Euro-Anleihen

Von Axel Troost

16.12.2010

Zur Genese:

Seit der Zuspitzung der Finanzkrise im Jahr 2008 infolge der Lehman-Pleite wurde vermehrt die Ein­führung von Euro-Anleihen gefordert. Im November 2008 hatte Jean-Claude Junker Euro-Anleihen als Finanzierungsinstrument für ein von der EU-Kommission bereit zu stellendes EU-Konjunkturprogramm vorgeschlagen. DIE LINKE hat diesen Vorschlag unterstützt (Alexander Ulrich im Bundestag am 19.3.2009). Ebenfalls im Herbst 2008 hatte die EU zusammen mit dem IWF einen gemeinsamen Not­kredit für Ungarn bereitgestellt. Im Zuge dessen wurde in die Diskussion gebracht, ob die EU-Kommis­sion befugt werden soll, zur Refinanzierung dieses Kredits Euro-Anleihen auszugeben. In beiden Fällen hatte sich die deutsche Bundesregierung deutlich ablehnend geäußert.

Breiter rezipiert wurde der Vorschlag von Euro-Anleihen dann im Zusammenhang der Euro-Griechen­land-Krise Anfang 2010.

Was wollen wir unter Euro-Anleihen verstehen? [1]

Mit Euro-Anleihen meint DIE LINKE Anleihen, die gemeinschaftlich von den Ländern derEuro-Zone am Kapitalmarkt emittiert werden und für deren Rückzahlung die Gemeinschaft der Emittenten haftet. Dabei haftet jedes Mitgliedsland für diese Anleihen, es gibt allerdings ein Haftungslimit (z.B. bis zum doppelten Anteil des nationalen Anteils am BIP der Euro-Zone).

Primäres Ziel von Euro-Anleihen ist es, die Finanzierung aller öffentlicher Haushalte innerhalb der EU bzw. der Euro-Zone zu möglichst niedrigen einheitlichen Zinsen sicherzustellen. Euro-Anleihen sind ein klares Signal an die Finanzmärkte, dass eine spekulative Attacke gegen ein einzelnes Land der Euro-Zone aussichtslos ist. Um das zu erreichen, bedarf es über die Euro-Anleihen hinaus klarer Verabredun­gen, dass die Glaubwürdigkeit der wechselseitigen Beihilfe innerhalb der Euro-Zone, wenn einmal be­schlossen, nicht politisch zerredet oder von einzelnen Regierungen in Frage gestellt wird.

Um einen möglichst großen und liquiden Euro-Anleihe-Markt zu schaffen, der entsprechend günstige Refinanzierungskosten bietet, soll die gesamte öffentliche Kreditaufnahme aller Euro-Zonen-Länder mit­telfristig über Euro-Bonds erfolgt . Dazu könne eine europäische Finanzagentur geschaffen werden, die nach Anmeldung des Finanzbedarf einzelner Länder im Namen der Euro-Zone Euro-Anleihen emittiert, die dabei vereinnahmtem Mittel an die einzelnen Länder durchreicht und die Kreditaufnahme statistisch erfasst.

Wenn Euro-Anleihen zur gängigen Form der europäischen Staatsfinanzierung werden, wird durch die Größe des Emissionsvolumens eine erhebliche Konkurrenz zu US-Staatsschuldtiteln entstehen. Die hohe Liquidität eines solchen Euro-Anleihen Markten führt dazu, dass die durchschnittliche Verzinsung dieser Anleihen günstiger als der derzeitig gewichtete Durchschnitt der derzeitigen nationalen Anleihen europäi­scher Länder ist.

Wir lehnen den vom Bruegel-Institut entwickelten und von Jean-Claude Junker vorgetragenen Vorschlag ab, den einzelnen Ländern die Aufnahme von Staatsschulden über Euro-Anleihen nur bis zum Umfang von 60% ihres BIPs zu gestatten („BLUE-Bonds“). Für die schwächeren Länder in der EU würde es nur zu sehr hohen Zinsaufschlägen möglich sein, den darüber hinaus gehenden Anteil der Staatsschulden zu finanzieren. Damit wären weitere Desintegrations-Tendenzen vorgezeichnet, statt zu einer solidarischen Konvergenz in der Euro-Zone beizutragen.

Eine solche Konvergenz ist allein durch Euro-Anleihen allerdings nicht zu erreichen. Ohne eine koordi­nierte europäische Wirtschaftspolitik inkl. sanktionsbewehrter Mechanismen zur Angleichung der Wett­bewerbsfähigkeit, der Besteuerungspraxis und der sozialen und ökologischen Standards auf hohem Ni­veau wird kein soziales Europa und kein stabiler Euro entstehen.

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[1] Vereinzelt treten beim Begriff „Euro-Anleihe“ und „Euro-Bonds“ Missverständnis auf. Häufig werden und wurden Anleihen, die auf Euro denominiert sind, als „Euro-Anleihen“ bezeichnet. Als Euro-Bonds wurden schon seit den 1970er Jahren Anleihen in nicht-heimischer Währung bezeichnet, die in Europa (v.a. in der City of London und an­ deren Off-Shore-Finanzzentren) aufgelegt und gehandelt wurden. Der überwiegende Teil waren sogenannte Euro­dollar-Bonds, d.h. Dollar-Anleihen, die außerhalb der USA und vorzugsweise in Europa gehandelt wurden. Es han­delte sich dabei fast immer um Anleihen privater Emittenten, nicht um Staatschuldpapiere.