Berichtspflicht für multinationale Großkonzerne hat zu große Löcher

03.06.2021 / Axel Troost

Seit vielen Jahren ist gut belegt, dass multinationale Unternehmen ihre Steuern durch Gewinnverschiebungen in Steueroasen und andere Gestaltungen in großem Ausmaß drücken. Das ist in mehrerer Hinsicht ärgerlich: Sie nutzen die öffentliche Infrastruktur eines entwickelten Industriestaats (Rechtssicherheit, staatlich finanzierte Bildungs- und Forschungslandschaft, Verkehrsinfrastruktur etc.), zahlen im Gegenzug dafür aber Steuern wie in einer Bananenrepublik. Damit entgehen dem Staat nicht nur Steuergelder, die zum Aufrechterhalten und Ausbau seiner Leistungen gebraucht werden, sondern die multinationalen Großkonzerne haben auch unfaire Wettbewerbsvorteile gegenüber kleineren Unternehmen, die nur im Inland tätig sind. Manche der benutzten Praktiken sind illegal, viele aber sind legal oder finden in einer rechtlichen Grauzone statt. Ein Problem dabei ist, dass die Steuerbehörden und der Gesetzgeber in vielen Fällen überhaupt nicht durchblicken, wie ein Großkonzern seine Steuern so effektiv drückt. Transparenz ist auch bei den Unternehmenssteuern eine wichtige Vorbedingung für mehr Steuergerechtigkeit.

Seit Langem tritt DIE LINKE daher für die länderweise Offenlegung von Unternehmensdaten ein ("country-by-country-reporting"). Auf diese Weise wird ersichtlich, welche wirtschaftlichen Aktivitäten, Gewinne und Steuern in einem jedem Land vorliegen, in dem das Unternehmen tätig ist. Damit können die Behörden und die Parlamente Steuertricks und Schlupflöchern leichter auf die Schliche kommen und auch die Öffentlichkeit erfährt, welcher Konzern zwar richtig Kasse macht, gleichzeitig aber alles Mögliche unternimmt, um der Gesellschaft möglichst wenig davon abgeben zu müssen.

Entsprechende Offenlegungspflichten wurden vor einigen Jahren auf europäischer Ebene bereits in begrenztem Umfang für Banken und Rohstoffkonzerne eingeführt und seit Längerem auch für andere multinationale Großunternehmen verhandelt. Die Bundesregierung und speziell das Wirtschaftsministerium haben sich dabei mit falscher Rücksichtnahme auf deutsche Exportunternehmen immer wieder als Bremser erwiesen. Da bei Rechnungslegungsstandards aber auf EU-Ebene keine Einstimmigkeit erforderlich ist, konnte schließlich trotz der Enthaltung Deutschlands eine Ratsposition beschlossen werden und der Trilog zwischen Europäischem Parlament, Rat und Kommission begonnen werden.

Gestern kam es zu einer vorläufigen Einigung im Trilog. Was ein Durchbruch in der internationalen Unternehmensbesteuerung hätte werden können, ist leider nur ein schlechter Kompromiss. Dem Kompromiss fehlen aus mehreren Gründen die Zähne:

  • DIE LINKE hatte – wie auch das Europäische Parlament – eine Offenlegung für jedes einzelne Land gefordert. Tatsächlich gibt es nun aber einen geografisch sehr eingeschränkten Geltungsbereich: Die Unternehmen sollen ihre Daten nur für die EU-Staaten ausweisen müssen sowie für die Länder auf der Schwarzen und der Grauen Liste der EU zu Steueroasen. Die Unternehmensdaten zu allen anderen Staaten müssen nicht oder nur aggregiert offengelegt werden. Die Schwarze und die Graue Liste der EU sind jedoch so eng gefasst, dass wichtige Steueroasen wie die Bahamas, die Schweiz, Singapur oder die Kaimaninseln auf ihnen fehlen. Insgesamt sind weltweit 80 Prozent der Staaten von der länderspezifischen Berichtspflicht ausgenommen. Immerhin fallen EU-Steueroasen wie die Niederlande und Luxemburg zukünftig darunter.
  • Des Weiteren können Unternehmen mit Verweis auf Geschäftsgeheimnisse die Berichte um bis zu fünf Jahre zurückhalten. Entsprechende Gründe lassen sich schnell finden. Informationen zu Staaten, die auf den beiden Steueroasenlisten stehen, dürfen zwar nicht zurückgehalten werden. Diese Regelung ist aber relativ nutzlos, da diese Listen aktuell zu kurz und mehr als fragwürdig sind.
  • Schließlich soll die Meldepflicht nur für Unternehmen mit einem Jahresumsatz ab 750 Millionen Euro gelten. Dies schließt etwa 85 bis 90 Prozent der multinationalen Unternehmen aus.

Der Deal ist für die Staaten der EU daher ein schlechter Deal. Für Entwicklungsländer ist er eine Katastrophe. Mit ihren schwachen Verwaltungen wäre ein umfassendes Reporting ganz wichtig dafür gewesen, dass sie die vor Ort tätigen Konzerne effektiv besteuern können. Sie gehen nun leer aus – ein weiterer Sieg von Konzerninteressen über eine solidarische Weltwirtschaft.