Riester-Rente adé

Rezept für sichere Altersbezüge: starke Gewerkschaften, die Reallohnsenkungen verhindern, und linke Politik, die alle Rentenkürzungen zurücknimmt

19.04.2008 / Von Klaus Ernst und Michael Schlecht, junge Welt

Sozialverbände schlugen jüngst Alarm. Die Linkspartei sorgte für Aufregung in der großen Koalition. Die gefürchtete Lafontaine-Linke plane eine große populistische Rentenkampagne, heißt es in der Financial Times Deutschland. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion beschloß die Regierung eine Rentenerhöhung. Statt 0,46 Prozent sind nun 1,1 Prozent mehr für die Rentner geplant. Aber – die »Großzügigkeit« soll sich in Grenzen halten: Der Zuschlag soll ab 2012 wieder abgezogen werden.

Folglich bleibt es dabei: Es droht ein massiver Anstieg der Altersarmut. Beschäftigte, die in den nächsten 20 Jahren weniger als drei Viertel eines monatlichen Durchschnittsverdienstes haben – das sind nach heutigem Geldwert knapp 1 900 Euro brutto – werden nur eine Grundsicherung erhalten. Das sind rund 650 Euro. Besonders bedroht sind Frauen und die Menschen in den neuen Bundesländern.

Viele Rentner werden die »Erhöhung« auch lächerlich finden. Denn bei einer voraussichtlichen Preissteigerung von mindestens 2,5 Prozent, möglicherweise sogar deutlich über drei Prozent, wird zum wiederholten Male auch das Jahr 2008 eine reale Rentensenkung bringen. Hinzu kommt, daß die Rentner die Erhöhung des Beitrags zur Pflegeversicherung um 0,25 Prozentpunkte ab Juli allein tragen müssen. Bedrückend ist diese Entwicklung, da seit 2000 die Renten preisbereinigt bereits um sechs Prozent gesunken sind.

Auch die Einkommen der Beschäftigten sind gesunken. Die Bruttoeinkommen lagen 2007 um vier Prozent niedriger als im Jahr 2000. Schnell wird so die Rentenerhöhung von 1,1 Prozent zu einem vermeintlichen Generationenkonflikt. »Warum sollen die Alten mehr bekommen, wenn die Jungen auch darben müssen?« Und: »Die Alten haben in Anbetracht ihrer Lebensleistungen und ihrer Einzahlungen ein Anrecht auf höhere Renten!« So oder ähnlich lauten die mit Empörung vorgebrachten Argumente. Dabei fällt etwas anderes auf: Beschäftigte und Rentner verbuchen Realeinkommensverluste. Und die Reichen, Unternehmer und Vermögensbesitzer sahnen ab – seit 2000 um über 50 Prozent nominal und preisbereinigt um 35 Prozent! Das ist der eigentliche Skandal! Je mehr sich Junge und Alte auf einen vermeintlichen Generationenkonflikt einlassen, umso mehr tritt der Skandal in den Hintergrund.

Anteil am Reichtum entscheidet

Die gesetzliche Rentenversicherung soll den Lebensstandard der Rentner, in der Regel die ehemaligen Beschäftigten, absichern. Dies geschieht in doppelter Weise: Zunächst geht es immer um die Anbindung an den jeweiligen Lebensstandard der aktiv Beschäftigten. Die Rentenbevölkerung wird durch Zahlungen der aktiv Beschäftigten versorgt. Damit sind die Rentner immer abhängig vom jeweiligen Stand der Produktivkraftentwicklung und der gesellschaftlichen Reichtums­produktion. Vor diesem Hintergrund wird es wichtig, in welchem Umfang die Beschäftigten in der Lage sind, sich ihren Anteil am Reichtum zu sichern. Hierüber entscheiden die gewerkschaftlichen Kämpfe.

Aus dem Einkommen der Beschäftigten leitet sich mittels Beitragszahlungen der jeweils zur Verfügung stehende Rentenfonds ab. Insofern wird bei der Lebensstandardsicherung immer auch ein Bezug zum Lebensstandard der aktiv Beschäftigten hergestellt. Wer mit 65 Jahren in Rente geht, kann sich am 85. Geburtstag möglicherweise über eine Verdopplung oder vielleicht auch Verdreifachung der Rente freuen. Voraussetzung ist, daß in den abgelaufenen 20 Jahren die Einkommen der Beschäftigten entsprechend gestiegen sind, wodurch sich ihr Lebensstandard erheblich verbessert hat. Umgekehrt besteht sehr wohl die Möglichkeit, daß Renten kaum steigen, eventuell sogar niedriger ausfallen, wenn die Beschäftigten sich nicht erfolgreich gegen stagnierende oder sinkende Einkommen wehren konnten. Um es zugespitzt zu sagen: Ein 80jähriger Rentner muß mit realen Rentenkürzungen über mehrere Jahren rechnen, wenn die aktiv Beschäftigten Einkommenssenkungen nicht verhindern können. Die Lebenslage der Rentner hängt auf Gedeih und Verderb am Erfolg gewerkschaftlicher Kämpfe um den geschaffenen Reichtum. Die Beschäftigten sind die Rentner von morgen. Am besten vertreten beide ihre Interessen, wenn sie für gemeinsame Ziele streiten: für gute und sichere Arbeitsplätze, für ordentliche Löhne, die möglichst mehr sichern als das blanke Überleben, und für gute Renten, die einen Lebensabend ohne Armut ermöglichen. Es sind immer unsere eigenen Kämpfe gegen diejenigen, die die Profite in diesem Land einsacken.

Die individuelle Biografie ist die zweite Größe, die für die Sicherung des Lebensstandards relevant ist. Die Aufteilung des zur Verfügung stehenden Rentenfonds geschieht nach Maßgabe der Beitragszahlung, die der betreffende Rentner im Berufsleben geleistet hat. Entscheidend sind dabei die Anzahl der monatlichen Beitragszahlungen und deren Höhe in bezug zum jeweiligen Durchschnittsverdienst. Der Lebensstandard in der aktiven Lebenszeit hängt entscheidend vom erzielten Einkommen ab. Da dies als wichtiger Bezugspunkt für die Aufteilung des Rentenfonds herangezogen wird, orientiert sich die Rente am ehemaligen Lebensstandard. Ziel ist es, diesen auch in der Rentenzeit zu halten. Die technische Maßgröße, die dies umschreibt, ist das »siebzigprozentige Nettorentenniveau«. Man mag darüber streiten, ob 70 Prozent des Durchschnittsverdienstes ausreichen, aber zumindest wird damit dem grundsätzlichen Ziel der Sicherung des Lebensstandards gefolgt.

Die Rentenhöhe hängt vom eigenen vergangenen Einkommen, der damit verbundenen Beitragszahlung und von der Höhe des jeweiligen Rentenfonds ab, der durch Einkommen und Beitragszahlung der aktiven Generation von Beschäftigten bestimmt wird. Letzteres wird mit fortschreitendem Lebensalter immer bedeutsamer. Politisch bedeutsam ist, daß im Alltagsbewußtsein die Anbindung der Lebenslage im Alter an die der jeweils aktiv beschäftigten Bevölkerung wenig vorhanden ist. Und wenn, dann häufig in dem vermeintlichen Gegensatz zwischen Jung und Alt.

Staat verordnet Rentenkürzung

Unter der SPD-Grünen-Regierung galt als oberstes Prinzip der Unternehmerschutz. Die Profite sollten steigen. Dafür wurden den Gewerkschaften immer mehr Knüppel zwischen die Beine geworfen, so daß die Kampfbedingungen zur Durchsetzung hinreichender Lohnabschlüsse erheblich beeinträchtigt wurden. Der atemberaubende Absturz der Lohnquote, also der Anteil der Arbeitseinkommen am jährlich erwirtschafteten Reichtum, in den Regierungsjahren von »Rot-Grün« belegt dies.

Außerdem wurden die sogenannten Lohnnebenkosten gesenkt. Dies ist der Teil des Lohnes, der den Beschäftigten nicht ausgezahlt, sondern vom Unternehmer direkt in kollektive Sicherungseinrichtungen überwiesen wird. Diese Beiträge zur Sozialversicherung sind immer Teil des Gesamtlohnes. Werden die Beiträge gekürzt, muß der Unternehmer weniger Lohnnebenkosten zahlen. Faktisch handelt es sich um staatlich verordnete Lohnkürzung! Und in der Folge bedeuten weniger Beiträge zur Krankenkasse weniger Gesundheit. Weniger Geld in die Rentenkasse bedeutet in der Tendenz Rentenkürzung.

Die gesetzliche Rentenversicherung stand ohnehin schon massiv unter Druck. Arbeitslosigkeit, Prekarisierung und durch die Regierung organisiertes Lohndumping schmälerten die Einnahmebasis. Jetzt kam die Einführung des Höchstbeitragssatzes hinzu. Unternehmer sollten vor steigenden Beitragszahlungen in den Rentenfonds geschützt werden. Ihr gegenwärtiger Anteil liegt bei knapp zehn Prozent, über elf Prozent soll er nicht steigen. Deshalb führte Kanzler Gerhard Schröder einen Höchstbeitragssatz von 22 Prozent ein.

Wenn die Einzahlungen in den Rentenfonds gesetzlich begrenzt werden, wird die Rentenhöhe beschnitten. Dadurch wird der Grundsatz der Lebensstandardsicherung immer mehr beschädigt und bei fortwährender Beschneidung ausgehebelt. Dies wurde mit der Riester-Reform eingeleitet. Bis 2001 sicherte im Grundsatz die Rentenformel, daß die Renten im Gleichschritt mit den Lohnerhöhungen des Vorjahres erhöht wurden. Unter Walter Riester, dem damaligen Minister für Arbeit und Sozialordnung, wurden in die Rentenformel Kürzungsvariablen einbezogen. Die wichtigste: Von 2002 bis 2009 sollten die jährlichen Rentensteigerungen jeweils um 0,5 Prozentpunkte niedriger ausfallen – insgesamt also vier Prozentpunkte Rentenverlust. Gegenwärtig sollen die letzten beiden Senkungen ausgesetzt und in die Zeit nach 2012 verschoben werden.

Anfangs der zweiten Amtszeit von SPD und Grünen, im Jahr 2003, erhielt der oberste Rentenkürzer der Republik – der Professor für Volkswirtschaft und einer der »Wirtschaftsweisen« Bert Rürup – vom Kanzler den Auftrag nachzurechnen, ob Riester die Rentenformel hinreichend bearbeitet hatte. Ergebnis: Riester – der als Minister abgelöst wurde; für Renten wurde Ursula Schmidt verantwortlich – habe sich verrechnet. Bis 2030 drohe, so Rürup, ein Beitrag zur Rentenversicherung von 24,2 Prozent. Die bisher festgelegte Höchstmarke von 22 Prozent werde um 1,1-Prozentpunkte für die Unternehmerseite überschritten. Zur weiteren Rentenkürzung wurde in die Rentenformel eine zusätzliche Kürzungsvariable implementiert: der »Nachhaltigskeitsfaktor«.

So wurde die Rentenformel zunächst beschädigt und dann zerstört. Im Resultat droht nun Altersarmut. Die ersten Wirkungen zeigten sich darin, daß die Realeinkommen der Rentner bis 2007 stärker beschnitten wurden als die der Beschäftigten. Dabei hätte es nach der zerstörten Rentenformel bereits 2004, 2005 und 2006 zu nominellen Rentenkürzungen kommen müssen. Den zusätzlichen Aufschrei der Rentner wollte sich »Rot-Grün« nicht antun. Mit einer »Rentenschutzklausel« wurde ein Absinken unter Null verhindert. Allerdings wurde jetzt noch ein »Nachholfaktor« an die Rentenformel »angeschraubt«. Die Rentenkürzungen sollen nachgeholt werden. Bis weit über das Jahr 2010 hinaus wird es zu keiner nennenswerten nominellen Rentenerhöhung mehr kommen. Praktisch, denn dann ist die Bundestagswahl 2009 gelaufen.

Um die Verschlechterungen in der Rente auszugleichen, wurden die Beschäftigten angehalten, sich mittels Riester-Rente privat abzusichern. Wer auch die durch Gesundheitsministerin Schmidt verursachten Verschlechterungen – den »Nachhaltigkeitsfaktor« – ausgleichen will, muß einen weiteren Teil des sauer verdienten Geldes in private Altersvorsorge investieren. Da hilft es wenig, daß der Staat Zuschüsse zahlt, die die Leistungen in Höhe von ungefähr einem Prozent aufbessern.

Mit diesen geseztlichen Regelungen wächst die Belastung für Beschäftigte auf 17 Prozent des Monatseinkommens, wenn ein Rentenniveau aus der Vor-Riester-Zeit erreicht werden soll! Diese zusätzlichen Belastungen müssen die Beschäftigten jedoch allein tragen, während die Unternehmer nie mehr als elf Prozent zahlen sollen. So wurde die Parität in der Finanzierung der Altersvorsorge aufgebrochen. Selbst Bismarck würde sich im Grabe drehen, möglicherweise sogar Adenauer – wegen einer sozialdemokratisch geführten Regierung!

Die Rentenpolitik der Linkspartei

Die Rentenpolitik der Linkspartei hat das Ziel, Altersarmut zu verhindern und die Lebensstandardsicherung zu erhalten. Im Kern geht es um fünf zentrale Punkte.

1. Reparatur der Rentenformel: Sie muß wiederhergestellt werden! Insbesondere müssen alle Kürzungsfaktoren unter Riester und Schmidt rückgängig gemacht werden. Für das Jahr 2030 wird dann voraussichtlich ein Beitrag von 28 Prozent erforderlich sein. Dies erscheint auf den ersten Blick viel. Bei paritätischer Finanzierung sparen die Beschäftigten jedoch. Sie müssen 14 Prozent und weitere 14 Prozent müssen die Unternehmer zahlen. Die Beschäftigten zahlen also drei Prozent weniger, die Unternehmer drei Prozent mehr. Selbst bei sehr niedrigen Steigerungsraten der Produktivität können die Unternehmer diese höhere Beitragsbelastung zahlen, verteilt auf 20 Jahre.

2. Erwerbstätigenversicherung: Wir brauchen die Erwerbstätigenversicherung, in die alle, auch die Selbständigen einzahlen. Dies wird zu einer Verbreiterung der Beitragszahlungen führen.

3. Keine Rente mit 67: Die Gewerkschaften wollen die Bundestagswahl 2009 zur Volksabstimmung über die Rente mit 67 machen. Die Partei Die Linke ist die einzige Partei, die eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit ablehnt. 65 Lebensjahre sollen das Limit für den Renteneintritt sein. Bei vorzeitigem gesundheitlichen Verschleiß soll es den abschlagsfreien Rentenbeginn mit 60 geben.

4. Solidarausgleich in der Rente und Grundsicherung: Auch nach Reparatur der Rentenformel wird es Menschen geben, die in ihrem Berufsleben zu niedrige Ansprüche auf eine ausreichende Rente erwerben konnten. Hier muß der Solidarausgleich verbessert werden. Zeiten, in der ein aktiv Beschäftigter wenig Geld verdient und nur niedrige Rentenbeiträge einzahlen konnte, müssen aufgewertet werden. Damit sinkt für Bezieher niedriger Einkommen das Risiko, im Alter auf eine Grundsicherung angewiesen zu sein. Die Grundsicherung muß materiell besser ausgestattet sein, und die Bezugsbedingungen müssen menschenwürdig gestaltet werden.

5. Angleichung der Ostrenten: Schließlich muß auch im Osten des Landes durch eine schnelle Angleichung des Rentenwerts Ost und eine Abschaffung der Ungerechtigkeiten bei der Rentenüberleitung Altersarmut zurückdrängen.

Das Programm »Gute Arbeit«

Die Renten hängen, wie bereits dargelegt, von den Einkommen der aktiv Beschäftigten ab. Mit der Wiederherstellung der Rentenformel ist gesichert, daß die Rentner an den Lebensstandard der Beschäftigten angekoppelt werden. Damit es allen besser geht, muß sichergestellt werden, daß die Beschäftigten steigende Reallöhne durchsetzen können. Und das heißt: Wir brauchen »Gute Arbeit«.

Schluß mit dem Lohndumping! Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn von acht Euro, der zügig auf zehn Euro gesteigert wird. Die Rahmenbedingungen für die Tarifpolitik müssen verbessert werden, damit in Zukunft mindestens der verteilungsneutrale Spielraum ausgeschöpft werden kann. Mit höheren Löhnen steigen auch die Beitragseinnahmen und die Renten. Häufige Arbeitslosigkeit, unsichere Jobs, Minijobs und Leiharbeit müssen zurückgedrängt werden, damit der Rentenfonds gestärkt wird.

»Gute Arbeit« ist auch deshalb notwendig, da prekäre Beschäftigungsformen für viele die individuellen Aussichten auf eine gute Rente beeinträchtigen. Die Zurückdrängung und Beseitigung prekärer Arbeitsverhältnisse und die Sicherung guter Löhne und Gehälter ist notwendig, damit später die Rente stimmt. Für alle! So kann der Personenkreis verkleinert werden, der später in der Rente nur die Grundsicherung erhalten würde.

»Gute Arbeit« meint mehr. Die Arbeitsbedingungen und der Grad des lebenslangen Verschleißes entscheiden darüber, wie unsere Lebensbedingungen im Alter aussehen. Und ob der Lebensabend überhaupt erreicht wird. Nicht umsonst haben die Gewerkschaften in den 80er Jahren auf Verkürzung der Wochenarbeitszeit gesetzt. Die 35-Stunden-Woche war und ist ein Beitrag zur Entlastung, ein Beitrag, damit die aktiv Beschäftigten im Alter noch fit sind. Daran muß wieder angeknüpft werden. Wir brauchen eine Umkehr des gegenwärtigen Trends zur Arbeitszeitverlängerung. Mehr noch, wir brauchen eine Verkürzung der Arbeitszeiten. Gerade auch, um mehr Zeit für Erholung zu gewinnen. Im ersten Schritt ist die Reform des Arbeitszeitgesetzes notwendig und die Begrenzung der höchstzulässigen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden. Perspektivisch muß das Ziel eine Obergrenze von 35 Stunden sein. Bei allen Schritten der Arbeitszeitverkürzung muß ein voller Lohnausgleich gesichert werden. Die Mitbestimmungsrechte von Personal- und Betriebsräten sind vor allem im Hinblick auf erzwingbare Personal- und Stellenpläne zu erweitern. So ist zu erreichen, daß die Verkürzung der Wochenarbeitszeit zu mehr Beschäftigung führt und der Leistungsdruck nicht weiter ansteigt. Auch dies ist gerade für die Situation im Alter wichtig.

Systemfrage von rechts

Es droht nicht nur Altersarmut. Wenn in absehbarer Zeit keine Umkehr der gegenwärtigen Rentenpolitik möglich sein sollte, ist das System der gesetzlichen und solidarischen Rente insgesamt bedroht.

Viele Menschen zweifeln ohnehin schon an der Rente. Die Riester-»Reform« schafft Mißtrauen und nicht Vertrauen. Zugleich läuft seit Jahren eine mediale Offensive, allen voran geschürt von Bild. Es droht eine Legitimationskrise. Millionen Beschäftigte, die weniger als 2000 Euro brutto im Monat verdienen, werden sich fragen, weshalb sie noch Beiträge zur Rentenversicherung einzahlen.

Die neoliberalen Strategen – seit den 80er Jahren gehören hierzu unter anderem Meinhard Miegel und Kurt Biedenkopf – haben genau diese Legitimationskrise auf ihrer Agenda. Die »Reformen« der letzten sieben Jahre waren für sie nur der erste Akt: »Mit dem Rentenreformgesetz 2001 wurde eine Entwicklung eingeleitet, die das bestehende Rentengebäude eines Tages zum Einsturz bringen dürfte«, schreibt Miegel in seinem Buch »Die deformierte Gesellschaft«.

Im Januar 2008 tobte eine durch das ARD-Magazin Monitor angestoßene Debatte um die Anrechnung von Riester-Renten auf die Grundsicherung im Alter. Eine noch radikalere Forderung vertrat Professor Rürup. Er wärmte die Forderung nach einer steuerfinanzierten Grundrente knapp über Sozialhilfeniveau wieder auf, auf die Einkünfte aus privater Vorsorge nicht angerechnet werden.

Damit wird die Systemfrage von rechts gestellt. Das kollektive System wäre beendet, das immer darauf abzielte, den ehemaligen Beschäftigten einen Lebensabend zu sichern, der an den Lebensstandard anschließt, der während der Arbeitsphase erworben wurde.

Lebensstandardsicherung gäbe es dann nur noch durch private Absicherung. Und das ist genau das Ziel der neoliberalen Strategen. Grundrente ist keine Wohltat für die Menschen. Grundrente ist der Hebel zur neoliberalen Privatisierung der Altersvorsorge! Deshalb ist es auch kein Wunder, daß all die Professoren- und Beraterbataillone von Banken und Versicherungen gesponsert werden. Denn um ihr Geschäft geht es! Die Milliarden aus der Riester-Rente sind nur der Appetitanreger.

Bei der Auseinandersetzung um die Zukunft der Rente geht es auch darum, ob dem Kapital die Landnahme im Bereich der Altersvorsorge gelingt. Private Altersvorsorge gibt es bisher vor allem in den angelsächsischen Ländern ohne ausgebaute Sozialversicherungen. Riesige Vermögen werden so angesammelt. Sie fließen in sogenannten Pensionsfonds zusammen, die nach Anlagemöglichkeiten mit hohen Renditen suchen.

Die Finanzmärkte werden immer mehr aufgebläht, wenn die Menschen durch eine verfehlte Rentenpolitik immer mehr in die private Alterssicherung gedrängt werden. Sie müssen sparen, ihr Geld in Fonds anlegen oder Versicherungen abschließen. Allein ein Viertel des weltweit angelegten Vermögens steckte 2005 in Pensionsfonds, das sind über 20 Billionen US-Dollar. Ob es tatsächlich zu den erwarteten Rentenauszahlungen kommen wird, bleibt ungewiß. So ungewiß wie die Entwicklung auf den Finanzmärkten. Gewiß ist aber, daß die Pensionsfonds ihre Gelder anlegen müssen. Vielleicht genau in jene Hedgefonds oder Private-Equity-Fonds, die gerade die Arbeitsplätze der künftigen Pensionäre zwecks Gewinnsteigerung vernichten.


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