Hört die Signale

ÖFFENTLICHER DIENST - Der Staat hat Angst vor einem Streik gezeigt, die Sympathien der Bevölkerung für Arbeitskämpfe sind gewachsen

04.04.2008 / Von Michael Jäger, Freitag 14/2008


Drei Jahre lang hatte sich Verdi mit Einmalzahlungen für die Angestellten des Bundes und der Kommunen begnügt. Diesmal wurden acht Prozent mehr Einkommen angepeilt, denn der "Aufschwung" ließ es zu, die Staatskassen waren voller geworden. Doch vom Staat erwarten die Unternehmerverbände, dass er Signale setzt: geringe oder gar keine Lohnerhöhung, mehr Arbeitszeit, Härte im Tarifkampf. Das gehört gleichsam zur Pflege des Marktrahmens. Der Staat konnte indessen nicht, wie er sollte und wollte.

Nach der Einigung am Montag steigen die Löhne und Gehälter in diesem Jahr um 3,1, im nächsten um weitere 2,8 Prozent, zusätzlich 2008 um 50 Euro monatlich und 2009 noch einmal einmalig um 225 Euro. Verdi rechnet vor, dass damit das angepeilte Ziel von acht Prozent nahezu erreicht sei. Der Staat hatte ursprünglich fünf Prozent angeboten - dieses Geiz-Signal ertönte schon einmal nicht. Eine Erhöhung der Arbeitszeit um eine halbe Stunde auf 39 Wochenstunden konnte er immerhin durchsetzen. Allerdings hatten es anderthalb Stunden sein sollen, und noch der Schlichterspruch sah eine volle Stunde vor.

Wie es dem Schlichterspruch erging, war ein Staatssignal der ganz ungewöhnlichen Art. Es fing damit an, dass die beiden Schlichter, auf staatlicher Seite der frühere Ministerpräsident Späth und für die Gewerkschaft der frühere Bürgermeister Schmalstieg, ihre Uneinigkeit demonstrierten. Nur weil Späth an jenem Donnerstag turnusmäßig die Schlichtungskommission leitete und somit, anders als Schmalstieg, auch stimmberechtigt war, kam überhaupt eine Mehrheit von 13 zu 12 für den Spruch zustande. Er verdiente seinen Namen nicht, denn da war nichts geschlichtet worden. Man mochte zunächst glauben, hier habe die staatliche Kommissionshälfte das Signal der Härte zu setzen begonnen. Aber unter Verdis Drohung, am Dienstag die Urabstimmung zum Streik einzuleiten, wurde weiterverhandelt, und am Montag hatte der Staat eingelenkt. Danach rechtfertigten sich Bundesinnenminister Schäuble und der Präsident der kommunalen Arbeitgeberverbände, Böhle, mit den Worten, immerhin sei durch den Abschluss der Streik abgewendet. Und das ist erst die Botschaft, die der Staat im Arbeitskampf unfreiwillig vermittelt.

Seine Furcht vor dem Streik werden alle Gewerkschaften zur Kenntnis nehmen, nach den Gründen fragen und die strategischen Schlüsse ziehen. Ein Grund liegt auf der Hand: Die Streikbereitschaft ist gewachsen. Damit ist nicht nur der Staat konfrontiert. Streik ist zur Zeit keine leere Drohung. Der Arbeitskampf der Lokführer hat allen gezeigt, dass man mit Entschiedenheit etwas erreichen kann. Was die Gewerkschaft Verdi angeht, hatte man von Anfang an den Eindruck, sie habe sich von den Lokführern ermutigen lassen. Dass zum Beispiel der Berliner öffentliche Verkehr zwei Wochen lang bestreikt wird, passiert nicht alle Jahre. Es gibt Anzeichen, dass auch die Berliner Öffentliche Hand nach dem bundesweiten Tarifabschluss bald einlenken könnte. Im Bereich der Post haben Warnstreiks begonnen.

Das Signal hat also diesmal die Gewerkschaft gesetzt. Was es hören lässt, ist nicht, dass Verdi im Fordern und Gewinnen einen Riesenerfolg vorzuweisen habe. Eine Gewerkschaft kann immer nur versuchen, mit großem Kampfaufwand ein gerade noch zumutbares Minimum zu sichern. Sie kann unsinnige Verschlechterungen, wie jetzt die längere Arbeitszeit, wenigstens in Grenzen halten.

Es ist aber ein wirklicher Erfolg, dass die Bevölkerung mit den Streikenden, auch wenn Bahnen und Busse still standen, eher sympathisiert hat. Offenbar haben viele über die Verteilung von Macht und Ohnmacht in dieser Gesellschaft nachgedacht. Der Stimmenzuwachs der Linkspartei ist nicht das einzige Anzeichen. Es gibt ja auch immer wieder Gelegenheit, zu lernen. Ausgerechnet am Tag der Tarifeinigung mit Verdi wurde bekannt, dass die Bahn Umsatz und Gewinn im vergangenen Jahr, dem Jahr des Arbeitskampfs, deutlich steigern konnte. Vor wenigen Wochen hieß es noch, die Fahrpreise müssten erhöht werden, weil die Einigung mit den Lokführern so teuer geworden sei.

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