Aktuelle Fragen und (linke) Antworten zu Bankenaufsicht und Geldpolitik

Von Axel Troost

12.03.2016 / 07.03.2016

1. Bedarf die Arbeit der Finanzmärkte Ihrer Ansicht nach weiterer grundsätzlicher Reformen und Regeln durch den Gesetzgeber? Wenn ja, welche sind Ihrer Einschätzung nach am Wichtigsten?

Es besteht weiterhin erheblicher Reformbedarf im Finanzsektor. Zwar sind als Lehre aus der Krise durchaus einige Reformen auf den Weg gebracht worden (z.B. Selbstbehalt bei Verbriefungen, Abwicklungsrichtlinie etc.), aber diese Reformen greifen viel zu kurz angesichts der Tiefe der Fehlentwicklungen auf dem Finanzsektor.

Das von der Bundesregierung vielfach propagierte Motto, dass in Zukunft die Steuerzahler nie wieder gezwungen sein sollten, für kriselnde Banken gerade stehen zu müssen, ist keineswegs erfüllt – und hier liegt eine der verbliebenen Herausforderungen: Die Finanzkrise hat die Banken im Durchschnitt noch größer statt kleiner gemacht und die Politik hat die Problematik des „too Big to Fail“ letztlich nicht entschärft. Die neu geschaffenen Abwicklungsinstrumente reichen hoffentlich für die Schieflage mittelgroßer Banken aus, aber einer Krise einer europäischen Großbank stehen wir nach wie vor ziemlich hilflos gegenüber – selbst wenn der Fonds planmäßig bis 2024 mit 55 Mrd. Euro aufgefüllt sein sollte. Die Großbanken müssen deshalb in kleinere Einheiten zerschlagen werden und das bislang weiterhin zulässige „Investment“-Banking muss nicht nur in eigene Institute abgespalten, sondern weitgehend unterbunden werden. Statt der bisherigen Praxis, als Bankenaufsicht und Gesetzgeber den Banken wegen zu riskanter oder kontraproduktiver Geschäftsmodelle und Finanzinstrumente immer mühsam hinterher regulieren zu müssen, schlagen wir eine Zulassungspflicht für Finanzinstrumente vor. Ein solcher „Finanz-TÜV“ würde Finanzinstrumenten nur dann eine Zulassung erteilen, wenn die Emittenten nachprüfbar darlegen, dass von den Finanzinstrumenten keine oder nur gut beherrschbare Risiken für die systemische Stabilität des Finanzsektors ausgehen und sie einen realwirtschaftlichen Nutzen stiften. Damit würde das Investment-Banking der Banken auf die wenigen, tatsächlich nützlichen Zubringerdienstleistungen für die Realwirtschaft zurechtgestutzt. Das würde zugleich eines der weiteren offenen Hauptprobleme im Finanzsektor lindern, nämlich die Existenz von Schattenbanken. Bestenfalls sollten Schattenbanken ganz wegreguliert werden, aber durch ein Verbot riskanter Finanzinstrumente mit hoher Hebelwirkungen geht von Hedge-Fonds bereits deutlich weniger Gefahr aus.

Alle nötigen Maßnahmen, die Finanzmärkte massiv zu entschlacken und riskante und spekulative Finanzinstrumente zurückzudrängen, werden aber nur dann Erfolg haben, wenn wir uns stärker der gesellschaftlichen Ungleichverteilung annehmen. Solange ganz wenige Personen auf anlagesuchendem Milliardenvermögen sitzen und sie dieses Geld mangels rentabler Investitionsaussichten statt in der Realwirtschaft lieber auf den Finanzmärkten anlegen, werden wir immer wieder dramatische Blasenbildungen und Bankenkrisen im Finanzsektor haben.

2. Halten Sie die Höhe der Staatsschulden des Bundes, derzeit ca. 1100 Milliarden Euro, für dauerhaft tragbar, auch in Anbetracht der jährlich zu schulternden Zinslast? Wenn nein, welche Optionen sehen Sie für eine Senkung dieser Schulden (gemeint ist nicht die Neuverschuldung, sondern die bestehenden Staatsschulden insgesamt)?

Ich halte die derzeitige Staatsverschuldung des Bundes für dauerhaft tragbar. Wegen der Nullzinsen tut die öffentliche Verschuldung in Deutschland derzeit überhaupt nicht weh. Und auch wenn das Zinsniveau einmal wieder ansteigen sollte, ist eine moderate Realverzinsung der derzeitigen Staatsschulden dauerhaft tragbar. Ich erwarte aber mittel- und langfristig ohnehin tendenziell niedrige Realzinsen. Wenn das stimmt und die Finanzmärkte instabil bleiben, dann sind Staatschuldpapiere ohnehin eine der wenigen wirklich sicheren Möglichkeiten für Banken, Versicherungen, Pensionsfonds und Privatpersonen, Geld längerfristig und risikoarm anzulegen.

3. Würden Sie es begrüßen, wenn öffentlich bekannt wäre, wer die vom Bund zu zahlenden Zinsen im Einzelnen erhält, oder soll die Zahlung besser weiterhin anonym gehandhabt werden?

Ich denke nicht, dass der Namen jedes einzelnen Gläubigers genannt werden muss, aber wir brauchen in jedem Fall mehr Transparenz. Wir müssten mindestens klarer wissen, wie sich die Staatsschuldtitel zwischen den Kleinsparern und Wohlhabenden verteilen und wie stark die Normalverdiener über private und betriebliche Alterssicherung sowie ihre Versichertenverträge von Staatsanleihen abhängig sind.

4. Halten Sie es für notwendig, dass die Schöpfung neuen Geldes vollständig in öffentlicher Hand (EZB) ist?

Oder sollten auch private Banken neues Geld erzeugen dürfen? Ich finde die derzeit laufenden Debatten über Vollgeld, 100-Prozent-Geld, Helicopter Money etc. sehr wichtig, denn den meisten Menschen ist die Machtposition der Geschäftsbanken, Giralgeld weitgehend unabhängig von der Zentralbank schaffen zu können, nicht bewusst. Wir müssen offen über die volkswirtschaftlichen Vor- und Nachteile dieses Privilegs reden. Als LINKE streben wir ein vergesellschaftetes Bankensystem an, das wir uns im Wesentlichen als Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Sparkassenwesens und der genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken vorstellen. In einem solchen stark mit der Realwirtschaft verzahnten und auf diese ausgerichteten Bankensystem ist eine eigenständige Geldschöpfung durch die Banken weniger problematisch. Sehr viel schwieriger aber lässt sich gesellschaftlich begründen, warum große private Geschäftsbanken ebenso über dieses Privileg verfügen sollten, wenn sie ihre Hauptaktivitäten gerade nicht bei der Kreditversorgung der Realwirtschaft und im normalen Zahlungsverkehr, sondern im Investment-Banking und durch Spekulation auf den Finanzmärkten entwickeln.

Generell schränkt der längerfristige Trend einer Absenkung des Zinsniveaus in OECDLändern den Spielraum der Leitzinspolitik der Zentralbank deutlich ein. Es erscheint mir daher notwendig, über andere Instrumente der Geldpolitik offensiv nachzudenken. Die Geldschöpfung wieder mehr oder gar vollständig zurück in die Hände der Zentralbanken zu legen erscheint mir dabei diskussionswürdig.

5. Wer erzeugt Ihrer Kenntnis nach heute, ganz grundsätzlich, neues Geld in der Eurozone?

Derzeit teilen sich diese Funktion die Zentralbank und die Geschäftsbanken. Zwar kann nur die Zentralbank Zentralbankgeld bereitstellen, auf welches die Geschäftsbanken zu Refinanzierung und Liquiditätssicherung angewiesen sind. Aber wieviel Giralgeld die Geschäftsbanken darüber hinaus selbst schöpfen und wofür sie es verwenden wird aktuell von der Zentralbank mit Instrumenten wie z.B. der Mindestreserve nur begrenzt beeinflusst.

6. Sollten Zentralbanken Ihrer Ansicht nach politisch unabhängig sein? Wenn ja, weshalb?

Wer für die Geldpolitik zuständig ist, sollte neben einem klaren politischen Auftrag auch die dafür notwendigen Kompetenzen haben.

Mir wäre daher zuallererst wichtig, dass wir über die Ziele der Geldpolitik reden und dass diese Ziele in demokratisch legitimierter Form festgelegt und ihre Beachtung kontrolliert werden. Gemessen an ihrem politisch festgeschriebenen, aus meiner Sicht viel zu engen und verkürzten Ziel der Geldwertstabilität hat die EZB geldpolitisch eine inhaltlich richtige, politisch pragmatische und technisch originelle Arbeit geleistet. Das kann man leider von ihrer Rolle in der Troika nicht sagen, die jedoch getrennt davon kritisiert werden sollte. Die EZB war – auch wenn ich das nur ungern zugebe – gerade wegen ihrer politischen Unabhängigkeit als einzige europäische Institution in der Lage, der Dynamik der Euro-Krise und der Macht der Finanzmärkte entschlossen entgegenzutreten. Die Regierungen waren und sind viel zu zerstritten und die nationalen Egoismen viel zu groß, als dass der Europäische Rat die Leitlinien der Geldpolitik hätte vorgeben können. Wäre die EZB in ihrer Geldpolitik in der Krise auf Entscheidungen z.B. des EcoFin angewiesen gewesen, wäre der Euro schon längst tot. Das ist aber kein unbedingtes Votum für Unabhängigkeit. Ich könnte mir z.B. sehr gut vorstellen, dass in nicht allzu ferner Zukunft z.B. ein geldpolitischer Ausschuss des Europaparlaments durchaus über die Ziele der Geldpolitik der Euro-Zone mitbestimmen könnte. Eine solche Entscheidung hätte dann natürlich eine sehr viel größere demokratische Legitimation. Zuallererst ist aber wichtig, die Ziele der Geldpolitik über die Preisstabilität hinaus zu erweitern, und zwar ganzheitlicher in Richtung Wachstum, Beschäftigung und Finanzstabilität zu definieren und damit der Geldpolitik mehr Spielräume zuzugestehen. Und diese Erweiterung der geldpolitischen Ziele kann nur die Politik beschließen, in dieser Frage ist die EZB zurecht völlig machtlos.

7. Sollten Zentralbanken auch unabhängig vom Einfluss privater Banken sein?

Natürlich. Zentralbanken dürfen und müssen Einfluss auf die Geschäftsbanken und andere Finanzmarktakteure haben, aber nicht umgekehrt. Schon gar nicht dürfen sie sich von deren Macht- und Gewinninteressen beeinflussen lassen. Allerdings können sie ihre Geldpolitik auch nur im Zusammenspiel mit den anderen Akteuren im Finanzsystem, vor allem eben Geschäftsbanken, erfüllen. Hier entsteht natürlich ein Zielkonflikt, wenn die Zentralbank sieht, dass ihre geldpolitischen Prioritäten die Stabilität des Geldund Finanzsystems negativ beeinflussen. Schlechtverdienende Banken sind mittelfristig auch immer instabile Banken. Deswegen muss man aufpassen, dass die Zentralbank ihre Funktion nicht versehentlich darin sieht, den Banken möglichst gute Geschäfte zu ermöglichen. Auch deswegen hätte man die Bankenaufsicht nicht bei der EZB ansiedeln sollen.

8. Halten Sie es für richtig, dass die internationalen Bilanzregeln IFRS, nach denen die Geschäftsabschlüsse der großen Banken und Aktiengesellschaften insgesamt heute erstellt und geprüft werden, von einer privaten Instanz (IASB und IFRS-Stiftung) geschaffen und kontrolliert werden?

Ich halte das für sehr fragwürdig. Natürlich ist Rechnungslegung zunächst oberflächlich eine sehr technische Materie und ohne die Einbeziehung vielerlei Fachkompetenz geht es nicht. Aber wir kommen ja auch nicht auf die Idee, die Sicherheitsstandards in Atomkraftwerken einfach nur von der Atom-Lobby festlegen zu lassen. Die ganze Misere mit den nicht-bilanzierten Zweckgesellschaften als wichtigem Auslöser der Bankenkrise ist letztlich Ausdruck des Totalversagens der Bilanzierungsstandards. Unter anderem sogenannte „Eventualverbindlichkeiten“ gehören eben nicht nur in den Anhang des Geschäftsberichts, sondern gehören im Konzernabschluss konsolidiert (also eingerechnet). Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie gefährlich es ist, die Festlegung von Rechnungslegungsstandards den vermeintlich neutralen Experten zu überlassen.

9. Dem „Basel III“-Regelwerk folgend lässt sich die Kreditvergabe der Banken durch eine Eigenkapitalquote begrenzen. Das scheint praktisch aber nicht zu funktionieren, da Kredite per neu geschöpftem Geld vergeben werden und das benötigte Eigenkapital auch im Nachgang der Kreditvergabe beschafft werden kann – bei Zentralbanken, die sich solchen Wünschen der Banken in der Praxis nicht widersetzen. Die Barclays Bank hat sich das Geld für eine in Großbritannien gesetzlich vorgeschriebene Eigenkapitalerhöhung im Jahr 2008 offenbar sogar selbst hergestellt – per Kreditvergabe an Investoren, die mit diesem Geld dann neu ausgegebene Aktien der Bank erwarben.[1] Ist in Bezug auf die Eigenkapitalquote als Steuerinstrument hier vielleicht ein Umdenken nötig, da die Praxis die Theorie konterkariert?

Das von Ihnen geschilderte Beispiel ist ein klassisches Gestaltungsmodell: um eine gesetzliche Beschränkung zu umgehen, wird bewusst drum herum getrickst. Dabei ist den Handelnden bewusst, dass sie gegen die Intention der gesetzlichen Regelung handeln. Gestaltungsmodelle – zumindest im Steuerrecht – sind aber Missbrauch und daher steuerpolitisch unwirksam, wenn man den Handelnden den Vorsatz nachweisen kann. Das ist leider nicht immer leicht, aber so ist das nun mal bei der rechtsstaatlichen Durchsetzung von Gesetzen. Das Beispiel Barclays spricht daher keineswegs gegen, sondern für harte Regulierungen bei der Eigenkapitalunterlegung. Wir schaffen ja auch nicht die Steuerpflichten ab, nur weil es immer wieder Leute gibt, die sich sehr darum bemühen, diese Pflichten zu umgehen. Grundsätzlich ist es so, dass erstmal das gesetzlich vorgeschriebene Eigenkapital vorhanden sein muss, um einen Kredit zu vergeben. Dass sich durch diese Maßnahme die Kreditvergabe für eine Bank und damit auch für die Unternehmen verteuert, also eine Zielkonflikt zwischen Effizienz und die Stabilität gegeben ist, steht auf einem anderen Blatt. Einen Teil des Kredits seitens des Schuldners erst nach der Kreditvergabe als Eigenkapital wieder einzubringen, erfüllt nicht die gesetzlichen Eigenkapitalanforderungen zum Zeitpunkt der Kreditvergabe.

10. Das Geld auf Girokonten ist rechtlich gesehen ein Kredit der Kunden an die Bank – Stichwort Gläubigerhaftung bei der Bankenkrise auf Zypern 2013.[2] Kunden wollen aber in der Regel Ihrer Bank keinen Kredit geben, sondern Geld auf einem Girokonto sicher und ohne Risiko aufbewahren. Halten Sie hier evtl. rechtliche Änderungen für nötig, im Interesse eines stabilen Geldsystems und des öffentlichen Vertrauens darin?

Auch wenn Einlagen eine Verbindlichkeit der Bank gegenüber ihren Kunden sind, sind die Einlagen dennoch durch die Einlagensicherung und die Beistandspflicht der Zentralbank im Falle eines Bank-Runs geschützt. Faktisch steht also bereits heute die Zentralbank dafür gerade und ein Giroguthaben ist damit näher am gesetzlichen Zahlungsmittel (Bargeld) als an einer reinen Geldforderung. Bislang habe ich auch nicht den Eindruck, dass die Einleger mangelndes Vertrauen in die Geldqualität ihrer Giroguthaben und Bankeinlagen haben.

11. Wie ist Ihre Position in der aktuellen Debatte um das Bargeld? Kann man Ihrer Ansicht nach darauf verzichten? Wenn nein, weshalb nicht?

Bargeld muss es weiterhin geben, sowohl aus Gründen der Privatsphäre wie auch der Praktikabilität. Ich finde es falsch, dass der Vorschlag für eine Begrenzung von Barzahlungen und auf mittelgroße Geldscheine gleich als Angriff auf das Bargeld an sich weitergedacht wird. Denn Barzahlungsgrenzen gegen Geldwäsche etc. gibt es in den meisten Ländern und davon ist die Welt bislang nicht untergegangen.

12. Die Bundesbank sagt: „Als gesetzliches Zahlungsmittel bezeichnet man das Zahlungsmittel, das niemand zur Erfüllung einer Geldforderung ablehnen kann, ohne rechtliche Nachteile zu erleiden. Im Euroraum ist Euro-Bargeld das gesetzliche Zahlungsmittel (…) In Deutschland sind auf Euro lautende Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.“[3] Halten Sie es vor diesem Hintergrund für rechtlich einwandfrei, dass einige staatliche Steuern in Deutschland, z.B. die Einkommensteuer, nicht mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel (Bargeld), sondern ausschließlich mit Giralgeld bezahlt werden dürfen? Falls ja, wie lässt sich dieser Widerspruch Ihrer Ansicht nach rechtfertigen?

Ob etwas dem Gesetz entspricht, überlasse ich in der Bewertung vorzugsweise den Juristen. Über die Intention des Gesetzes selbst muss ich mir als Abgeordneter aber natürlich eine Meinung bilden. Und die Intention ist richtig, dass ich als Inhaber von Euro-Bargeld erwarten können muss, dass dieses Geld auch akzeptiert wird. Von daher finde ich es wenig plausibel, dass ein Finanzamt eine Barzahlung grundsätzlich ablehnen darf. Ich gehe mal davon aus, dass sich mit dieser Frage bereits einige Gerichte befassen oder es sogar erste Urteile gibt. Wenn das letztinstanzlich geregelt ist, sollten wir als Gesetzgeber über Nachbesserungsbedarf reden.

[1] www.sciencedirect.com
[2] www.heise.de
[3] www.bundesbank.de