Finanzmärkte und Deutsche Bank: Mehr Konsequenz gegen schädliche Geschäfte

Bundestagsrede von Axel Troost, am 18.02.2016 zur ersten Lesung des 1. Finanzmarktnovellierungsgesetz,

19.02.2016 / linksfraktion.de, 18.02.2016

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn der Bundestag europäische Richtlinien umsetzt, ist die Zeit häufig schon darüber hinweggeschritten. Doch jetzt holen uns die Entwicklungen an den Finanzmärkten wieder ein.

Nach wie vor wabern Unmengen von Geldern frei um den Globus, mal hierhin, mal dorthin. Keiner weiß, wohin die Reise geht. Innerhalb weniger Wochen ist der DAX drastisch eingebrochen, und die mit Abstand größten Abstürze gab es bei den Bankaktien. Das hat natürlich auch reale Folgen. Schon rufen die ersten Bankvorstände wieder nach Hilfen von der EZB. Nach jahrelanger Deregulierung und seit 2009 etlichen Gegenmaßnahmen müssen wir feststellen, dass wir den Tiger immer noch nicht reiten können. Zu oft wurden hier Gesetze aufgelegt, die ich hier an dieser Stelle immer nur mit dem Ausdruck „zu spät und zu wenig“ gekennzeichnet habe.

In dem vorliegenden Gesetzentwurf geht es unter anderem um Maßnahmen gegen Marktmissbrauch, es geht zum Beispiel um Insidergeschäfte und Manipulationen von Kursen. Von diesen kriminellen Praktiken sehen wir immer mehr, aber wir sehen immer auch nur die Spitze des Eisberges. Nur in einigen Fällen werden die betrügerischen Praktiken überhaupt aufgedeckt. Ich finde dabei den Umgang mit dem Hochfrequenzhandel, der von den neuen Regelungen erfasst wird, symptomatisch.

Der Handel mit Wertpapieren, die in Bruchteilen von Sekunden gekauft und verkauft werden, macht in manchen Marktsegmenten mehr als 40 Prozent des gesamten Handelsvolumens aus. Solange aber einem Händler seine schädlichen Praktiken nicht nachgewiesen werden können, ist grundsätzlich jedes Geschäft erlaubt. Volkswirtschaftlich gibt es jedoch überhaupt keinen Grund, Finanzprodukte in Sekundenbruchteilen kaufen und verkaufen zu müssen und dafür immer wieder Kollateralschäden in Kauf zu nehmen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Gleiche gilt für die Zulassung von Finanzprodukten. Auch hier können Anlegern die irrsinnigsten Finanzprodukte aufgeschwatzt werden, solange anschließend die Dokumentationspflicht ordentlich erfüllt wird. Das ist dann die gelobte unternehmerische Freiheit mit dem Ergebnis, dass Einzelne und der gesamtwirtschaftliche Nutzen dabei auf der Strecke bleiben.

Jetzt möchte ich noch einige Ausführungen zur aktuellen Situation machen. Der Kollege Schneider und auch der Kollege Schick haben die Situation um die Deutsche Bank angesprochen.

Ich bin vor einigen Monaten scharf kritisiert worden, weil ich hier in einer Rede die Deutsche Bank als möglicherweise kriminellste Bank der Welt bezeichnet habe. Ich habe seitdem - zusammen mit dem Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages - gründliche Recherchen unternommen. Das Ergebnispapier kann man auf meiner Internetseite oder auch auf den NachDenkSeiten nachlesen.

Es gibt - um nur einiges daraus anzuführen - derzeit etwa 6 000 Verfahren gegen die Deutsche Bank, darunter - jetzt muss ich ablesen - Handel mit US-Hypothekenramsch, Umsatzsteuerbetrug, Beihilfe zur Steuerhinterziehung, Insolvenz der Kirch-Gruppe, grob fehlerhafte Anlageberatung bei Zinswetten, betrügerische Cum-ex-Geschäfte, Manipulation von Devisenkursen, US-Staatsanleihen, Preisen von Edelmetallen und Manipulation von Referenzgrößen wie Libor und Euribor, Korrumpierung ausländischer Politiker, Geldwäsche und Sanktionsverstöße und noch einiges mehr. Alles, wie gesagt, recherchiert und nachlesbar.

Bei den dabei verhängten Strafen nimmt die Deutsche Bank weltweit zugegebenermaßen nur den zehnten Platz ein. In der Euro-Zone ist sie aber mit deutlichem Abstand als Spitzenreiter auf Platz eins, was kriminelle Aktivitäten angeht, und das nicht nur in absoluten Zahlen, was die Strafzahlungen angeht, sondern auch in Relation zur jeweiligen Bilanzsumme.

Aber es geht mir nicht in erster Linie um das Strafregister eines einzelnen Unternehmens. Es geht mir um Systemversagen.

Der Kongress in Washington hat unermüdlich zahlreiche solcher Vergehen in diversen Ausschüssen aufgearbeitet, und zwar öffentlich. Bei uns im Bundestag findet so etwas überhaupt nicht statt. Der Kollege Schick und ich wissen, wovon wir in dieser Frage reden.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt steht die Deutsche Bank von allen Seiten unter Druck: von Investoren, Kunden und Gerichten. Von der Gefahr einer Pleite zu reden, wäre sicherlich unverantwortlich. Aber wer weiß, welche Milliardenstrafen noch kommen? Wer kann genau sagen, welche Gefahren von den 52 Billionen Euro an Derivaten ausgehen, die die Deutsche Bank in ihren Büchern hat? Niemand in diesem Hause kann behaupten, dass die Wahrscheinlichkeit einer Pleite bei null liegt.

(Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU): Genau!)

In den letzten Jahren haben wir uns viel mit der Rettung und Abwicklung von Banken beschäftigt und dazu auch vieles verabschiedet. Aber wir waren uns alle immer einig, dass alle diese Maßnahmen nicht tragfähig sind, wenn es um ein Rieseninstitut wie die Deutsche Bank geht.

(Beifall bei der LINKEN)

Das geisterte immer mehr als Schreckgespenst durch die Debatte. Jetzt sollten wir uns diesem Schreckgespenst endlich stellen. Wir sollten unser Bankensystem mit Sparkassen und Genossenschaftsbanken vernünftig weiterentwickeln. Aber die riesigen Bankkonzerne müssen eingedampft und verkleinert werden. Solange das nicht passiert ist, sind wir mit der Bankenregulierung noch lange nicht am Ende.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)