Axel Troost: »Von Trendwende kann man nicht reden«

Der Jubel über ein Ende der Krise ist voreilig. Firmenpleiten und Arbeitslosigkeit nehmen weiter zu. Ein Gespräch mit Axel Troost

10.08.2009 / Interview: Peter Wolter, junge Welt

Axel Troost ist finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag

Am Wochenende jubilierten mehrere Zeitungen auf ihren Titelseiten, die Krise sei wohl überwunden, es gehe wieder aufwärts. Beweis dafür sei, daß die Auftragseingänge der Industrie zunähmen – stimmt das so?

Wenn man die Auftragseingänge betrachtet, gibt es in der Tat einen leichten Zuwachs. Wir hatten im Juni gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres einen Rückgang um 40, im Juli aber nur noch um 35 Prozent – das ergibt dann statistisch einen Zuwachs. Ich glaube schon, daß es in einigen Branchen leichte Verbesserungen gibt. Von einer Trendwende kann man aber nicht reden –zumindest nicht bei Insolvenzen und Arbeitslosenzahlen.

Die pauschale Aussage ist also falsch, es gehe wieder aufwärts?

Sie ist zumindest unzureichend. Man muß fragen, von welchem Niveau aus Zuwächse erreicht werden.

Die Bundesregierung hatte diverse Konjunkturprogramme aufgelegt. Ist davon irgend etwas in der Wirtschaft zu merken?

Bisher praktisch überhaupt nichts – was uns aber von vornherein klar war. Investitionen brauchen lange Zeit, bis sie umgesetzt sind und die Steuersenkungen, die ebenfalls als Konjunkturprogramm verkauft wurden, wirken erst seit dem 1. Juli beziehungsweise ab dem 1. Januar 2010. Von all diesen Programmen ist überhaupt kein Impuls zu erwarten.

Eines dieser Konjunkturprogramme ist die Abwrackprämie für PKW. Das hat zu vorgezogenen Käufen geführt –das heißt, in den kommenden Jahren wird es weniger Nachfrage geben. Geht nächstes Jahr die Autoindustrie in den Keller?

Zumindest werden im Inland viel weniger Autos verkauft. Und Firmen, die das nicht durch Exporte ausgleichen können, werden ab nächstem Jahr erhebliche Probleme bekommen. Bei Opel will ich nicht ausschließen, daß das Unternehmen nach der Bundestagswahl am 27. September in die Insolvenz geht. Einige Standorte werden dann wohl geschlossen, so daß nur ein Kernbereich überleben wird.

Demnächst läuft für viele Firmen die Kurzarbeit aus. Haben Sie eine Prognose, wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt?

Wir gehen nach wie vor davon aus, daß wir im Herbst und im nächsten Jahr eine, wenn nicht sogar anderthalb, Millionen Arbeitslose mehr haben werden.

Das führt zu einem weiteren Einbruch in der Massenkaufkraft. Wird die deutsche Wirtschaft also wie bisher weitgehend vom Export abhängig bleiben?

Es wird im wesentlichen so bleiben wie bisher. Allerdings bezweifle ich, ob es einen nahtlosen Anschluß an das bisherige Exportmodell geben wird. Die eine oder andere Branche wird den Anschluß an das frühere Niveau nicht finden, sie wird also zu den konjunkturellen auch noch strukturelle Probleme bekommen.

Ein anderer Unsicherheitsfaktor ist die Kreditklemme. Die Banken sind sehr zurückhaltend bei der Vergabe von Krediten – 40 Prozent der pleite gegangenen Mittelstansfirmen mußten aus diesem Grund Konkurs anmelden.

In jeder Wirtschaftskrise gibt es einen erheblichen Bedarf nach Liquiditätskrediten. Weil diese Firmen aber mitunter von der Insolvenz bedroht sind, halten sich die Banken verständlicherweise zurück. Mittelständischen Betrieben wird so sehr schnell der Hahn zugedreht. Größere Unternehmen, in denen z. B. die Sparkassen nicht mehr engagiert sind, leiden ebenfalls unter der Kreditklemme, und die wird sich im Herbst noch verstärken.

Welche Möglichkeiten hätte der Staat, dafür zu sorgen, daß die Banken die Wirtschaft stärker mit Krediten versorgen?

Einzelne Banken erzielen mittlerweile wieder Gewinne. Das Grundproblem ist jedoch, daß viele Geldinstitute einen hohen Abschreibungsbedarf haben. Der aber geht so sehr zu Lasten des Eigenkapitals, daß sie Probleme haben, neue Kredite auszuteilen. Das von der Bundesregierung beschlossene Bad-Banks-Gesetz war alles andere als der Befreiungsschlag, wie es öffentlich dargestellt wurde – die Banken werden dieses Gesetz nämlich kaum nutzen. Der einzige Ausweg aus dieser Bredouille ist, daß der Staat den Banken Eigenkapital zuschießt – im Austausch gegen Eigentumsrechte natürlich. Das wäre eine begrenzte Verstaatlichung der Banken.