Absoluter Quark

Milchproduktepreise und Hartz IV

08.08.2007 / Von Ingo Groepler-Roeser, Berliner Umschau

Da kann man einerseits den Sozialpolitikern danken dafür, dass sie die Steilvorlage der Preisabsprachen im Grundnahrungsmittelmarkt unter den Verkaufsketten aufgegriffen haben und gleichzeitig könnte man regelrecht saurer als Buttermilch werden, wenn man sich den daraus entstehenden Diskussionskäse genauer ansieht. Die Linke hat dem gemäß vollkommen recht.

Die Sozialpolitiker der Koalitionsparteien benehmen sich nun gerade so, als sei Hartz IV mit 347,00 Euro nicht mehr zeitgemäß. Das Thema Milchpreissteigerung wird deswegen gern und schnell dazu verwurstet, eine kleine Verbesserung ein- und damit von der generellen Debatte um den Hartz-IV-Unsinn mittelfristig wegzuführen.

Die Verbraucher steigen ein. Zunächst. Nach dem Steigen der Preise am 1. August stieg auch der Unmut, allein der Verkündung wegen. Doch es gibt billige Butter auch weiterhin. Billige Milch und kostengünstigen Käse bekommt man auch künftig bei den großen Ketten. Da fragt sich der Verbraucher doch: „Warum dann dieses Theater?" Und er hinterfragt die aufflammende Diskussion um die Erhöhung des ALG-II-Regelsatzes. Die Verbraucher müssen zweifellos zu dem Schluss kommen, dass entweder die Milch kaum spürbar teurer geworden (für einkommensstärkere Verbraucher ohnehin nicht) und der ‚gemeine Hartz-IV-Empfänger’ folglich nur vermessen ist. Eine geschickt lancierte politische Strategie also? So fern liegt der Verdacht nicht, wenn man bedenkt, wie emsig die Sozialpolitiker der großen Koalition und ihrer kleinen Bienchenparteien, der Grünen und der Liberalen auf den Rahm aufspringen.

Als könne man allein am Einkaufskorb das Bedürfnis eines Hartz-IV-Empfängers messen! Vollkommen ignoriert werden hierbei Familien, deren Kinder durch den Kindergeldbezug zwar scheinbar zusätzlich Mehreinnahmen der Bedarfsgemeinschaft bekämen, aber denen gleichzeitig das Kindergeld als bedarfsgemeinschaftliches Einkommen angerechnet wird. Heraus kommt, dass die Bezüge der Bedarfsgemeinschaft schändlich um diese Beträge gekürzt und Kinder praktisch fast ganz herausgerechnet werden. Dieser Verlust drückt sich aber nicht, wie hier hinterrücks und heuchlerisch vermittelt, in der Steigerung der Einkaufskosten von Milchprodukten um nur wenige und ohnehin kaum verkraftbare Prozent aus, sondern er fährt mitten in die ansonsten wenig diskutierten anderen Kosten der Bedarfsgemeinschaft: Strom (wird nicht immer und überall anstandslos übernommen), Kleidung (ohnehin mit bisher 32 Euro monatlich eklatant vernachlässigt*), für Bildung steht fast nichts zur Verfügung und soziale und kulturelle Aktivitäten sind bei diesem unwürdigen Regelsatz gänzlich ausgeschlossen.

Da kommt die Debatte gerade richtig, um noch vor der Bundestagswahl Almosen zu verteilen, die den sozialen Frieden als potemkinsches Dorf auf Plakate bannen.

In Sachsen sagt man nicht nur „Lügen haben kurze Beine“, sondern man hat weiter festgestellt: „Quark alleene macht krumme Beene.“

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* Quelle: Irene Becker 2006/ Hans-Böckler-Stiftung 2006

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