Plädoyer für eine gute Serie

12.03.2008 / Von Lothar Bisky, Herausgeber des Neuen Deutschland

In Bremen fing es an. Wiesbaden und Hannover folgten. Mit Hamburg wurde es zur Serie: Die LINKE wird in die Parlamente der alten Bundesländer geschickt. Und während man in Bremen zur Feier des Tages noch den kratzenden Grammophon-Sound »Beim ersten Mal da tut’s noch weh...« auflegen konnte, knirscht es jetzt ganz gewaltig im politischen Gebälk. Das Abendland ist wieder bedroht. Hysterie ist eine schönfärberische Bezeichnung für das, was gerade in Orkanböen durchs Land zieht.

Schon in den letzten Tagen vor der Hamburg-Wahl wurde der Bundestag zur Vorstadt-Wahlkneipe: Eine Aktuelle Stunde, auf Antrag der FDP zur Aufmunitionierung aller antikommunistischen Bataillone angesetzt, sah ein absurdes Stück und half der FDP doch nicht in die Bürgerschaft. Auf der Anklagebank sitzen jetzt die Wählerinnen und Wähler, die sich für die LINKE entschieden haben. So war die Demokratie nicht gemeint, tönt unterschwellig der Chor der Super-Demokraten. Die CDU frohlockt: Beck ist in die selbstgebaute Ausgrenzungsgrube getappt.

Wer wählen darf, soll bitte schön auch »anständig« wählen, hört man. Und was anständig ist, legen immer noch die beiden großen Parteien fest. Wo kommen wir hin, wenn jeder wählt, wie er denkt? Zumwinkel ist rasch vergessen. Schon üben sich die Arbeitgeberverbände in klassenkämpferischer Pose. Die große Koalition hat den Nimmersatten noch nicht genug Milliardengeschenke vermacht. Da wird heftige Kritik geübt.

Die SPD ist mit innerparteilichen Auseinandersetzungen beschäftigt, zum Wohle Merkels. Der Weg nach Absurdistan ist nahe. Die Gretchen-Frage »Wie hältst Du es mit Agenda 2010 und Hartz IV?« wird ummanipuliert zu »Wie hältst Du es mit der Linken?« Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck hat ein bisschen Öffnung und Vernunft gewagt und bekräftigt nun wieder, was aktuell gar nicht zur Debatte steht: dass SPD und LINKE bundespolitisch wenig überein sind. In den Ländern werden Riegel gelockert und wieder vorgeschoben. Das ist wenig überzeugend.

Es stimmt, auch die LINKE hat programmatischen, strategischen Diskussionsbedarf. Sie wäre aber auf den Leim gegangen, wenn sie dem Ausgrenzungsmarsch der anderen Parteien brav folgen würde. Die SPD tanzt nach der Pfeife von CDU und CSU. Die LINKE könnte nichts Abenteuerlicheres veranstalten, als sich in diesen Eiertanz einzureihen. Geschichtsdebatte? Immer, aber darum geht es denen zuallerletzt. Sie schieben das nur als Lüge im zweiten Jahrzehnt vor sich her. Die LINKE antwortet am besten, indem sie verlässlich bei ihren Wahlaussagen bleibt. Dazu gehört das erkennbare Engagement gegen militärische Lösungen politischer und sozialer Probleme. Das Protektorat Kosovo unterstreicht das nachdrücklich, ebenso wie der andauernde Krieg in Afghanistan.

Wir leben längst in der Mediokratie. So wird eine Gesellschaft genannt, in der die Regeln der Medien die Regeln des Politischen dominieren. Man muss es nur durchhalten: Als Ersatz für Zumwinkel holen die Nachrichtenmacher der »Anständigen« die angeblichen SED-Milliarden aus dem Archiv. Trotz brutalstmöglicher Finanzaufklärung wurden zwar immer nur die Konten der Schwarzen gefunden, aber so macht man mit einer Lüge die Milliarden der Steuerflüchtlinge rasch vergessen.

Die Wahlen gehen weiter. Warum muss man sich auf Serien im Fernsehen beschränken? Was wäre, wenn nicht mehr Angstmacherei und Kalter Krieg Wahlkämpfe entscheiden, sondern Argumente und Vernunft? Erfolgreiche Serien setzen auf erkennbare Konstellationen und Protagonisten. Die LINKE ist vor allem durch das Engagement gegen Hartz IV und Auslandseinsätze der Bundeswehr entstanden. Die inhaltlichen Schwerpunkte sind mit dem Kampf für mehr soziale Gerechtigkeit konkret verbunden und mit Gregor Gysi und Oskar Lafontaine für die weiteren Serien-Folgen gut besetzt. Damit nimmt die LINKE ihre Verantwortung wahr – sowohl mit Protest als auch mit Gestaltung – aber immer in Opposition gegen die zunehmende soziale Spaltung unserer Gesellschaft.

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