Ein Grundrecht kürzt man nicht

Von Katja Kipping, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag und Parteivorsitzende der Partei DIE LINKE

31.07.2013 / www.die-linke.de, 30.07.2013

Heute wurde am Hamburger Arbeitsgericht die Freistellung der JobCentermitarbeiterin Inge Hannemann behandelt. Diese couragierte Frau wurde dadurch bekannt, dass sie über die Sanktionspraxis der JobCenter berichtete und sich klar für die Abschaffung der Hartz IV-Sanktionen ausspricht. Dieses Ziel teilen wir mit ihr.

Das vorangegangene Jahr war ein trauriges Rekordjahr. 1.025.000 Sanktionen wurden verhangen. Davon gehen 69 Prozent der Sanktionen auf Meldeversäumnisse zurück. Sanktionen meint, dass das ohnehin zu niedrige Arbeitslosengeld II gekürzt wird. Zuerst um 30 Prozent des Regelsatzes, dann um 60 Prozent und dann wird das ganze Arbeitslosengeld II inkl. der Kosten für Unterkunft und Heizung auf null gesetzt. Für die Betroffenen bedeutet das existenzielle Not und Ausgrenzung aus der Gesellschaft. Auch wer nicht direkt von Sanktionen betroffenen ist, kann unter der ständigen Androhung einer möglichen Sanktion leiden. Das Damoklesschwert Sanktion befördert Existenzangst. Deswegen empfindet so mancher Erwerbsloser vor jedem Kontakt mit dem JobCenter ein mulmiges Gefühl wie vorm Besuch des Zahnarztes.

Jüngst wurden die Sanktionszahlen fürs 1. Quartal 2013 veröffentlicht. Dabei wurde der Eindruck erweckt, die Sanktionen würden zurückgehen. Diesem Eindruck müssen wir widersprechen: Die Zahlen fürs erste Quartal 2013 sind immer noch deutlich höher als die Quartalszahlen von 2011 und den Jahren davor. Es gibt also keine Entwarnung an der Sanktionsfront. Weiterhin wird mittels Sanktionen auf den Rücken der Erwerbslosen und Aufstockenden gespart - und letztlich auch auf dem Rücken der Beschäftigten in den Jobcentern, die von der Spitze der Bundesagentur für Arbeit dazu verdonnert werden, um jeden Preis Einsparungen vorzunehmen.

So mancher, der selber nicht von Erwerbslosigkeit betroffen ist, behauptet, wer suchet der findet. Doch die Zahlen widerlegen diese Mär:

Auf eine offene Stelle bei der Bundesagentur für Arbeit und bei den Jobcentern kommen selbst nach den offiziellen Zahlen sechs Arbeitsuchende. Berichtigt man die geschönte Statistik, kommen sogar acht Arbeitsuchende auf eine Stelle. Egal, wie sich der einzelne also bemüht: von den acht gehen sieben leer aus. Erschwerend kommt hinzu: Ein Drittel der offenen Stellen sind Leiharbeitsstellen. Also Stellen von fragwürdiger Qualität. Offensichtlich soll der Druck mittels Sanktionen auch genutzt werden, um Menschen in solche Stellen zu pressen.

DIE LINKE engagiert sich deswegen für die Abschaffung der Sanktionen - sowohl im Interesse von Erwerbslosen wie Beschäftigten. Wir wollen Hartz IV ersetzen durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung von 1050 Euro. Denn: Ein Grundrecht kürzt man nicht.