Deutsche Konzerne sparen sich reich

Arbeitskosten stiegen auch 2007 so wenig wie in keinem anderen EU-Land

23.04.2008 / Von Kurt Stenger, Neues Deutschland

Deutschland fällt bei der Höhe der Lohnkosten im EU-Vergleich immer weiter zurück. Hiesige Unternehmen haben ihre Wettbewerbsfähigkeit auch 2007 weiter erhöht.

Die Arbeitskosten in Deutschland sind im vergangenen Jahr so wenig gestiegen wie in keinem anderen EU-Land. Wie das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden mitteilte, lagen die Gehälter der Arbeiter und Angestellten sowie die Lohnnebenkosten lediglich um 1,0 Prozent über dem Vorjahresniveau. Damit ist die Bundesrepublik unter den 27 EU-Staaten auf Platz sieben zurückgefallen. Arbeitgeber in der Privatwirtschaft bezahlten hierzulande je geleistete Arbeitsstunde 29,10 Euro. An der Spitze lag Dänemark mit Arbeitskosten von 35,00 Euro je Stunde, gefolgt von Schweden, Belgien, Luxemburg und Frankreich. Hinter Deutschland liegen insbesondere die südeuropäischen und die neuen EU-Mitgliedsländer. Die niedrigsten Arbeitskosten je Stunde werden mit 2,10 Euro in Bulgarien gezahlt.

Auf 100 Euro Bruttolohn und -gehalt zahlten die hiesigen Arbeitgeber 2007 nach Angaben der Statistiker 32 Euro Lohnnebenkosten. Bei den Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung und den Aufwendungen für die betriebliche Altersvorsorge lag Deutschland damit nur auf Platz 14 und unter dem EU-Durchschnitt von 36 Euro. Die höchsten Nebenkosten werden in Frankreich und Schweden mit 50 Euro gezahlt, die niedrigsten in Malta mit 10 Euro.

2007 setzte sich damit ein längerfristiger Trend fort. So sind nach Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung die Lohnkosten je Stunde in der deutschen Industrie seit 1997 um 22 Prozent gestiegen, im Euroraum dagegen um 32 Prozent. Eine Besonderheit sei zudem die hohe Kluft von 20 Prozent bei den Lohnkosten zwischen Industrie und Dienstleistungssektor.

IMK-Direktor Gustav A. Horn sagte gegenüber ND, der »unheimliche Befund«, dass trotz des jüngsten Konjunkturaufschwungs die Reallöhne in Deutschland gesunken sind, sei Ausdruck der anhaltenden »massiven Lohnzurückhaltung«. Als Gründe für diese Entwicklung sieht der Ökonom den massiven Druck auf Gewerkschaften und eine Arbeitsmarktgesetzgebung, die für die Ausweitung der Stellen im untersten Lohnbereich gesorgt habe. Hinzu komme der »Sonderfall Ostdeutschland mit weiten tariffreien Zonen«.

Die Arbeitgeberlobby wertete die Zahlen positiv. »Ohne die Lohnzurückhaltung der Arbeitnehmerseite hätten die Unternehmen Arbeitsplätze nicht in dem Maße schaffen können, das wir jetzt haben«, sagte der Konjunkturexperte der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Hans-Jürgen Völz. IMK-Direktor Horn lässt dieses Argument nicht gelten: Wenn die These stimme, dass zu hohe Löhne schuld an hoher Arbeitslosigkeit seien, »müssten wir heute Vollbeschäftigung haben«.

DGB-Vorstand Claus Matecki forderte als Konsequenz aus der neuen Statistik kräftige Tariflohnsteigerungen und die Einführung von Mindestlöhnen. »Wir wollen kein Dumping-Deutschland.«

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