Herausforderung Rechtspopulismus

Von Axel Troost

28.04.2016 / 28.04.2016

Österreichs Bundespräsidentenwahl hat weit über die Landesgrenzen hinaus Widerhall gefunden. Rechtspopulisten sind massiv im Aufwind, denn die meisten Stimmen hat der FPÖ-Kandidat Hofer mit 36,4 Prozent erhalten. Die rechtspopulistische FPÖ könnte nach einer Stichwahl im Mai den nächsten Bundespräsidenten von Österreich stellen. Und dies bei hoher Wahlbeteiligung: sie lag nach dem absoluten Tiefstand 2010 von nur 53,57 Prozent bei 68,5 Prozent. Die Sensation des ersten Wahlgangs ist aber nicht der Erfolg der FPÖ, sondern der Misserfolg der beiden jahrzehntelang siegverwöhnten Regierungs- und „Volksparteien“ ÖVP und SPÖ, die zusammen bloß auf 22 Prozent der Stimmen kamen und erstmals nicht den neuen Bundespräsidenten stellen werden.

Die ersten Analysen der Wahlforscher zeigen: Die Mehrheit der ÖsterreicherInnen ist wütend und enttäuscht. Nur jede/r Zehnte beurteilt die Entwicklung in den vergangenen Jahren positiv, fand ein Meinungsforschungsinstitut heraus. 68 Prozent der BürgerInnen sind laut Umfrage mit der Arbeit der rot-schwarzen Bundesregierung unzufrieden. Frust über die Politik im Allgemeinen treibt 80 Prozent der Menschen um. Dazu kommen die Ängste um den Job angesichts von seit Jahren stetig steigender Arbeitslosigkeit. Das Feld war für die Rechtspopulisten bestellt.

Die These, dass die Ursache für den Aufstieg des Rechtspopulismus in Österreich in der Protestwahl oder an einem überzeugenden Votum für eine politische Persönlichkeit liege, trifft bei dem relativ unbekannten Kandidaten der FPÖ, Hofer, nicht. Es geht um mehr: um die seit Jahrzehnten aufgebaute Frustration der WählerInnen. Wie dramatisch dieser Schrei nach Wandel ausfiel, zeigt der Blick auf ehemalige Hochburgen der Parteien: Im einst sprichwörtlich „roten Wien“ gab es keinen einzigen der 23 Bezirke, wo der SPÖ-Kandidat, Ex-Sozialminister und Gewerkschaftschef Rudolf Hundstorfer, vorne gelegen hätte.

Dieser aktuelle Befund bestätigt die These, dass der Hauptgrund für die massive Ausbreitung des rechten Populismus in den kapitalistischen Ländern die massive Kritik am politischen und wirtschaftlichen Establishment ist. Der an den wahren Interessen oder der Identität des Volkes ansetzende Anspruch bedeutet, dass sich die rechten Populisten nicht mit anderen politischen Parteien auf einer Stufe sehen. Die Flüchtlingsbewegung und die Islamophobie sind der Katalysator der verbreiteten Stimmungen gegen die wirtschaftlichen und politischen Eliten.

Grundlage für die tiefsitzende Verachtung des Establishments ist der von Globalisierung, technischem Wandel in der Arbeitswelt und dem Bedeutungsverlust konfessioneller Bindungen getriebene Auflösungsprozess sozialer Milieus, der die soziale Basis der Volksparteien war. Die Gesellschaft ist in allen europäischen Staaten vielfältiger, vielschichtiger und unruhiger geworden. Hinzu kommt das Misstrauen gegenüber den führenden Volksparteien, das nach durchlittener Finanz-, Euro- und Flüchtlingskrise durch Gefühle von Ohnmacht und Enttäuschung noch verstärkt wird.

Die je 11 Prozent der Stimmen für die beiden staatstragenden Volksparteien sind nur das bisher drastischste Signal dafür, dass die Zweite Republik selbst zur Disposition gestellt wird. Zurecht ist in den Medien von einem sich abzeichnenden Systembruch die Rede. Der nicht zu Aufgeregtheit neigende Politikwissenschaftler Fritz Plasser sprach im ORF von einem Systembruch, der Verabschiedung vom regulierten Kapitalismus und Sozialstaat. Die WählerInnen reagieren mit der Ablehnung der Volksparteien nicht auf politische Entscheidungen, die für einzelne Schichten oder Kategorien von Interesse sind. Es geht um eine Beurteilung der gesamtgesellschaftlichen Zustände. Entscheidend für einen Wechsel zum Rechtspopulismus ist die Einschätzung, mit dem Land als Ganzem gehe es bergab, die Eliten kümmerten sich nur noch um ihre klientelistischen Interessen.

SPÖ und ÖVP stehen für die wirtschaftlichen Aufbau der Nachkriegszeit. Sie führten das darniederliegende Land nach dem Zweiten Weltkrieg rasch aus der Krise, in eine westorientierte Souveränität und zum Wohlstand. Diese Zeiten sind vorbei. Ohne eine tiefgreifende inhaltliche und womöglich auch personelle Neuausrichtung ist das Ende der großen Koalition bei der Wahl 2018 besiegelt. Mehr noch: Die Zweite Republik liegt in ihren letzten Zügen.

Die dramatische Abkehr der WählerInnen ist kein Einzelfall in Europa. Auch in Italien, Spanien, Frankreich, Deutschland, Schweden oder Großbritannien befinden sich die seit Jahrzehnten das Staatswesen dominierenden Volksparteien auf dem Rückzug. Sie werden bedrängt durch einen rechten Populismus, erst recht im aufgeheizten Kontext der Flüchtlingskrise: Schwedendemokraten, Front National, Alternative für Deutschland, United Kingdom Independence Party.

Bei allen drückenden Erfolgen für den rechten Populismus: es gibt auch reelle Ansatzpunkte und Chancen für eine populäre linke Antwort auf die angerichteten Zerstörungen durch den Neoliberalismus. Wir können demokratische Reformen stark machen, die auf eine deutliche Überwindung der sozialen Spaltungen in Deutschland und den europäischen Gesellschaften zielen. Wir haben Vorstellungen von Wirtschaftsreformen, die die selbstzerstörerische Sparpolitik beendet und stattdessen Arbeitsplätze und nachhaltiges Wachstum ins Zentrum der europäischen Gesellschaften rücken.

Ja, die mit dem Flüchtlingsproblem verknüpften Ängste konnten zur politischen Transformation in rechtspopulistische Antworten missbraucht werden. Das Ziel eines freundschaftlichen Miteinanders in einem Europa der Vielfalt wird derzeit zwischen nationalistischen Egoismen und menschenfeindlicher Abschottungspolitik zerrieben. Österreich wie Deutschland stehen vor einer gigantischen Herausforderung, die viele Menschen verunsichert und die nur bewältigt werden kann, wenn die politisch Verantwortlichen mutig und zielstrebig Kurs nehmen auf ein zukunftsfähiges, gerechtes und starkes Gemeinwesen. Da aber die für ein solches Umdenken und Umsteuern notwendige Konsequenz bisher fehlt, entsteht ein Klima, in dem Sorgen in Ängste verwandelt werden vor Überforderung, Überfremdung, Übervorteilung. Das Schüren von Angst gibt rückwärtsgewandten, fremdenfeindlichen, völkischen und rechtsnationalistischen Parteien in Deutschland und anderen europäischen Ländern Auftrieb.

Aus dieser politischen Sackgasse können wir herauskommen. Der mangelnde Wille zur solidarischen Zusammenarbeit in Europa ist Ergebnis eines seit Jahren beschrittenen Weges der Europäischen Union, der die Mitgliedsländer zu Konkurrenten untereinander gemacht und zwischen Stärkeren und Schwächeren gespalten hat. Dem europäischen Haus fehlt bislang das soziale und solidarische Fundament. Und gerade die gesellschaftliche Mitte der Gesellschaften sieht immer kritischer auf die wachsende soziale Ungleichheit und fordert vom Establishment endlich wirksame Reformen. Menschen wählen nicht populistische Parteien, weil sie zufrieden sind. Sie sind unzufrieden damit, wie Dinge laufen. Das hat damit zu tun, dass sie sich politisch nicht mehr vertreten fühlen, dass die etablierten Parteien sie nicht repräsentieren.

Die Ängste der Menschen ernst nehmen, heißt für mich: die Linkspartei kann verdeutlichen, dass es für die Gerechtigkeitsversprechen eine realisierbare Lösung gibt. Die modernen rechten Bewegungen werden zurückgedrängt, wenn wir verdeutlichen, dass es eine lebenswerte Zukunft gibt und die Verfestigung der sozialen Spaltung keine wünschbare Alternative ist.

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