Jörg Huffschmid / Ein universaler Politischer Ökonom

Nachruf von Rudolf Hickel

06.12.2009

Im letzten Jahr der „Großen Koalition“ mit Karl Schiller als Wirtschaftsminister und Franz Josef Strauß als Finanzminister erschien in der „Edition Suhrkamp“ 1969 ein Buch mit dem programmatischen Titel „Politik des Kapitals“. Darin wurde messerscharf nachgewiesen, dass auch mit der neu entdeckten Globalsteuerung das „Allgemeininteresse“ den Gewinninteressen von machtvollen Großunternehmen untergeordnet wird. Der Wettbewerbstheoretiker entlarvte die hochgelobte Marktwirtschaft als monopolistisch vermachtetes System. Dieses Buch wurde schnell zur „Bibel“ weit über Studentenbewegung hinaus. Es stammt aus der Feder von Jörg Huffschmid der am letzten Samstag nach einer schweren Erkrankung verstorben ist. Aus der riesigen Fülle seiner Publikationen sollte ein zweites Buch epochale Bedeutung erhalten. 2002 legte er seine „Politische Ökonomie der Finanzmärkte“[1] vor. Damit gehörte Jörg Huffschmid zu den wenigen, die den Absturz des finanzmarktgetriebenen Kapitalismus und damit die heutige Finanzmarktkrise vorhergesehen haben. Schade, dass das Buch von den politisch Verantwortlichen und vor allem von Bankern ignoriert worden ist.

Jörg Huffschmid steht für eine kompromisslose, exzellent fundierte Analyse der ökonomisch, sozial und ökologisch selbstzerstörerischen Kräfte einer entfesselten Profitwirtschaft. Dieser Einsatz als Forscher und Publizist hat ihn weit über die Grenzen Deutschlands berühmt gemacht. Der sprachbegabte Wissenschaftler genoss auch große Anerkennung im Ausland.
Er bleibt aber auch vielen Studierenden als begnadeter Hochschullehrer in Erinnerung. 1973 wurde er Professor für Politische Ökonomie und Wirtschaftspolitik. Ich erinnere mich, wie nach der Anhörung Walter Jens, der dem Senat der Universität Bremen angehörte, auf mich zustürmte, um mir seine Begeisterung über diesen Wirtschaftswissenschaftler zu überbringen. In jeder Vorlesung, in jedem Seminar legte er vor Beginn eine Orientierungsskizze vor. Seine so produktive, interdisziplinäre Ausrichtung glich gelegentlich einem „Studium generale“, das heute ein Fremdwort an deutschen Universitäten ist.

Im Jahr 1975 hatte er maßgeblich die Idee, die „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“[2] zusammen mit Herbert Schui und mir zu gründen. Diese sog. „Alternativökonomen“ sind immer wieder ausgegrenzt worden. Dennoch, ohne staatliche Finanzierung und ohne Sponsoring aus der Wirtschaft wurden ihre Memoranden zu einem wichtigen Zentrum kritischer Wirtschaftswissenschaft. Von Jörg Huffschmid stammte das Credo: Es gibt Alternativen gegen die soziale Spaltung der Gesellschaft und die Umweltvernichtung.

Dabei kommt ihm einzig und allein das Verdienst zu, eine Europa-Memogruppe[3] gegründet zu haben. Diese konzentriert sich auf die Fehlentwicklungen der EU unter der Dominanz der Liberalisierung der Märkte. Sein Wissen und sein politisches Engagement hat er auch bei ATTACK als führendes Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat eingebracht.

Der Ökonom Huffschmid nahm die Erkennungsmarke „Politisch“ sehr ernst. Er ließ sich trotz inhaltlicher Anfeindungen nicht entmutigen, auch auf der politischen Bühne in Bonn und dann Berlin Einfluss zu nehmen. Seine wohl wichtigste Beratertätigkeit brachte er in die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags zur „Globalisierung der Wirtschaft“ ein. In den vielen E-Mails, die unmittelbar nach seinem Ableben im Internet kursieren, fällt mir eine Wertschätzung besonders auf. Eine Kollegin aus Berlin lobt ihn dafür, dass er in den Abschlussbericht dieser Bundestagskommission an vielen Stellen die Position der Frauen in der Globalisierung eingebracht hat.

Jörg Huffschmid war mit seinem unerbittlichen Einsatz für eine gerechtere Welt im persönlichen Umgang hartnäckig und damit nicht immer einfach. Wer ihn jedoch näher kannte, der schätzte seine Freundlichkeit. Seine Lust zum Kochen konnten die Gäste auf seinem Bauernhof bei Bassum genießen.

Links:

  1. http://www.vsa-verlag.de/books.php?kat=ap&isbn=3-87975-863-8
  2. http://www.memo.uni-bremen.de/
  3. http://www.memo-europe.uni-bremen.de/euromemo/index.html

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