreicht.
  • Spanien kämpft noch mindestens zwei Jahre lang mit einem hohen Haushaltsdefizit. Anders als von der Regierung in Madrid selbst berechnet, werde die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone auch 2014 mit einem Haushaltsloch von 6,4 Prozent weit vom vereinbarten Defizitziel von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entfernt sein. Im kommenden Jahr erreicht es demnach 6,0 Prozent, in diesem Jahr 8,0 Prozent. Die wirtschaftlichen Aussichten des Landes seien deutlich schlechter als bislang von der Regierung in Madrid eingeschätzt. Die Talfahrt setze sich im kommenden Jahr im selben Tempo fort wie zuletzt, prognostizierte die Kommission. Demnach schrumpft die Wirtschaftsleistung in diesem und im nächsten Jahr um 1,4 Prozent. 2014 könnte das Land zu einem Wachstum von 0,8 Prozent zurückkehren.
  • Der drittgrößten Euro-Volkswirtschaft Italien gehe es besser: Sie wird im kommen­den Jahr nur noch um 0,5 Prozent schrumpfen, nach einem Minus von 2,3 Prozent in diesem Jahr. 2014 werde das Land zu Wachstum zurückkehren und das BIP um 0,8 Prozent zulegen. Die Regierung in Rom erwartet bislang ein Plus von 1,1 Pro­zent für das übernächste Jahr.
  • Aber auch die Konjunktur-Vorhersage für Deutschland wurde nach unten korrigiert und liegt damit auf einer Linie mit den Wirtschaftsweisen: Für dieses und das kom­mende Jahr erwarten die Fachleute aus der EU-Generaldirektion für Wirtschaft ebenfalls nur magere 0,8 Prozent Wachstum Erst danach, im Jahr 2014, soll die deutsche Wirtschaft wieder solide wachsen: Einen Wert von 2,0 Prozent stellt die Kommission dann in Aussicht. Schneller gelingt nach der Brüsseler Einschätzung der Abbau des Haushaltsdefizits, der 2014 vollendet sein dürfte. Aber selbst dann reiße die Bundesrepublik noch einen anderen europäisch vereinbarten Grenzwert: Die Gesamtverschuldung sieht die Kommission 2014 bei immer noch 78,4 Prozent – durchaus deutlich mehr als die erlaubten 60 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP).

Und wieder einmal bestätigt sich die von vielen Ökonomen und politischen Akteuren nicht nur aus dem Spektrum der politischen Linken mahnend hervorgebrachte wissen­schaftliche Erkenntnis, dass einseitige Austeritätspolitik in Europa nicht dazu geeignet ist, die tiefgreifenden Probleme und ihre negativen Auswirkungen auf die Industrie und ihre Beschäftigten zu beseitigen. Im Gegenteil.

Zurecht analysiert Rudolf Hickel deshalb einem aktuellen Papier den „Minusmultiplika­tor“ und der Vorstand der IG Metall kritisiert diese Austeritätspolitik: „Sie verschärft die Krise in den am stärksten betroffenen Ländern und hat zu unzumutbaren Belastungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geführt. Davon sind Jugendliche und junge Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen massiv betroffen. In vielen Ländern hat eine gut ausgebildete junge Generation keine Aussicht auf sichere und gute Arbeitsplätze. Nur die Kombination von Schuldenabbau mit gezielten Wachstumsprogrammen schafft dieVoraussetzung für eine erfolgreiche Überwindung der Krise ohne inakzeptable soziale Kosten. Es geht um nicht weniger als die langfristige Sicherung der industriellen Basis, Wertschöpfung und Innovationskraft in Europa. Eine erfolgreiche europäische Indus­triepolitik ist auf eine eigene Produktion in Schlüsselindustrien angewiesen.“