Nur Fiskal- und Geldpolitik reicht nicht zur Beendigung der Krise! Zu den Vorschlägen des Kanzlerkandidaten Steinbrück

Von Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE und stellvertretender Vorsitzender der Partei DIE LINKE

05.10.2012 / 2. 10.2012

Mit seinem Antritt als Kanzlerkandidat der SPD versucht der ehemalige Finanzminister unter der Bundeskanzlerin Merkel sein Image als kompetenter Krisenmanager und Fi­nanzexperte zu aktivieren: weil die Mehrheit der WählerInnen auch in den nächsten Monaten in Zeiten einer weiter anhaltenden Krise Stabilität, Sicherheit eine starke Sehnsucht nach Führung haben, soll und will die SPD eine Gegenkonzeption zur herr­schenden Politik der schwarzgelben Koalition repräsentieren.

Bundeskanzlerin Merkel will den bisher verfolgten europapolitischen Kurs in das Zen­trum des Bundestagswahlkampfes 2013 rücken. Ihr Credo: „Ohne Europa können wir unsere Werte, unsere Vorstellungen, unsere Ideale überhaupt nicht mehr gemeinsam vertreten.“ Europa müsse verbindlicher werden, der europäische Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin sei ein Schritt auf diesem Weg.

Deshalb sucht die Sozialdemokratie die Wahlauseinandersetzung auf diesem Terrain. SPD-Chef Gabriel wirft den Banken Erpressung, Beihilfe zur Steuerhinterziehung, Ab­zocke und Manipulation vor. Er hat für die SPD einen Wahlkampf gegen diese Aus­wüchse angekündigt: "Die Bundestagswahl 2013 muss zu einer Entscheidung über die Bändigung des Banken- und Finanzsektors werden." Ganz in diesem Sinne agiert der Kanzlerkandidat Steinbrück: „Wer bestimmt den Lauf von Wirtschaft und Gesellschaft – entgrenzte Finanzmärkte getrieben von anonymen Managern, die unter weitgehender Haftungsfreistellung mit unvorstellbaren Summen auf Renditejagd gehen, oder demo­kratisch legitimierte Institutionen? Die Antwort auf diese Frage und damit die politische Bändigung eines finanzmarktgetriebenen Kapitalismus ist eine entscheidende politische Herausforderung unserer Zeit.“

Zur Bändigung des Banken- und Finanzsektors will die SPD (und Steinbrück) ein neues Gleichgewichtes zwischen Eigeninteressen und Gemeinwohl durchsetzen. Politik habe die Aufgabe, einerseits die Funktionsfähigkeit von Finanzmärkten und ihre Dienstleis­tungsrolle gegenüber der Realwirtschaft und Privatkunden zu gewährleisten. Und sie habe andererseits die Aufgabe, die Verpflichtung aller Marktteilnehmer auf das Ge­meinwohl durchzusetzen. So viel Markt wie möglich und so viel staatliche Regelsetzung wie nötig. Darum geht es, wenn ungezügelten Finanzmärkten und ihren Akteuren wirk­same Leitplanken und Verkehrsregeln verordnet werden sollen. Mit Leitplanken soll der Finanzsektor wieder in seine eigentliche Rolle zurückgedrängt werden: Finanzierung der Realwirtschaft, Förderung eines nachhaltigen Wachstums und Wohlstandssiche­rung von Millionen von Anlegern.

Es ist zu begrüßen, wenn die SPD nach den bitteren Erfahrungen der letzten Jahre sich für eine Re-Regulierung des Banken- und Finanzsektors einsetzt. Aber mit dem größten Teil der Vorschläge wird eine erneute Finanzkrise nicht ausgeschlossen werden kön­nen. Die Vorschläge der SPD ordnen sich in die bisherigen Regulierungsschritte und die Beschlüsse des Juni 2012-Gipfels ein.

Die Erwartungen der SPD, der Euro-Raum könne die Krise mit einem großen Wurf zur Bankenregulierung gelöst werden, wird sich nicht erfüllen. Entscheidender ist aber: Die Probleme einer geplatzten Vermögens- und Kreditblase auf den Immobilien- und Hypo­thekenmärkten etlicher Länder können durch Fiskal- und Geldpolitik nur gelindert, aber nicht wirksam gelöst werden. Nur dadurch, dass die Vermögenstitel mit zweifelhafter Werthaltigkeit und der viel zu große Finanzsektor in eine Ausgleichungspolitik der Leis­tungsbilanzen eingebunden würden, kann die Krisenkaskade beendet werden. Im Euro-Raum muss endlich eine Alternative zur Politik der finanzpolitischen Disziplin und geld­politischer Überbrückung entwickelt werden.

Die Re-Regulierung des Finanzbereiches muss durch eine gemeinsame Fiskal- sowie eine kohärente Wirtschaft- und Sozialpolitik ergänzt werden. Das Ziel dieser Erweite­rungen ist die Förderung von Vollbeschäftigung mit guter Arbeit. Die aktuelle Politik, die finanzielle Unterstützung für Griechenland und andere Mitgliedsstaaten von der Durch­führung von drakonischen Sparmaßnahmen abhängig macht, ist sozial ungerecht. Außerdem treibt sie die Länder in noch schwerere Rezessionen, was es ihren Regie­rungen zusätzlich erschwert, ihre Schulden zu reduzieren.

Die in der Wirtschafts- und Sozialpolitik der EU vorgegebenen und von den Program­men der EU und des IWF geforderten Sparpolitiken sind wirtschaftlich kontraproduktiv, wenn es um die Förderung des Wachstums geht. In sozialer Hinsicht sind sie gefähr­lich, da sie die europäische Gesellschaft in die Armut treiben und zu einer stärkeren gesellschaftlichen Polarisierung führen. Aufgrund der durch die Krise noch verschärften sozialen Spannungen, bereiten die Sparmaßnahmen den Nährboden für politische Spannungen, wenn nicht sogar für politische Instabilität, zumal der Rechtspopulismus zunimmt.