Euro: Crash oder Kur?

Von Christa Luft

04.10.2011 / Neues Deutschland vom 4.10.2011

Die Kanzlerin mahnt: Scheitert der Euro, dann scheitert Europa. Sie reduziert also Europa auf die EU. Was ist mit Russland, der Ukraine, der Schweiz oder Norwegen? Auch haben von 27 EU-Mitgliedern nur 17 das gemeinsame Geld. Die übrigen bremsen, seit der Euro kriselt. Auch bei monetärer Vielfalt ist friedliches Zusammenleben in ganz Europa oberstes Gebot.
Infrage stünde mit einem Eurocrash das Vorhaben, ein Gegengewicht zu den konkurrierenden Währungsräumen Nordamerika und Südostasien zu etablieren. Der Euro ist in das globale Finanzsystem, in die weltweiten Vermögenswerte und Schulden eingebunden. Er hat als Anlage- und Reservewährung nach dem US-Dollar international Rang zwei. Sein Zerfall hätte weitreichende Folgen für die Weltwirtschaft.

Als gescheitert erwies sich das von deutscher und französischer Politik zu verantwortende Vorpreschen zu einer Währungs- ohne politische Union. Mit dem Maastricht-Vertrag von 1992 wurde gemeinsames Geld kreiert, ohne für die Teilnahme von Ländern verbindliche realwirtschaftliche Kriterien zu fixieren: angemessenes Wachstum, hoher Beschäftigungsgrad, außenwirtschaftliches Gleichgewicht, ausgeglichene Wirtschaftsstrukturen. Der Markt sollte das herbeiführen. In diesem Geburtsfehler des Euro liegt der primäre Grund seiner jetzigen Krise.
Von Deutschland und Frankreich muss die Korrektur der Gründungsfehler ausgehen, um den Zerfall der Währungsunion zu verhindern. Rettungsschirme für Krisenländer, auch Eurobonds helfen nur vorübergehend, wenn sie nicht untersetzt werden durch Stopp von Steuerdumping, Eindämmung der Spekulation, Begrenzung außenwirtschaftlicher Ungleichgewichte, strikte Regulierung des Finanzsektors und kontrollfähige Eigenanstrengungen der Hilfsbedürftigen. Nur mit einem Mindestmaß an politischer Koordinierung ist die tatsächliche Vergemeinschaftung des Geldes voranzubringen. Nur so kann verhindert werden, dass aus praktizierter Solidarität mit den Krisenländern dauerhaft eine nationalistische Stimmungen schürende Einbahnstraße wird. Dazu ist ein neuer Vertrag nötig.

Für die kürzlich geforderte »geordnete Insolvenz« Griechenlands gibt es keine Regelung. Nicht einmal aus der Währungsunion hinauszuwerfen wäre Hellas. Verabschieden könnte es sich nur selbst. Unvermeidbar ist seine Umschuldung. Zu der befürchteten Ansteckungsgefahr für andere Länder muss es nicht kommen, wenn Griechenland nach dem Schuldenschnitt im Euro gehalten wird.
Über die Zukunft des Euro lässt sich nicht unabhängig von der Akzeptanz in der Bevölkerung befinden. Ohne vertrauensbildende Maßnahmen wird sie schwinden. Eine Umfrage der EU-Kommission offenbart Vorbehalte auch von Deutschen gegen dem EU-Binnenmarkt. Er nütze nur Großunternehmen und verschlechtere die Arbeitsbedingungen. Ständig aufgestockte Rettungsfonds für Krisenländer erhöhen die Verunsicherung. Die LINKE fordert eine Regierungsgarantie, dass im Haftungsfall für verbürgte Hilfskredite Löhne, Renten und Sozialleistungen nicht gekürzt, Massensteuern nicht erhöht und die Spareinlagen gesichert werden. Massenhaft sind nun Bürger zu mobilisieren, damit aus Appell Aktion wird und die Krisenverursacher in die Pflicht genommen werden.

In der wöchentlichen nd-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.