Wo nichts ist, kann man nichts einsparen

Von Steffen Bockhahn

30.11.2009 / Die Woche, Wöchentliche Kolumne auf linksfraktion.de

Die Ministerpräsidenten der CDU-Länder streiten sich dieser Tage mit ihrer Kanzlerin. Unionsfraktionschef Volker Kauder sagt, sie sollten endlich vernünftig werden. Dabei ist ihr Widerstand gegen das „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ das einzig Vernünftige, was verantwortungsbewusste Landespolitikerinnen und -politiker machen können. Das gilt gerade wenn sie auch ihre Kommunen im Blick haben.

Bei uns in Rostock stricken wir gerade am neuen Haushalt für 2010. Der wird wohl erst im März fertig, weil noch völlig unklar ist, wie viel Geld der Bund an Länder und Kommunen gibt. Fakt ist schon heute, dass es wieder zu wenig ist. Immer wieder hat der Bund kostenintensive Aufgaben an die Städte und Gemeinden übertragen und viel zu wenig Geld für deren Erledigung überwiesen.

Das herausragende Beispiel ist auch hier wieder Hartz IV. Mehr als 100 Millionen Euro zusätzlich musste allein Rostock seit 2005 aufbringen, etwa die Hälfte der gesamten Schulden, die wir haben. Das Geld fehlt natürlich an allen Ecken und Enden, vor allem aber bei Sport, Jugendarbeit, Kultur oder der Ausstattung von Schulen. Über den allgemeinen Sanierungsstau in der Infrastruktur sprechen wir besser gar nicht. Das stört aber die Bundesregierung nicht und so kürzt sie ein weiteres Mal ihren Anteil an den Kosten der Unterkunft. Woher die Kommunen das Geld nehmen sollen, bleibt unklar.

Nur zur Erinnerung: Bei der Einführung von Hartz IV haben die Länder zugestimmt, weil ihnen versichert wurde, dass die Kommunen durch die Zusammenlegung von Leistungen massiv entlastet werden. Sollen die Steuerentlastungen allein auf Kosten der Kommunen, auf Kosten der Leistungen der Daseinvorsorge gehen? Ist das der Einstieg des von den liberalen so oft herbei gesehnten „schlanken Staates“.

Eine der nötigsten Maßnahmen für den Bundeshaushalt 2010 ist also, dass die Bundesregierung ihren Anteil an den Kosten für das ALG II und die Grundsicherung nicht absenkt, sondern auf wenigstens 35 Prozent erhöht. Nur so können Städte und Gemeinden wieder die nötigsten Aufgaben bewältigen. Anderenfalls droht die Schließung weiterer Obdachlosenasyle und Jugendtreffs, stehen weitere Theater vor dem Aus. Immer wieder wird von den Kommunen gefordert, mehr Sparsamkeit an den Tag zu legen, doch in den meisten Fällen ist die Zitrone ausgequetscht. Wo nichts ist, kann man nichts einsparen. Der Bund plant für das kommende Jahr 86.000.000.000 Euro neue Schulden aufzunehmen. Die Kommunen dürften im Gegensatz dazu laut Gesetz keinen einzigen Cent aufnehmen.

Das eigentliche Problem ist aber nicht der kommende Haushalt. Die Wurzel des Übels liegt in der Finanzverteilung in der Bundesrepublik. Die Kommunen haben die meisten Aufgaben zu bewältigen. Ihr Geld bekommen sie aber fast ausschließlich durch Zuweisungen von Bund und Ländern. Eigene Einnahmequellen haben sie kaum. Die wichtigste ist die Gewerbesteuer. Genau die wollen FDP und CDU nun auch noch abschaffen. Der zweite große Posten sind Anteile an der Einkommenssteuer. Nächstes Problem: die Einkommenssteuer soll gesenkt werden. Das ist gerade für Menschen mit niedrigem Einkommen richtig. Für die Kommunen muss aber zwingend ein Ausgleich geschaffen werden, sonst machen sie die Steuergeschenke, nicht der Bund, der sie versprochen hat.

In der Folge würde der Druck wachsen Stadtwerke, Wohnungsunternehmen oder andere Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge zu privatisieren. Es wäre für Städte und Gemeinden die letzte Chance, um Anforderungen der Aufsichtsbehörden für die Kommunen zu entsprechen. Natürlich wäre es der schlechteste Weg. Wir haben 2008 solche Verkäufe in Rostock mit einem Bürgerbegehren verhindert. Heute gibt die Stadtverwaltung sogar selbst zu, dass sie kaum noch etwas sparen kann und die laufenden Einnahmen der Unternehmen wichtig sind.

Wenn die Bundesregierung Geschenke an ihre Klientel verteilen will, muss sie die auch selbst bezahlen. Im Moment nimmt sie für die Steuersenkungen der Reichen und der Konzerne den Dispokredit der Kommunen anstelle des eigenen Kontos. Das ist der falsche Weg. Die Fraktion DIE LINKE stellt sich gegen noch größere Belastungen der Kommunen und eine solche unsoziale Umverteilung von unten nach oben.

Von Steffen Bockhahn, Mitglied des Haushaltsausschusses und Mitglied der Rostocker Bürgerschaft