Persönliche Erklärung von Axel Troost und Barbara Höll: Nein zum Euro-Rettungsschirm, damit Europa nicht scheitert

Zur namentlichen Abstimmung über die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms und die neuen Finanzhilfen für Griechenland

29.09.2011

Wir stimmen gegen den Euro-Rettungsschirm.

Das Stolpern von Rettungspaket zu Rettungspaket ist hochgefährlich, weil es die Akzeptanz für ein solidarisches Europa untergräbt und die Krise verschärft. Auch dieses Rettungspaket wird die Krise nicht lösen, sondern verlängern. Bereits jetzt ist ersichtlich, dass die Mittel des EFSF nicht ausreichen werden und das nächste Rettungspaket benötigt wird.

Die Griechenland aufgezwungene Schocktherapie hat die Finanzsituation des Landes wesentlich verbessert. Sie bedeutet für die Masse der Bevölkerung jedoch eine Katastrophe. Die strukturellen Probleme des Landes können nicht in kürzester Zeit behoben werden. Die drastischen Kürzungen haben die griechische Wirtschaft stranguliert und das Land in eine Rezession gestürzt. Das neue Rettungspaket stellt zwar eine Verbesserung gegenüber bisherigen Maßnahmen dar, weil es auf eine längere Frist angelegt ist und auf Strafzinsen verzichtet. Durch das späte Handeln, die fehlende Entschlossenheit und die unzureichenden Maßnahmen konnte die Krise aber endgültig auf Spanien und Italien übergreifen.

Durch Euro-Anleihen hätte die Spekulation gegen einzelne Staaten der Währungsunion wirkungsvoll unterbunden werden können. Staaten würden nicht länger zum Spielball von Spekulanten und Rating-Agenturen. Sie hätten auch eine Umschuldung mit einer substanziellen und nicht bloß symbolischen Beteiligung der privaten Gläubiger ermöglicht, welche die drückende griechische Schuldenlast gemindert und Risiken von den Steuerzahlern abgewendet hätte.

Wir möchten auch ausdrücklich festhalten: Die Eurokrise kann nicht ausschließlich auf Versäumnisse einzelner Staaten zurückgeführt werden. Die Währungsunion ist in der jetzigen Form eine Fehlkonstruktion, bei der Krisen wie die jetzige vorprogrammiert sind.
Eine wesentliche Ursache für die Krise ist die völlig unzureichende makroökonomische Koordinierung. Die Euro-Mitgliedsstaaten haben sich nicht über wesentliche Eckpunkte eines gemeinsamen Währungsraums wie Lohnentwicklung, Wirtschaftssteuerung und eine Politik des sozialen Fortschritts verständigt. Stattdessen haben sie mit der Währungs- und Freihandelsunion eine Staatenkonkurrenz festgeschrieben, von der vor allem das wirtschaftlich übermächtige Deutschland profitiert. Immer mehr Mitgliedstaaten können dem Unterbietungswettlauf um die niedrigsten Sozial-, Lohn- und Steuerkosten nichts mehr entgegensetzen, seit Wechselkurse als Ausgleichsmechanismus wegfallen.

Eine Folge sind die gewaltigen außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte. Die Leistungsbilanzdefizite von Staaten wie Griechenland sind nur die Kehrseite der gewaltigen Überschüsse von Staaten wie Deutschland. Sie konnten nur aufgebaut werden, weil Regierungen wie die deutsche sich keinen Deut um eine koordinierte Lohnentwicklung geschert haben. Stattdessen wurden durch Lohndumping Vorteile zu Lasten anderer Staaten und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verschafft. Um die Verwerfungen abzubauen, bedarf es zwingend Anpassungsmaßnahmen auch in Deutschland, etwa durch höhere Löhne und öffentliche Investitionen.

Die Politik der Staatenkonkurrenz führt dazu, dass seit Jahren die Wohlstandszugewinne nur noch bei Reichen und Unternehmen ankommen. Diese entziehen sich zunehmend der Besteuerung, mit entsprechenden Haushaltsproblemen. Der Masse der Menschen in Europa geht es zusehends schlechter. Aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit, aber auch der Stabilität, bedarf es einer Umverteilung von Oben nach Unten - etwa in Form einer Finanztransaktionssteuer, Steuern auf hohe Vermögen und ein entschlossenes Vorgehen gegen Steueroasen und die Finanzvehikel der Reichen und Mächtigen.

Viele Probleme können nur noch international gelöst werden. Europa spielt dabei eine wichtige Rolle. Die Gestaltung der Europäischen Union als Elitenprojekt war von Anfang an mit Demokratiedefiziten verbunden. Dies gilt auch für dieses Rettungspaket, das nicht das Europäische Parlament sondern die Regierungschefs der EU zusammen mit Josef Ackermann und einem französischen Spitzenbanker ausgehandelt haben. Werden die Defizite der Währungsunion und das Demokratiedefizit nicht behoben, droht das gemeinsame Projekt gegen die Wand zu fahren.