Ulrich Maurer, Axel Troost: Finanzpolitischer Blackout

Die sich weiter verschärfende globale Kredit- und Bankenkrise steht in engem Zusammenhang mit dem Verbraucherschutz für Wohneigentümer. Bundesregierung und Koalition wollen nicht an die Ursachen ran

18.07.2008 / Von Ulrich Maurer und Axel Troost, junge Welt

Die weltweite Immobilienkrise hält die globale Wirtschaft weiter in Atem. Manche haben sich schon mit dem großen Crash abgefunden. »Die Kernschmelze im Bankensektor ist folgerichtig und notwendig«, heißt es am 11. Juli lapidar in einem Kommentar des Handelsblatt.

Ob der Kommentator sich über die Folgen eines Finanzmarkt-Super-GAUs im klaren ist, darf bezweifelt werden. Die seit jetzt einem Jahr andauernde Situation auf den internationalen Finanzmärkten ist explosiver denn je. junge Welt zitierte unlängst die Royal Bank of Scotland und die US-Investmentbank Morgan Stanley, die einen »Crash auf den Weltmärkten« bzw. ein »katastrophales Ereignis auf den Finanzmärkten« vorhersagen (jW, 26.6.). Der Chefökonom der Ratingagentur Moody’s prognostiziert, daß die Auswirkung der Finanzkrise »uns bis weit in die nächste Dekade begleiten wird« (Handelsblatt, 11.7.2008). Das läßt an Japan denken, das sich bis heute nicht von der Immobilienkrise Anfang der 90er Jahre erholt hat.

Die Ausweitung auf die Sektoren Gewerbeimmobilien, Kreditkarten und Autokredite ist längst im Gange. Nur zwei Hinweise: Die Kreditkartenschulden haben sich in den USA seit 1998 auf eine Billion Dollar fast verdoppelt, zwölf Millionen Kreditkarten sind überschuldet. Geplatzte Hypotheken und steigende Sprit- und Lebensmittelpreise kündigen für den Sektor nichts Gutes an. In Kalifornien wurden letztes Jahr 30 Prozent der Neuwagen mit sogenannten Home Equity Loans finanziert, d. h. mit der Erwartung steigender Preise der eigenen Immobilie. Es spricht einiges dafür, daß die weltweite Kreditkrise noch nicht am Gipfel angekommen ist.

Am 10. Juli läuft die Meldung über den Ticker, die beiden US-Hypothekengiganten Fannie Mae und Freddy Mac seien pleite. US-Immobilienexperten bezeichnen sie als »Achillesferse« des US-Finanzsystems. Indymac, einer der größten Immobilienfinanzierer der USA, muß Insolvenz anmelden und produziert damit den zweitgrößten Bankencrash in der US-Geschichte. Weitere 150 US-Banken stehen auf der »roten Liste«.

»Am Immobilienmarkt entscheidet sich die Krise«, schreibt die FAZ am 5. Juli. Wirtschaftsexperten von Goldman Sachs rechnen mit einem Stopp des Immobilienpreisverfalls erst zum Ende 2009. Die Lunte an den Finanzmärkten brennt weiter. Daß die Immobilienmärkte, die Banken und internationalen Finanzinvestoren eine zentrale Rolle bei den aktuellen dramatischen Turbulenzen spielen, wird von den Finanzmarktexperten kaum mehr bestritten.

Im Frühjahr letzten Jahres hatte der Chef der US-Notenbank, Ben Bernanke, den »Sittenverfall bei der Kreditvergabe« angeprangert, als in den Vereinigten Staaten erste Alarmglocken die Hypothekenkrise einläuteten. Ein geradezu abenteuerliches Jonglieren im Handel mit Hypothekenkrediten in den USA und Großbritannien – wo sich inzwischen der Immobilienmarkt im freien Fall befindet –, aber auch in Spanien, Irland und Deutschland, hat nicht nur unschuldige Häuslebauer in den Ruin getrieben, sondern das gesamte Kreditwesen in Verruf gebracht. Immerhin hat dieser Sittenverfall mit seinem »Schattenbanksystem«, der jetzt zu einer ersten Verhaftungswelle von 400 US-Finanzakteuren geführt hat, die schwerste Finanzkrise seit der letzten Weltwirtschaftskrise ausgelöst. Die Bundesregierung und Koalitionsparteien brauchten ein ganzes Jahr, um auf den Eklat zu reagieren.

Untaugliche Reformen

Wie sieht die späte Reaktion aus? Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatte zwar in gewohnt starken Worten die »Gier der Banken« als Schuldigen ausgemacht, aber im am 7. Dezember 2007 präsentierten Gesetzentwurf der Bundesregierung zum sogenannten Risikobegrenzungsgesetz suchte man vergebens nach Problemlösungen. Erst eine Woche vor der Verabschiedung im Plenum legten die Koalitionsfraktionen Änderungsanträge vor.

Das Durchpeitschen heikler Vorhaben ist im Hohen Hause sattsam bekannt. Davon abgesehen enthalten die nun mit den Änderungsanträgen beschlossenen Maßnahmen nichts weiter als einige Verbesserungen für Kreditnehmer im Bereich des Kündigungsschutzes und im Grundschuldrecht. Die fundamentale Vertrauenskrise im Bankensektor wird nicht angegangen. Nach Meinung des Bankenrechtlers und anerkannten Experten für Kreditnehmerschutz Prof. Udo Reifner vom Hamburger Institut für Finanzdienstleistungen lösen die Reformen auch nicht annähernd die Probleme der Wohneigentümer, noch helfen sie, die auch in Deutschland explodierende Welle fauler Kredite einzudämmen.

– Ein »umfassender Schuldnerschutz« sei nun Gesetz, behaupten Unionsabgeordnete. »Wer pünktlich zahlt, hat nichts zu befürchten«, hatte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) im Interview der Berliner Zeitung v. 8.2.2008 verkündet; es gebe keine Verkäufe ungekündigter Kredite, behauptet Steinbrück in seiner Plenarrede zur dritten Lesung des Gesetzes. Das Gegenteil ist der Fall, von Kanzleien uns zugegangene Beispiele liegen vor. Die Regierung tut so, als wisse sie nicht, daß die Banken eigenmächtig bestimmen können, was unter »gekündigt« zu verstehen ist ...

Beispiel »Abwehrzins«: Den Kreditnehmern wird bei Ablauf der Zinsbindung ein extrem überhöhter Zins für die Anschlußfinanzierung angeboten; kann nicht gezahlt werden, wird der Kredit als »notleidend« betrachtet und auf den Markt geschmissen. Beispiel »Angstkündigung«: Paragraph 490, Absatz 1 BGB erlaubt die fristlose Kündigung, wenn in der »Werthaltigkeit« der Immobilie (oder des persönlichen Vermögens) eine »wesentliche Verschlechterung« eintritt. Mit solch interpretationsfähigen Kriterien lassen sich die gesetzlichen Schranken des Kreditverkaufs leicht umgehen.

– Nach Paragraph 415 BGB ist der Verkauf des gesamten Kreditvertrages an Dritte (z. B. an Finanzinvestoren) ohne Zustimmung der Schuldner unzulässig. Im nun verabschiedeten Gesetz wird dies als explizit zulässig erklärt. Mehrere verbraucherfreundliche Wissenschaftler[1] halten das für verfassungswidrig und erwägen Verfassungsklage.

– An der Auslieferung der Immobilienbesitzer an die staatliche Zwangsvollstreckung und an die überschießende Rechtsmacht der Banken über das »abstrakte Schuldanerkenntnis«, d. h. außerhalb der Kontrolle der Gerichte, wird nichts geändert.

Lukrativer Kredithandel

Geradezu fahrlässig ist die vollständige Untätigkeit der Regierung in der Frage der Regulierung der Kreditverbriefungen. Der Weiterverkauf von Krediten und vor allem sogenannter leistungsgestörter Kredite hat sich als äußerst renditeträchtig erwiesen – ein willkommenes Betätigungsfeld von Banken und Finanzinvestoren, um dem immer schärferen Renditedruck der Finanzmärkte nachzukommen. Zudem konnte der Kreditspielraum erweitert werden, weil kein entsprechendes Eigenkapital gebunden wird. Der Grundsatz der »verantwortungsvollen Kreditvergabe« ging dabei über die Wupper, völlige Intransparenz über die mit den Krediten verbundenen Risiken ist die Folge. Der Handel mit notleidenden Krediten (»non performing loans« – NPL), dem die Deutsche Bank Research in einer Studie von 2004 eine rosige Zukunft vorhergesagt hatte, stieg auch in Deutschland zum wahren Zockermarkt auf mit einer Steigerung um 700 Prozent von 2003 bis 2006, hat sich dann allerdings 2007 mehr als halbiert. Im Frühjahr diesen Jahres titelte die Financial Times Deutschland (FTD): »Markt für faule Kredite ist tot«. Jetzt, mit dem massenhaften Platzen von Krediten, steht er »vor einem neuen Entwicklungsschub« (Handelsblatt, 23.5.2008). Je größer der NPL-Markt, desto größer die Tendenz der Banken, sich auf diesem Markt zu tummeln und den Menschen risikoreiche Kredite anzubieten. Der NPL-Markt muß schnellstens eingedämmt werden – die Regierung äußert sich zu dem Problem erst gar nicht.

Es ist Roßtäuscherei, über die Gier der Banken nur zu jammern und sich herauszureden, Deutschland könne kreditpolitisch keine Alleingänge machen. Ein Treppenwitz, daß gerade die angelsächsischen Länder, die für ihre unregulierte Finanzgesetzgebung bekannt sind und jahrelang die Schutzdämme niedergerissen haben, jetzt als erste wieder kehrtum machen.

Als Folge der Fastpleite der inzwischen verstaatlichten Hypothekenbanken Northern Rock und der Hypobank Bradford&Bingley plant der britische Schatzkanzler Alistair Darling ein Frühwarnsystem durch die Gründung eines »Komitees für Finanzmarktstabilität«, das die Stabilitätsmaßnahmen der Bank of England (BoE) und der Finanzaufsicht Financial Authority Services (FSA) überwacht (FTD, 26.6.08). Damit soll die Deregulierung zurückgenommen werden, mit der sein Vorgänger Gordon Brown die komplette Trennung der Kompetenzen zwischen BoE, FSA und Finanzministerium durchgesetzt hatte. Außerdem sollen die Banken zukünftig die Bewertung ihrer Risiken aufdecken.

Die demokratische Mehrheit im US-Repräsentantenhaus plant eine Reihe von Gesetzesinitiativen, um die Baufinanzierer, die bislang weitgehend unbeaufsichtigt agieren, an die Leine zu nehmen und um die Vergabe von zinsvariablen Hypotheken an Haushalte ohne Sicherheiten zu unterbinden. Banken, die Kredite verbriefen, sollen für die Qualität der unterliegenden Sicherheiten in Zukunft haften. US-Finanzminister Henry Paulson fordert eine »umfassende und langfristig ausgerichtete Reform der Banken- und Finanzaufsicht« (Handelsblatt, 11.7.2008). Die US-Börsenaufsicht SEC will Leerverkäufe für Investmentbanken beschränken.

Der Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Jochen Sanio, plädiert laut Handelsblatt vom 16.5.2008 dafür, schnellstens von »Notfallmedizin auf Prävention« umzuschalten. Wer das Gespenst der Überregulierung heraufbeschwöre, habe den Ernst der Lage nicht begriffen. Warum aber erst jetzt die starken Worte?

Regierung trägt Mitschuld

Auch an Vorschlägen auf internationaler Ebene mangelt es nicht. Bundespräsident Horst Köhler, der die Finanzmärkte als »Monster« bezeichnet, spricht sich ebenfalls für schärfere Regulierung der Finanzmärkte aus und weist dabei dem Weltwährungsfonds (IWF) eine zentrale Rolle zu. In einer gemeinsamen Stellungnahme haben frühere Kanzler, Ministerpräsidenten, EU-Kommissionspräsidenten und Finanzminister erklärt, der Finanzmarkt mit seinem »gar nicht regulierten Schattenbanksystem« sei »unfähig zur Selbstregulierung«, und die Bildung eines »Europäischen Krisenkomitees« sowie die Einberufung einer »Weltfinanzkonferenz« gefordert.[2] Die als »Bank der Notenbanken« bekannte Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) fordert ein neues »Gesamtkonzept für die Finanzstabilität«, mit dem die Finanzaufsicht und die Geldpolitik die Prozyklizität der Kreditmärkte konterkarieren sollen (Handelsblatt, 1.7.2008). International hört man von der Bundesregierung rein gar nichts. Die zunehmende Ohnmacht der Notenbanken, die angesichts der Vertrauens- und Schuldenkrise mit Geldspritzen und Zinssenkungen der Probleme nicht mehr Herr werden, ist der Regierung offenbar gleichgültig.

Daß Minister Steinbrück die Schuld auf die »Gier der Banken« schiebt, ist unverfroren. Es war die Bundesregierung, die im Jahr 2004 über die bundeseigene KfW-Bankengruppe die Initiative »True Sale International« (TSI) ergriffen hatte. Explizites Ziel war es, im lukrativen Verbriefungsmarkt Anschluß an die internationale Konkurrenz zu schaffen. Dazu wurden diverse kreditpolitische Gesetzesnovellierungen umgesetzt. So wurde durch Änderung des Kreditwesengesetzes der Verkauf von Krediten an Nicht-Banken (im Klartext Hedgefonds) erstmalig zugelassen. In diesem Zusammenhang wurde der IKB, bei der die KfW Mehrheitseigner ist, eine strategische Bedeutung beigemessen. Jörg Asmussen, Vertreter der Bundesregierung im IKB-Aufsichtsrat und inzwischen zum Staatssekretär im Bundesfinanzministerium (BMF) avanciert, hatte seinerzeit die Förderung der Kreditverbriefungen durch die Bundesregierung in höchsten Tönen gelobt.[3]

An den Ursachen vorbei

Die Bundesregierung stiehlt sich heute nicht nur aus der Verantwortung für die Kreditwesenkrise in Deutschland, sie trägt auch die Hauptverantwortung für die im IKB-Desaster versenkten 1,2 Milliarden Euro Steuergelder. Die weltweite Bankenkrise, die dramatischen Vorgänge um SachsenLB, WestLB, BayernLB und IKB wären ein günstiger Ansatzpunkt für eine grundlegende Reform des Bankenwesens in Deutschland. Die Bundesregierung könnte z. B. Anstöße für eine Reform des öffentlichen Bankensektors geben, in der die Landesbanken wieder auf ihre ursprüngliche Funktion der regionalen Wirtschaftsförderung zurückgeführt und ihre Aufsichtsorgane haftbar gemacht werden.

Alle Welt redet von der Überfälligkeit strengerer Regulierung und stärkerer Eigenkapitalunterlegung der Kreditverbriefungen – Bundesregierung und Koalition fällt keine einzige Maßnahme dazu ein. Sie meinen, sich mit kleinen Bonbons für die Hypothekenbesitzer und dem Vertrauen auf die neuen, seit Jahresanfang in Kraft getretenen sogenannten Basel-II-Regeln, deren Wirkungen noch weitgehend im dunkeln sind, der Verantwortung entziehen zu können. Sie beugen sich weiterhin dem Druck der Finanzbranche, für die »Re-Regulierung« Schimpfwort Nr. 1 ist. Es sollte doch alarmieren, daß seit mehr als fünf Jahren eine ganze Armada hochkarätiger »Arbeitskreise«, Ministerialbeamter, Wissenschaftler, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Aufsichtsgremien sich mit dem Thema Verbriefungen beschäftigt und keiner das lange vorher absehbare Desaster von SachsenLB und IKB bemerkt hat.

Um wirksame Maßnahmen zu treffen, muß zunächst Licht in den Verbriefungsdschungel gebracht werden, durch den keiner – auch nicht die Finanzexperten des BMF – durchblickt. Völlig inakzeptabel ist allerdings schon jetzt, daß Hedgefonds und Investmentbanken auch in Zukunft ihr Nischengeschäft weitgehend ungestört außerhalb der Finanzaufsicht betreiben können. Außerdem muß die Rechtssprechung ausgewertet werden, die sich erst im Anfangsstadium befindet. Kaum einen Monat nach der Verabschiedung im Bundestag hat das Landgericht Hamburg die (gerichtsfreie) Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung für rechtlich unzulässig erklärt. Als Begründung wurde interessanterweise auf die veränderte Rechtslage verwiesen, die durch das »in neuester Zeit auftretende Phänomen des massenhaften Verkaufs von Krediten durch Banken an Finanzinvestoren« eingetreten sei.[4] Erst auf Basis dieser Evaluierungen kann seriöse und verantwortliche, die wahren Ursachen treffende Gesetzgebung stattfinden. Das Hamburger Urteil ist eine schallende Ohrfeige, die die Schlampigkeit und Hektik des Gesetzgebers offenbart.

Von der Finanz- zur Vertrauenskrise

Die Halbwertzeiten der Konjunkturprognosen schrumpfen: Bislang ging das Bild vom steilem Abstieg gefolgt von ebenso steilem Anstieg (V) durch die Wirtschaftsblätter, dann das U mit ausgeprägt rezessiver Phase und steilem Wiederanstieg. Nun wird verschiedentlich bereits über steilen Abstieg mit lang andauernder Baisse ohne absehbare Erholungsphase (L) spekuliert. Für das zweite Quartal 2008 erwartet die Bundesregierung Minuswachstum, die Konjunkturinstitute halbieren ihre 2009-Prognosen gegenüber 2008.

Eine Dominokonstellation wie aus dem Bilderbuch: Preisverfall der Wohnimmobilien, verminderte Zahlungsfähigkeit der Häuslebauer durch variable Zinsen (»subprime«), Kollaps des Verbriefungs- und Interbankenmarkts, explodierende Wertabschreibungen, Gewinneinbruch und Insolvenzen bei Banken, Ausdehnung auf Kreditversicherer, andere Kreditsegmente und Gewerbeimmobilien, Kontraktion der Verbraucherausgaben, rezessive Tendenzen in der Realökonomie, dadurch und durch galoppierende Lebensmittel- und Spritpreise weitere Verschärfung der Zahlungskrise der Schuldner ... Mehr als seine »große Beunruhigung« über diese explosive Lage vermag Minister Steinbrück nicht abzusondern.

»An der Börse ist es wie im Dschungel: Nur die Beute zählt«; »Renditen sind wie Stöckelschuhe: Je höher desto besser« – das sind die Werbesprüche der Brokerhäuser. Wann realisieren SPD und Union endlich, daß die Unterwerfung unter die sogenannten Zwänge der Globalisierung und das Diktat der Rendite erstens die Krisenhaftigkeit der Weltwirtschaft erhöht und zweitens von immer weniger Menschen akzeptiert wird?[5]

Gerade die SPD, die sich heute wieder verstärkt als »Partei der kleinen Leute« auszugeben versucht, kann und/oder will die Mechanismen von Globalisierung und vermögensgetriebenem Finanzmarktkapitalismus nicht verstehen.[6] Globalisierung bedeutet heute in erster Linie mehr Umverteilung von unten nach oben, mehr Sozial­abbau, mehr Spaltung zwischen Arm und Reich – national und international –, gekoppelt mit schamloser Bereicherung von Managern, mehr Privatisierung der Alterssicherung und mehr Liquiditätsblasen und Finanzmarktkrisen – begleitet von einem dramatischen Vertrauensverlust der Menschen in Wirtschaft und Politik.[7]

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1) In einer ausführlichen Bewertung der verabschiedeten Gesetzesbestimmungen zu Kreditverkäufen hat der Bankenrechtler Prof. Karl-Joachim Schmelz die Verfassungsmäßigkeit in Zweifel in gezogen und u. a. zur Zulassung des zustimmungsfreien Kreditverkaufs erklärt: »Damit setzt der Gesetzgeber (!) partiell und ohne Not den fundamentalen, verfassungsrechtlich garantierten Rechtsgrundsatz des ›pacta sunt servanda‹ (›Verträge sind einzuhalten‹) außer Kraft.« (erhältlich über prof-dr-schmelz@web.de[1]" href="mailto:prof-dr-schmelz@web.de[2]">prof-dr-schmelz@web.de[3][4]); siehe auch die Bewertung von Prof. Udo Reifner: news.iff-hh.de/index.php?id=1976&viewid=41392[5])
2 ) J. Delors, J. Santer, H. Schmidt, L. Jospin, H. Eichel, G. Persson u.a., »Finanzmärkte dürfen uns nicht regieren«, in: Der Tagesspiegel v. 30.5.2008 (www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/;art141,2540592[6])
3 ) J. Asmussen, »Verbriefungen aus Sicht des Bundesfinanzministeriums«, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 19/2006, S. 10 ff.
4) Urteil v. 9.7.08, Az. 318 T 183/07
5) Auch der komplette Reinfall mit den sogenannten REITs, den steuerlich begünstigten Immobilien-AGs, die mit Verweis auf die angeblich notwendige Stärkung des Finanzplatzes Deutschland von der Bundesregierung im Frühjahr letzten Jahres mit kräftigen Steuergeschenken eingeführt wurden, ist für Regierung und Koalition kein Anlaß, ihre Grundsatzorientierungen zu überdenken. Die Fraktion Die Linke hatte seinerzeit als einzige dieses Vorhaben abgelehnt (vgl. FAZ v. 14.7.2008: »Das Betongold zerbröckelt an der Börse«).
6) Die SPD muß sich heute vom unternehmerfreundlichen Handelsblatt belehren lassen, demzufolge »die Meinung, daß die Globalisierung vorhandene Ungleichheiten verschärft, (...) sich inzwischen so stark festgesetzt (hat), daß die Politik ihn nicht mehr ignorieren kann«. (Thomas Hanke, So scheitert die Globalisierung, in: Handelsblatt v. 22.4.2008)
7) Die Partei Die Linke hat ihre Position in Beschlüssen des Parteivorstands sowie in Anträgen im Bundestag dargelegt: siehe u. a.: Beschluß der Parteivorstands, »Kernschmelze des internationalen Finanzsystems verhindern – Finanzmärkte regulieren – Finanzmarktkapitalismus überwinden«; Fraktion Die Linke, »Ausverkauf von Krediten an Finanzinvestoren stoppen, Verbraucherrechte stärken« (Drs. 16/8122); dies., Aktionsplan »Finanzmärkte demokratisch kontrollieren, Konjunktur und Beschäftigung stärken« (Drs. 16/7191); s. a. Ulrich Maurer, »Verfall des Kreditwesens«, in: junge Welt v. 18.10.2007

Ulrich Maurer ist parlamentarischer Geschäftsführer, Axel Troost finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke. im Bundestag; beide sind Mitglied im Vorstand der Partei Die Linke.

Links:

  1. prof-dr-schmelz@web.de
  2. prof-dr-schmelz@web.de
  3. prof-dr-schmelz@web.de
  4. http://news.iff-hh.de/index.php?id=1976&viewid=41392
  5. http://www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/;art141,2540592