Kurzkommentar zu Hans-Jürgen Urban, Transformation als Bewährungsprobe

19.07.2020 / Axel Troost

Hans-Jürgen Urban, Mitglied im geschäftsführenden Vorstand der IG Metall, hat vorab den bemerkenswerten Artikel „Transformation als Bewährungsprobe. Warum eine sozial-ökologische Reformallianz eine unverzichtbare, aber schwierige Angelegenheit bleibt“ veröffentlicht.

Im Abschnitt „Die Trias der sozial-ökologischen Transformation“ schlägt er für die gewerkschaftliche Debatte vor, dass „die Definition von Prüfkriterien sinnvoll sein (kann), die den Erfordernissen der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit zugleich genügen. Sie müssen sich bei der Unterscheidung akzeptabler und nicht akzeptabler Politikvorschläge bewähren. In diesem Sinne dürften Nachhaltigkeit, Beschäftigungssicherheit und (Verteilungs-)Gerechtigkeit Komponenten eines Zieldreiecks darstellen, das die Eckpunkte einer sozial-ökologischen Transformationsagenda definieren könnte.“[1]

Urbans Fazit des Artikels im Abschnitt „Lernprozesse als Bewährungsproben“ lautet: Welche Lehren könnten also aus der strukturellen Spannung zwischen Arbeits- und Naturinteressen in der kapitalistischen Transformation und den Erfahrungen mit dem Konflikt um die Umweltprämie gezogen werden? Auf jeden Fall, dass politische Allianzen in diesen gesellschaftlichen Settings fragile Angelegenheiten bleiben, die immer wieder vor harten Bewährungsproben stehen werden. Und zugleich, dass sie ein Mindestmaß an Bereitschaft zu wechselseitiger Anerkennung von Interessenlagen, Sichtweisen und Politikpräferenzen voraussetzt, sollen diese Bewährungsproben gemeistert werden.

Zweifelsohne müssen die Gewerkschaften zukünftig ihre Brücken-Forderungen zwischen Beschäftigung und Umwelt schärfer konturieren und härter auf ihre Tauglichkeit für eine sozialökologische Transformation hin prüfen. Der unverzichtbare ökologische Mehrwert muss belastbar nachgewiesen werden; die Instrumente zur Beschäftigungssicherung müssen konkretisiert und verbindlich gemacht werden; und der Verzicht auf anachronistische Manager-Boni, Dividendenausschüttungen und andere verteilungspolitische Zumutungen muss offensiv und eindeutig eingefordert werden. Der Eindruck eines klassenvergessenen krisen-korporatistischen Lobby-Bündnisses zwischen Kapital und Arbeit sollte so von Beginn an vermieden werden.

Aber auch die Kritiker*innen aus dem Öko-Lager sollten es sich nicht zu leicht machen. Auch sie sollten sich vor einer systematischen Unterbewertung der Beschäftigungs- und Einkommensinteressen der abhängig Arbeitenden hüten und die sozialen Zukunftsängste der Industriebeschäftigten ernst nehmen.

Gefragt ist also eine reflektierte Bündnis-Toleranz. Natürlich darf diese Toleranz das gemeinsame Ziel der sozial-ökologischen Transformation und des Übergangs zu einem neuen Wachstums- und Entwicklungsmodell nicht konterkarieren. Dann verlören die Allianzen Identität, Sinn und Berechtigung. Angesichts der notwendigen Gegenmacht, ohne die eine sozialökologische Transformation nicht gelingen kann, wäre das fatal.“

Bündnisse von Gewerkschaften, Sozialer und Umweltbewegung zur Formung einer starken hegemonialen außerparlamentarischen Kraft für einen sozial-ökologischen Umbau können auch aus meiner Überzeugung nur gelingen, wenn in kontinuierlichen Verständigungsprozessen diese Überlegungen von Hans-Jürgen Urban gegenseitige Berücksichtigungen finden.

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[1] Im Text geht es weiter: „Diese strategische Orientierung gilt auch für gewerkschaftliche Politik in und gegenüber der Automobilindustrie. Angesichts von »Diesel-Gate«, exorbitanten Manager-Boni, verschlafener E-Mobilität und milliardenschwerer Dividende-Ausschüttungen trotz Krise ist das öffentliche Ansehen der Automobilindustrie mit dem der Rüstungs- und Atomwirtschaft in den 1980er Jahren vergleichbar, also denkbar gering. Von einer anerkennungspolitischen »Selbstverzwergung« aufgrund eklatanter Managementfehler ist die Rede. Gegenargumente lassen sich kaum finden.“