Was der Mensch braucht. Empirische Analyse zur Höhe einer sozialen Mindestsicherung auf der Basis regionalstatistischer Preisdaten, Stand: März 2011

29.04.2011 / Von Lutz Hausstein, Leipzig*

Nachdenkseiten:

Nachdem der Regelsatz beim ALG II zum 1.1.2011 um ganze fünf Euro angehoben wurde und er damit nach Ansicht vieler Kritiker weiterhin deutlich zu niedrig liegt, legt Lutz Hausstein nun, wie bereits im letzten Jahr, eine neue, ausführliche Bedarfsermittlung vor. Wie auch andere Berechnungen, beispielsweise die des Bündnisses für einen 500-Euro-Eckregelsatz, kommt Hausstein zu dem Ergebnis, daß der aktuelle Regelsatz nicht den tatsächlichen Bedarf deckt und somit den verfassungsmäßigen Vorgaben nicht entspricht. [...]


Achim Rogoss (Hg.): Wir sind empört! Gegen die Zerstörung des Sozialstaates und den Angriff auf unsere Grundrechte. Pahl-Rugenstein Verlag 2012

Aus den Abstracts

"Mittels eines Warenkorbmodells ermittelt der Arbeits- und Sozialforscher Lutz Hausstein die Höhe einer sozialen Mindestsicherung und verfolgt mit diesem Ansatz eine realitätsnahe Regelsatzberechnung. Hierbei erfüllt er die vom Bundesverfassungsgericht erhobenen Anforderungen nach Transparenz und Bedarfsdeckung der Berechnung. Die Einzelbestandteile des angewandten Warenkorbs begründen sich aus den Vorgaben der Menschenrechts-Charta der Vereinten Nationen sowie denen des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Im Ergebnis der detaillierten Analyse kommt Hausstein zu einer eklatanten Unterdeckung des notwendigen Bedarfs von mehr als 330 Euro monatlich und stellt fest, dass der aktuell gültige Betrag nicht einmal die rein physische Existenz vollständig sichert. Die daraus ableitbare erneute Verfassungswidrigkeit der Regelsatzhöhe vertieft die Spaltung der Gesellschaft, mit allen einhergehenden unwägbaren Risiken."


Aus den Vorbemerkungen (I)

Was der Mensch braucht

Das Jahr 2005 stellte im Zuge der endgültigen Einführung der Hartz-Gesetze nicht nur für die deutsche Sozialgesetzgebung, sondern auch für den Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik eine tiefgreifende Zäsur dar. Denn der durch die Pauschalierung der Sozialleistungen neue, in der Summe geringere, Betrag kennzeichnet de facto eine Lohngrenze, der sich seitdem in vielen Wirtschaftsbereichen kontinuierlich von oben genähert wird. Somit ist die Höhe der Sozialleistungen nicht nur für die direkt Betroffenen von fundamentaler Bedeutung, sondern auch für die unter dem zunehmenden Lohndumping leidenden Beschäftigten. Dies wird auch durch die Anzahl der von Grundsicherung Abhängigen (Stand Februar 2011: 6,5 Mio.) gegenüber der Anzahl der in der offiziellen Arbeitslosenstatistik Ausgewiesenen (Stand Februar 2011: 3,3 Mio.) besonders deutlich.

Eine gerechte Gestaltung der Sozialgesetzgebung, auch bezüglich der Höhe der Leistungen, betrifft also nicht nur alle in der Statistik aufgeführten Arbeitslosen. Sie geht auch über die darin nicht mehr enthaltenen Personen hinaus, welche wegen permanent ausgeweiteten Kriterien wie absolvierter Weiterbildung, vorübergehender Krankheit, Ein-Euro-Job, eines Alters über 58 Jahren oder anderen Merkmalen als „nicht arbeitslos“ statistisch entfernt werden. Sie hat ebensolche Bedeutung für Millionen von Rentern, Kindern, aber auch Arbeitnehmern, die in rasant wachsender Zahl in prekären Arbeitsverhältnissen wie unfreiwilliger Teilzeitarbeit, Leiharbeit oder Niedriglohnbeschäftigung um ihr Dasein kämpfen müssen.

Die nachfolgende Untersuchung versteht sich unter diesen Gesichtspunkten als eine Analyse zur Ermittlung einer sozialen Mindestsicherung im Sinne einer unter sozialstaatlichen Kriterien nicht unterschreitbaren Grenze. Sie besitzt somit für alle in der Bundesrepublik wohnhaften Personen, welche mangels eigenem oder unzureichendem eigenen Einkommen auf soziale Sicherungsleistungen angewiesen sind, signifikanten Charakter.

Die Untersuchung 3/2011 befindet sich im Anhang als PDF-Dokument

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Zum Vergleich die gleichnamige Untersuchung von Lutz Hausstein aus dem Vorjahr[1]

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* Der 42-jährige Autor lebt und wirkt in Leipzig (Sachsen). Der Diplom-Kaufmann engagierte sich ab 2006 in der WASG, anschließend bis 2008 in der Linken. Seitdem widmet sich Hausstein eigenständig und im Rahmen von Initiativen sozialen und wirtschaftspolitischen Themen und Forschungsprojekten.

Mehr unter: lutz-hausstein.com[2]

  • Die Weiterverbreitung der Studie unter CC 3.0 de [3](BY-ND) ist vom Autor ausdrücklich erwünscht.

Links:

  1. http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2010/Hausstein-Mindestsicherung-2010.pdf
  2. http://lutz-hausstein.com/
  3. http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/de/