Sofortprogramm gegen die Wirtschaftskrise

DIE LINKE fordert höhere Einkommen und mehr Bildungsausgaben

30.09.2008

Die Wirtschaftskonjunktur in Deutschland befindet sich auf Talfahrt. Für das Jahr 2009 muss eine wirtschaftliche Stagnation befürchtet werden. Auch eine rezessive Entwick­lung ist nicht auszuschließen.

Der bereits einsetzende wirtschaftliche Abschwung ist bedingt durch eine falsche Wirt­schaftspolitik der Regierung. Seit Jahren setzt sie einseitig auf den Exportsektor, be­schneidet dabei Sozialleistungen sowie staatliche Ausgaben und fördert Lohndumping. Das begünstigt die Exporte, belastet aber die Binnennachfrage. In der Folge ist die kon­sumtive Binnennachfrage viel zu schwach. Die Finanzmarktkrise ist hingegen nicht die entscheidende Ursache für den sich abzeichnenden Abschwung. Jedoch droht, dass der Abschwung durch die Finanzmarktkrise massiv verschärft wird. Die Exporte laufen für die deutschen Unternehmer mit plus sieben Prozent im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum nach wie vor gut. Auch eine Kreditklemme, also eine deutliche Ver­schlechterung der Kreditversorgung ist vorerst nicht feststellbar.

Der jetzige, sich im Abschwung befindliche Wirtschaftszyklus begann im Jahr 2004 mit einem Anstieg der Ausrüstungsinvestitionen um preisbereinigt 4,6 Prozent. Dieser war angetrieben durch Ersatzbedarf, nachdem über mehrere Jahre hinweg die Investitionen rückläufig waren. Zusätzlich machte die Ausweitung der Exporte den Anstieg der Investi­tionen notwendig. Die Bauinvestitionen blieben bis einschließlich 2005 zurück. Ab 2006 steigen dann die gesamten Anlageinvestitionen um fast acht Prozent. Die gesamtwirt­schaftliche Investitionstätigkeit war sehr stark geprägt durch Ersatz- und Nachholbedarf. Der ist jedoch im Wesentlichen gedeckt. Im zweiten Quartal 2008 waren die Investitio­nen zum ersten Mal rückläufig.

Ein anhaltender Aufschwung müsste von der inländischen Konsumnachfrage getragen werden. Dazu hätte sie im Laufe des Zyklus deutlich ausgeweitet werden müssen, wie das in früheren Konjunkturzyklen auch der Fall war. Voraussetzung dafür wäre ein deut­licher Anstieg der Löhne. Der wurde auch immer wieder prognostiziert, doch er fiel aus. Der Aufschwung ist nicht bei den Menschen angekommen. Mit dieser erstmaligen Ent­wicklung droht die konjunkturelle Entwicklung vorzeitig abzubrechen. Vor dem Muster früher Konjunkturzyklen hätten eigentlich Chancen bestanden, dass der gegenwärtige Zyklus bis 2013 trägt.

Im ersten Halbjahr 2008 stiegen die Einkommen der Unternehmer um acht Prozent an. Die Arbeitnehmerentgelte stiegen dagegen nur um 3,5 Prozent – trotz besserer Tarifab­schlüsse und trotz gut einer halben Million mehr Jobs. Die durchschnittlichen Tarifkom­men wurden um 3,3 Prozent erhöht; in der Stahlindustrie und im öffentlichen Dienst wurden die Tarife um über 5 Prozent gesteigert. Das durchschnittliche Einkommen je Beschäftigten stieg jedoch nur um 1,7 Prozent. Das macht deutlich, dass für Millionen von Beschäftigten die Löhne nicht oder nur geringfügig erhöht wurden, für viele es sogar zu Lohnsenkungen kam. Ursache ist die Lohndrückerei durch Minijobs, Leiharbeit, Be­fristungen und den Druck auf Erwerbslose, jeden Job annehmen zu müssen.

Berücksichtigt man dann noch die auf rund 3 Prozent im ersten Halbjahr gestiegene In­flation bleibt für die Beschäftigten überhaupt kein Einkommenszuwachs mehr übrig. Ent­scheidend für diese Entwicklung ist aber nicht die um 1 Prozentpunkt angestiegene In­flation, sondern die schwache Lohnentwicklung. Wären die Arbeitnehmereinkommen in gleicher Höhe wie die Unternehmens- und Vermögenseinkommen angestiegen – um acht Prozent –, so hätte der Anstieg der Inflation lediglich zu einer geringfügigen Be­schneidung der Binnennachfrage geführt, jedoch nicht zum kompletten Ausfall.

Die Binnennachfrage litt zusätzlich an der anhaltenden Sparpolitik der öffentlichen Haushalte. Die Regierung hat diesen Kurs jüngst bekräftigt. Andere konservativere Re­gierungen haben längst umgeschwenkt – wie die Bush-Regierung, die umfassende kon­sumstützende Maßnahmen ergriffen hat. So ist die US-Konjunktur trotz Finanzmarktkri­se bislang erstaunlich stabil geblieben.

DIE LINKE fordert ein Sofortprogramm zur Stärkung der Binnennachfrage:

1. Wir brauchen in Deutschland vor allem einen deutlichen Anstieg der Einkommen.

  • DIE LINKE wird die Gewerkschaften in anstehenden Tarifrunden unterstützen. Gerade wegen der drohenden Rezession sind jetzt deutlich Steigerungen der Ta­rifeinkommen notwendig. Dies betrifft insbesondere die Tarifrunde im Herbst in der Metall- und Elektroindustrie sowie die der öffentlich Beschäftigten bei den Ländern im Frühjahr 2009. Die IG Metall hat für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie eine Forderung von 8 Prozent aufgestellt. Die Durchsetzung be­deutet einen Kaufkraftschub von 16 Milliarden Euro.
  • Der Niedriglohnsektor muss trockengelegt werden. Entscheidend hierfür ist die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes von 8 Euro sofort, der in schnellen Schritten auf 10 Euro steigt. So kann die Binnennachfrage um 11 bis 18 Milliar­den Euro gestärkt werden. Bei einem wie in Frankreich üblichen Mindestlohn von 8,71 Euro stünden den betroffenen Beschäftigten zusätzliche 13 Milliarden Euro für die Bestreitung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung. Entsprechend würde die Binnennachfrage gesteigert. Darüber hinaus müssen Mini-Jobs und Leiharbeit zurückgedrängt und beseitigt werden. Wenn der freie Fall der Löhne am unteren Ende gestoppt wird, werden auch die Lohnstrukturen nicht weiter wegrutschen.
  • DIE LINKE fordert die Anhebung von Arbeitslosengeld II auf 435 Euro sowie die Anhebung der Regelsätze für Bezieherinnen und Bezieher von Sozialhilfe und für Asylbewerberinnen bzw. -bewerbern. Die sofortige Anhebung würde die Lebens­lage der Betroffenen deutlich verbessern und die konsumtive Binnennachfrage um 7 Milliarden Euro stützen.
  • DIE LINKE fordert die Wiederherstellung der alten Rentenformel sowie Maßnah­men zur Vermeidung von Altersarmut. Dazu gehört, dass die bislang den Rent­nern und Rentnerinnen vorenthalten Rentenerhöhungen – im Wesentlichen die sogenannte „Riester-Treppe“ – sofort nachgezahlt wird. Dies wäre zusätzlich zu der bereits gezahlten Erhöhung von 1,1 Prozent eine Erhöhung von 3 Prozent. Die Binnennachfrage würde hierdurch um 7 Milliarden Euro gestärkt.
  • Durch diese Sofortmaßnahmen im Bereich der Einkommen ließe sich innerhalb von 6 Monaten die Binnennachfrage um rund 40 Milliarden Euro stärken.
2. DIE LINKE fordert ein Zukunftsinvestitionsprogramm in der Größenordnung von 50 Milliarden Euro!

  • Wir brauchen 25 Milliarden Euro mehr für Kindertagesstätten, Schu­len und Hochschulen. Weitere 25 Milliarden Euro sind für Investitionen in die Infra­struktur vorzusehen, damit Gebäude, Brücken, Straßen, das Abwassersystem und vieles andere wieder in Ordnung kommt. Die öffentliche Hand muss wieder eine bes­sere Versorgung der Bevölkerung sicherstellen. Es muss Schluss sein mit der Ent­staatlichung. Die Staatsquote liegt mittlerweile unter der von Großbritannien.
Im Rahmen des Sofortprogramms zur Stützung der Konjunktur fordert DIE LINKE 30 Milliarden Euro des Zukunftsinvestitionsprogramms unverzüglich umzusetzen:

  • 15 Milliarden Euro Mehrausgaben: Zum Ausbau der Ganztagsschulen, der Sa­nierung von Schulen und für eine Verbesserung der Hochschulbildung.
  • 4 Milliarden Euro für eine Energiewende mit den Bereichen Energiesparfonds, Förderung erneuerbarer Energien und CO2-Gebäudesanierung, die vor allem einkommensschwachen Familien zukommen soll.
  • 7,5 Milliarden Euro im Bereich Verkehr und Infrastruktur für eine kommunale In­vestitionspauschale, zur Förderung strukturschwacher Regionen, den Ausbau des ÖPNV und den Sanierungsbedarf bei Brücken, Straßen und dem Ausbau der Schiene.
  • 3,5 Milliarden Euro im Bereich Gesundheit zur Beseitigung des Investitionsstaus bei den Krankenhäusern sowie für Prävention und Gesundheitsförderung.

Das Zukunftsinvestitionsprogramm ist mehr als eine kurzfristige Konjunkturstütze, gleichwohl ist es ein wichtiger Beitrag um die wirtschaftliche Entwicklung zu stützen. Im vollen Volumen läßt es sich innerhalb von vier Jahren umsetzen. Wachstumsim­pulse von drei Prozent und eine Million Arbeitsplätze sind möglich und notwendig.

Das Sofortprogramm der Linken würde einen Schub bei der konsumtiven Binnennach­frage von 70 Milliarden Euro bewirken; dies wäre ein Plus von knapp vier Prozent.

Die im Sofortprogramm der Linken vorgesehenen Lohnerhöhungen sind von den Unter­nehmern zu finanzieren. Zusätzliche Ausgaben der öffentlichen Hand, insbesondere im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms müssen zunächst kreditfinanziert auf den Weg gebracht werden. Unverzüglich sind in der Steuerpolitik jedoch Weichen zu stellen, dass die Mehrausgaben durch die stärkere Besteuerung von Reichen und Vermögenden gegenfinanziert werden. Hierzu ist unter anderem die Vermögensteuer wieder einzufüh­ren, die Erbschaftsteuer deutlich zu erhöhen, die Besteuerung von Aktiengesellschaften und GmbHs wieder deutlich zu verstärken und eine Finanztraktionssteuer, die eine wei­terentwickelte Börsenumsatz ist, einzuführen .

Gerade weil die Finanzmarktkrise auf die Realwirtschaft in Deutschland durchschlagen, den konjunkturellen Abschwung massiv verstärken kann, muss jetzt gegengesteuert werden. Durch Stärkung der Binnennachfrage – alles andere ist unverantwortlich. Hinzu kommen eine weitgehende neu aufgestellte und hoch regulierte Finanzmarktarchitektur. Entscheidend ist, dass die Zuflüsse in die sich verselbständigten Finanzsphären tro­ckengelegt werden. Hierzu gehört die konsequente Abkehr von jeglicher Form kapital­gedeckter Altersvorsorgesystem. In Deutschland muss der umlagefinanzierte Generati­onenvertrag wieder vollständig hergestellt werden. Zur Trockenlegung der Zuflüsse ge­hört auch die Wiedereinführung der Vermögensteuer, die Erhöhung der Erbschaftsteuer und eine Finanztraktionsteuer, die alle Umsätze in der Finanzsphäre mit einer Umsatz­steuer belegt.

Die notwendige soziale Antikrisenpolitik der öffentlichen Haushalte muss ergänzt werden durch eine wachstums- und beschäftigungsorientierte Geldpolitik. Während die US-Zentralbank der Finanzkrise und drohenden Rezession durch entschiedene Zinssen­kungen entgegenwirkt, übt sich die Europäische Zentralbank in Zurückhaltung. Die LIN­KE fordert, dass auch die EZB Verantwortung für Wachstum und Beschäftigung wahr­nimmt und ihre Zinssenkungsspielräume nutzt – rechtzeitig und hinreichend kräftig.

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