Weltweit befinden sich rund
51 Mio. Menschen auf der Flucht. Der größte Teil von ihnen (rund 33
Mio. Menschen) ist innerhalb des eigenen Heimatlandes auf der Suche
nach einem neuen Lebensmittelpunkt. Rund 17 Mio. Menschen jedoch sind
aus unterschiedlichen Gründen gezwungen, ihr Land zu verlassen. Sie
gelten nach völkerrechtlicher Definition als Flüchtlinge. Ein
Großteil der Flüchtlinge stammt aus Afghanistan (2,5 Mio.
Menschen), Syrien (2,4 Mio. Menschen) und Somalia (1,1 Mio.
Menschen). Zielländer der Flüchtlinge sind aufgrund der räumlichen
Nähe insbesondere Pakistan (1,6 Mio. Menschen) sowie Iran und
Libanon (jeweils rund 850.000 Menschen).
In Deutschland sind im
vergangenen Jahr rund 200.000 Menschen angekommen, die um Schutz und
Asyl nachsuchen. Gemessen an der Gesamtbevölkerung sind das nicht
viele, bedenkt man, dass alleine der Libanon mit 4,5 Millionen
Einwohnerinnen und Einwohnern 850.000 Flüchtlinge aufgenommen
hat.Wer angesichts dieser Zahlen von einer Überforderung der
deutschen Gesellschaft durch die Aufnahme von Flüchtlingen spricht,
betreibt verbale Brandstiftung und letztlich das Geschäft
derjenigen, die am rechten Rand Vorurteile gegen Flüchtlinge und
Migrant/innen schüren. Das Grundrecht auf Asyl gehört zu den
tragenden Pfeilern unserer Verfassung und zu den wichtigsten Lehren
aus der deutschen Geschichte. DIE LINKE engagiert sich für ein
weltoffenes Land, das schutzsuchenden Menschen sichere Aufnahme
bietet und für eine Flüchtlingspolitik mit humanitärem Kompass.
In den Bundesländern, die
von der LINKEN mitregiert werden, haben wir gezeigt, wie klare
Prioritäten in der Flüchtlingspolitik gesetzt werden. So erhalten
in Brandenburg Kinder und Jugendliche bereits in der
Erstaufnahmeeinrichtung Schulunterricht, obwohl laut Bundesrecht die
Schulpflicht für diese Kinder nicht gilt, werden zertifizierte
Deutschkurse über ESF Programme auch für diejenigen ermöglicht
deren Aufenthaltsstatus noch nicht geklärt ist, wird eine
Gesundheitskarte für Flüchtlinge eingeführt, damit ein Arztbesuch
nicht mehr unnötige und entwürdigende Ämtergenehmigungen nötig
macht. Es werden Netzwerkstrukturen für Ehrenamt geschaffen, Lücken
in der sozialen, psychologischen und rechtlichen Beratung Stück für
Stück geschlossen und Handwerkskammern, Jobcenter und Kommunen an
einen Tisch gebracht, um den Zugang zu Aus –und Weiterbildung und
zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. In Thüringen war der
Winterabschiebestopp der erste Akt der neu gewählten rot-rot-grünen
Landesregierung. Bei der Einrichtung einer dritten Erstaufnahmestelle
geht Rot-Rot-Grün einen neuen Weg und verbindet auf dem geplanten
Integrations- und Bildungscampus Mühlhausen die Unterbringung von
Flüchtlingen mit dem Zugang zu Bildung und Ausbildung sowie einer
aktiven Integration von Flüchtlingen in bestehende Sozialstrukturen.
Thüringen und Brandenburg haben sich gemeinsam im Bundesrat gegen
alle Verschärfungen des Asylrechts gewehrt.
Asyl und Zuwanderung braucht
nicht nur rechtliche Standards sondern eine Willkommenskultur und
eine Kultur des Ankommens. Nur so entsteht Teilhabe. In den Ländern,
aber auch in den Landkreisen und Kommunen steht LINKE Politik in
besonderer Verantwortung, alle Möglichkeiten unter den gegebenen
rechtlichen Vorgaben auszuschöpfen, aber auch deutlich aufzuzeigen,
wie eine von Humanismus und Weltoffenheit geprägte
Flüchtlingspolitik aussieht. Die zeitlich möglichst kurze und in
der Ausstattung möglichst auskömmliche Unterbringung in
Gemeinschaftsunterkünften muss so gestaltet werden,dass in kurzer
Zeit Grundsteine für eine schnelle Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben gelegt werden. Sprachförderung, soziale, gesundheitliche und
auch rechtliche Betreuung sind nicht nur für Asylsuchende wichtige
Grundlagen für ein Ankommen in unserem Land. Sprache ist Zugang zu
Bildung für Kinder und Jugendliche sowie für die Erwerbstätigkeit
von Erwachsenen. Sprache ist Grundvoraussetzung für Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben. Es ist Mehrwert LINKER Landespolitik,
Flüchtlingspolitik zu einer sozialpolitischen Aufgabe zu machen, in
der der Arbeitsmarkt nicht unter Verwertungskriterien, sondern unter
Integrations – und Teilhabekontexten gedacht wird. Und es muss
Mehrwert LINKER Regierungspolitiksein, bestehende Stigmatisierungen,
die durch Aufenthalts- und Asylbewerberleistungsgesetze vorgegeben
sind, abzumildern. Wir sehen in jedem Menschen eine Chance für die
Gesellschaft. LINKES Regierungshandeln richtet sich daran aus.
Unbestritten ist, dass die
wachsende Zahl von Kriegen und humanitären Krisen dazu führt, dass
die Zahl der Menschen, die in Deutschland um Schutz und Aufnahme
bitten, wächst. Die offizielle Prognose des Bundesamts für
Migration und Flüchtlinge, die für 2015 von etwa 300.000
aufnahmesuchenden Flüchtlingen ausgeht, ist längst Makulatur. Viele
Expertinnen und Experten halten es für möglich, dass die Zahl
tatsächlich bei mehr als 400.000 liegen könnte. Dieser Anstieg
markiert vor allem für die Länder und Kommunen, denen die
Zuständigkeit für die Erstaufnahme und Unterbringung der
Flüchtlinge zufällt, eine erhebliche Herausforderung, auf die eine
verantwortliche Flüchtlingspolitik reagieren muss. Es ist völlig
inakzeptabel, wenn einzelne politische Kräfte die gestiegenen
Flüchtlingszahlen als Sicherheitsproblem kennzeichnen und damit die
hier um Schutz nachsuchenden Menschen denunzieren. Wir respektieren
diejenigen, die Ängste artikulieren. Wir bekämpfen diejenigen, die
Ängste schüren. Grundlage jeder politischen Reaktion müssen das
Grundrecht auf Asyl und die grundgesetzlich garantierte
Unantastbarkeit der Menschenwürde sein. Eine Flüchtlingspolitik mit
humanitärem Kompass muss sich an den folgenden Eckpunkten
orientieren:
- 1) Für ein unantastbares
Grundrecht auf Asyl:Wir stehen für die Wiederherstellung des
Grundrechts auf Asyl. Dazu gehört, dass die dieses Grundrecht
einschränkenden Bestimmungen im Grundgesetz, nämlich die Prinzipien
sicherer Drittstaaten, verfolgungsfreier Herkunftsstaaten und das
Flughafenverfahren aus dem Grundgesetz gestrichen werden. Wir setzen
uns in den von uns mit regierten Bundesländern über den Bundesrat
dafür ein, dass keine weiteren Staaten in die Liste der sicheren
Drittstaaten und verfolgungsfreien Herkunftsstaaten aufgenommen
werden. DIE LINKE lehnt Kettenduldungen ab und setzt sich für
gesicherte Aufenthaltsrechte ein.
- 2) Keine weitere
Verschärfung des Asylrechts:Wir lehnen den im parlamentarischen
Verfahren befindlichen Gesetzentwurf zur Verschärfung des
Flüchtlings- und Asylrechts ab. Wir wenden uns gegen eine
Erweiterung der Möglichkeiten, Geflüchtete zu inhaftieren und
Rückkehrverbote auszusprechen. Wir wollen die Abschaffung des
Instituts Abschiebehaft.
- 3) Für eine Gleichstellung
von Flüchtlingen:Wir setzen uns für die Abschaffung des
Asylbewerberleistungsgesetz und der Residenzpflicht ein. Eine
dauerhafte Unterbringung von Flüchtlingen in Sammelunterkünften
lehnen wir ab. Wir setzen uns für eine Dezentralisierung der
Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge ein und stehen dafür,
dass Flüchtlinge schnell in eigenen Wohnungen ziehen können. Es
ist die gemeinsame Aufgabe von Ländern, Kommunen, Bund,
Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften, ausreichend Wohnraum
für Geflüchtete (ebenso wie für andere Menschen mit geringen
Einkommen) sicher zu stellen. Dabei wollen wir Kasernierung und
isolierte Flüchtlingsunterkünfte in kleinen Dörfern und
städtischen Randlagen vermeiden. Flüchtlinge müssen schnell Zugang
zur Gesellschaft bekommen.
- 4) Mehr finanzielle
Verantwortung des Bundes: Die Zusagen des Bundes für eine
finanzielle Unterstützung der Länder bei der Unterbringung von
Flüchtlingen sind angesichts der aktuellen Prognosen nicht mehr als
ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Bund ist in der Pflicht, seine
finanziellen Spielräume an die Länder weiterzugeben. Wir fordern
für das laufende Jahr 2015 eine Aufstockung der Zusagen des Bundes
auf mindestens zwei Milliarden Euro. Auf mittlere Sicht muss der Bund
die Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen vollständig
übernehmen. Dies muss in den anstehenden Verhandlungen über die
Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen zum Thema gemacht werden. Der
Bund wird aufgefordert, Bundesimmobilien ohne Einschränkung
unentgeltlich für Wohnzwecke zur Verfügung stellen. Statt auf
Höchstpreise zu warten und Leerstand zu akzeptieren, bestehen hier
bereits Möglichkeiten für die Unterbringung, welche die Kommunen
ganz praktisch entlasten.
- 5) Schluss mit der
Zwangsverteilung:Der „Königsteiner Schlüssel“ führt nur
scheinbar zu einem solidarischen Ausgleich der Kosten für die
Unterbringung und Versorgung Geflüchteter. Stattdessen führt er
dazu, dass Familien auseinander gerissen werden, dass Flüchtlinge
nicht zu Freunden oder Verwandten ziehen können,
wo ihnen ein schneller Start möglich wäre, dass Flüchtlinge in
Orte geschickt werden, wo sie von der Mehrheitsbevölkerung gehasst
und bekämpft werden. Mit der Aufhebung der Residenzpflicht muss die
freie Wahl des Wohnortes einhergehen. Die Kosten sind über ein
bundesweites Verfahren solidarisch aufzuteilen.
- 6) Sofortiger Zugang zu
Sprach- und Partizipationskursen:Viele Flüchtlinge werden auf
unabsehbare Zeit in Deutschland bleiben.Sie sind gekommen, um zu
bleiben. Damit sie schnell als gleichberechtigte Mitglieder der
Gesellschaft Fuß fassen können, brauchen sie Unterstützung beim
Spracherwerb und im Umgang mit den Behörden. Die interkulturelle
Öffnung der Verwaltung ist dazu eine notwendige Voraussetzung, ein
ausreichendes Angebot an Sprach- und Partizipationskursen die andere.
- 7) Voller Zugang zum
Arbeitsmarkt:Flüchtlinge müssen ab dem ersten Tag das Recht zur
Aufnahme einer Arbeit unter dem vollen Schutz gesetzlicher und
tariflicher Standards sowie ohne diskriminierende Zugangsbarrieren
haben. Ihre Qualifikationen müssen schnell überprüft und anerkannt
werden. Auf Gebühren sind dabei zu verzichten.
- 8) Humanitäre Maßnahmen
der Länder erleichtern:Im vergangenen Winter haben die Bundesländer
Thüringen und Schleswig-Holstein als humanitären Akt einen
Abschiebestopp verhängt und damit die ihnen zur Verfügung stehenden
Spielräume auf beispielhafte Weise ausgenutzt. Wir fordern die
bundesgesetzliche Ausweitung und Präzisierung dieser gesetzlichen
Spielräume für humanitäre Maßnahmen der Länder, um die
Möglichkeiten zur Verhängung von sachlich begründeten
Abschiebestopps zu verbessern.
- 9) Bildung und Ausbildung
müssen vor Abschiebung schützen: Wir wollen erreichen, dass
künftig die Aufnahme einer schulischen oder beruflichen Ausbildung
Schutz vor Abschiebung bietet. Der erfolgreiche Abschluss einer
beruflichen Ausbildung muss in ein dauerhaftes Bleiberecht in
Deutschland münden. Wir wollen, dass Flüchtlinge offensiv dazu
eingeladen werden, Neubürgerinnen und Neubürger zu werden.
- 10) Für ein Bildungssystem
ohne Lücken:Wir wollen, dass die Schulpflicht sowie die Ansprüche
auf Betreuung und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe für
minderjährige Flüchtlinge ab Beginn ihres Aufenthalts lückenlos
gelten. Auch junge Volljährige, die Schule oder Ausbildung noch
nicht abschließen konnten, müssen Schutz vor Abschiebung erhalten.
- 11) Menschliche Härten im
Bleiberecht abbauen:Wir wollen ein Bleiberecht für alle Menschen mit
unsicherem Aufenthaltsstatus, die länger als fünf Jahre in
Deutschland leben. Grundsätzlich muss das für alle gelten, die in
Ausbildung, Studium und Schule sind und für ihre Angehörigen. Der
Familiennachzug von Kindern, Ehegatten und (gleichgeschlechtlichen)
Lebenspartnerinnen und -partnern darf nicht behindert werden. Es soll
keine diskriminierenden Deutsch-Tests beimEhegattennachzug und im
Aufenthaltsrecht mehr geben.
- 12) Gesundheitsversorgung
von Flüchtlingen verbessern: Wir wollen, dass die Länder die
Möglichkeit haben, Flüchtlinge mit einer Gesundheitskarte
auszustatten und ihnen damit vollständigen Zugang zum
Gesundheitssystem und seinen Leistungen zu ermöglichen. Auf
Bundesebene ist zu regeln, dass Flüchtlinge Zugang zum System der
gesetzlichen Krankenkassen bekommen.
- 13) Mehr Personal beim
Bundesamt für Migration und Flüchtlingen (BAMF): Der Bund muss das
Personal beim BAMF aufstocken, um die Dauer von Asylverfahren zu
verkürzen und Rechtssicherheit für Flüchtlinge zu schaffen.
- 14) Unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge unterstützen: Auch die Zahl der
unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge steigt an. Sie haben
zumeist traumatische Erfahrungen verbunden mit dem Verlust von
Familie und Bezugspersonen. Wir fordern, dass für Minderjährige die
Verfahrensmündigkeit in aufenthalts- und asylrechtlichen
Angelegenheiten auf 18 Jahre heraufgesetzt wird und dass sie sofort
in das Regelsystem der Kinder- und Jugendhilfe entsprechend des
Geltungsbereiches des SGB VIII aufgenommen werden. Auf unzuverlässige
und entwürdigende Altersfeststellungsverfahren ist zu verzichten.
- 15) Pakt der Demokratinnen
und Demokraten: Wir wollen, dass sich die demokratischen Parteien
darauf verständigen, niemals und nirgendwo gemeinsame Sache mit
denjenigen zu machen, die am rechten Rand die Debatten um die
steigenden Flüchtlingszahlen für braune Hetze instrumentalisieren.
Vorgänge wie die in Gera-Liebschwitz und Mühlhausen, wo sich
jeweils organisierte Neonazis unter protestierende Bürgerinnen und
Bürger mischten, dürfen sich nicht wiederholen. Demokratinnen und
Demokraten demonstrieren immer gegen Nazis, niemals mit ihnen.
- 16) Flüchtlinge willkommen
heißen – zivilgesellschaftliches Engagement und Selbstorganisation
unterstützen: An vielen Orten unterstützen aktive Bürgerinnen und
Bürger Flüchtlinge dabei, hier anzukommen und Fuß zu fassen. Sie
sehen sich zum Teil massiven Anfeindungen von Rechtsextremen
gegenüber. Wir setzen uns dafür ein, dass dieses Engagement für
menschliches Miteinander, Solidarität und Unterstützung eine hohe
Anerkennung erfährt und von staatlicher Seite nach Kräften zu
unterstützen ist. Wir unterstützen die Selbstorganisationen von
Flüchtlingen, die sich nicht länger als bloßes Objekt staatlicher
Regulierung begreifen, sondern ihre Interessen selbst in die Hand
nehmen. Wir unterstützen ihre Forderungen nach Aufhebung, der sie
diskriminierenden Sondergesetze.