G20: Schluss mit Showveranstaltungen. Das Casino muss geschlossen werden!

14.09.2009 / www.linksfraktion.de, 14. September 2009

Ulla Lötzer, Sprecherin für internationale Wirtschaftspolitik der Fraktion, kritisiert im Interview, dass sich seit der Lehman-Pleite vor einem Jahr im Casino der Finanzmärkte nicht geändert hat. Die wilde Spekulation an den Börsen und die ungleiche Verteilung des Reichstums müssen endlich beendet werden. Für die Fraktion DIE LINKE muss eine Abkehr von der Exportorientierung im Zentrum stehen.

Am 24. und 25. September treffen sich – fast genau ein Jahr nach der Lehman-Pleite - in Pittsburgh die G20-Staaten. Was hat sich seitdem geändert?

Ulla Lötzer: Es hat sich nichts geändert. Das Investmentbanking feiert fröhliche Wiederauferstehung. Das Roulettespielen mit Devisen, riskanten Finanzprodukten und lebenswichtigen Rohstoffen und Nahrungsmitteln geht weder los. Die Politik heuchelt Problembewußtsein vor und tut nichts.

Im April hatten die G20 in London in einem Kommunique doch eine strengere Regulierung der internationalen Finanzmärkte vereinbart. Welche Ergebnisse zeichnen sich jetzt ab?

Man muss es ganz deutlich sagen: Die G20-Staatschefs blenden komplett aus, dass wir vor den Trümmern eines entfesselten Kapitalismus stehen. In London hatten sie verkündet: Kein Finanzprodukt darf unreguliert bleiben. Die Realität: Weder eine Reform noch ein Reförmchen der Finanzmärkte auf der internationalen Ebene findet statt. Merkel und Steinbrück treten regelmäßig mal mit mal ohne Sarkozy vor die Presse um eine Begrenzung der Managerboni und das Schließen von Steueroasen zu fordern. Am nächsten Tag müssen sie dann mal wegen der Briten, mal wegen der Amerikaner zurückrudern. Schlimmer ist aber, dass bei den zentralen Feldern – Bankenaufsicht, Ratingagenturen, Verbriefung, Hedge-Fonds oder der verheerenden Spekulation auf Rohstoffe und Währungen – gar nichts passiert. Die G20 sind eine reine Showveranstaltung, um mit Gruppenfotos vom Nichtstun abzulenken!

Finanzminister Peer Steinbrück fordert, dass die G20-Reformen zur Finanzkrise wegen der drohenden Kreditklemme auf 2012 verschoben werden sollen. Man hat den Eindruck, die Banken haben die Politik immer noch fest im Griff. Welche politischen Ansätze und Vorschläge hat die Fraktion DIE LINKE diesbezüglich?

DIE LINKE geht in Übereinstimmung mit vielen sozialen Bewegungen an die Ursachen der Krise: Die wilde Spekulation an den Börsen und die ungleiche Verteilung des Reichstums. Führt man hier harte Schnitte durch, dann schränkt man auch die Macht der Banken und der Zocker massiv ein. Großbanken und Rating-Agentur wollen wir in die öffentliche Hand überführen. Um Spekulationsblasen vorzubeugen, sollten Finanzgeschäfte international mit Steuern belegt werden – Stichwort Tobin-Tax. In Deutschland muss die Börsenumsatzsteuer endlich wieder eingeführt werden.

Ein häufig diskutiertes Thema ist, dass man globale wirtschaftliche, ökologische – oder entwicklungspolitische Probleme nur mittels „der Global Governance“, einer Weltordnungspolitik, lösen kann. Wie ist deine Einschätzung: sind die Staaten der sogenannten ersten Welt und die Staaten des Südens sich diesbezüglich näher gekommen?

Nein, das Gegenteil ist der Fall. Die mächtigen Industriestaaten als Verursacher der Krise treffen sich im Stile englischer Lords in exklusiven Clubs – seien es die G8-Treffen oder die erweiterten G20-Treffen. Die unheilbringenden Organisationen wie die Weltbank, der IWF oder die WTO werden sogar noch aufgewertet statt sie von Grund auf zu demokratisieren. Eine gerechte Weltwirtschaftsordnung wird es nur mit 192 Staaten geben nicht mit den 20 mächtigsten. Deshalb unterstützen wir die UNO als Diskussions- und Entscheidungsgremium in globalen Wirtschaftsfragen. Sie wird aber bei der Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise von den reichen Industrieländern ignoriert.

Das Beispiel Opel veranschaulicht deutlich, wie marktradikal und damit unsozial mit den Beschäftigten umgegangen wird, wenn sich internationale Manager verzocken. Bekommt die Regierungskoalition nun die Quittung von General Motors und darf zudem mit Steuergeldern die Zeche zahlen?

Wie angekündigt sollen 4500 Stellen wegfallen und die verbleibenden Opelaner sollen Lohnkürzungen hinnehmen – das darf nicht sein. Deshalb gilt für DIE LINKE bei Opel wie auch bei den Banken: Steuergelder nur gegen staatliche Beteiligung. Denn damit wollen wir erstens kurzfristige Marktbereinigungen verhindern – also Beschäftigungsabbau und Lohnraub, zweitens die Mitbestimmung der Beschäftigten durchsetzen und drittens langfristige Geschäftsmodelle und Zukunftsprojekte anstoßen.

Welche Zukunftsprojekte haben Sie dabei im Sinne?

Bei den Belegschaften in der Autoindustrie, den Gewerkschaften oder in der Wissenschaften gibt es seit Jahren Konzepte für eine Verkehrswende. Warum sollen die hochqualifizierten Facharbeiterinnen und Facharbeiter bei Opel nicht auch Straßenbahnen bauen oder wie jetzt bei Volkswagen geplant in Motorenwerken ökologisch sinnvolle Blockheizkraftwerke herstellen. Hier wären Steuergelder zur Rettung von Unternehmen und zur Sicherung der industriellen Basis in Deutschland sinnvoll eingesetzt.

Was sind für Sie die größten Herausforderungen, die sich relativ schnell umsetzen ließen, wenn der poltische Wille nach nachhaltigem Wachstum und nicht nach Profitmaximierung tatsächlich vorhanden wäre?

Im Zentrum eines Politikwechsel muss eine Abkehr von der schädlichen Exportorientierung stehen. Deshalb müssen sozial-ökologische Konjunkturprogramme aufgelegt, verstetigt und international kordiniert werden. Die Entwicklungsländer brauchen sofort Finanzierungsquellen im Kampf gegen Armut und Umweltzerstörung, um zum Beispiel die Folgen des Klimawandels abzuwehren. Außerdem würden DIE Linke sofort Maßnahmen gegen das Zocker-Casino durchsetzen und die schlimmsten Auswüchse nämlich Hedgefonds und die Spekulation auf Devisen und Rohstoffe verbieten.