Grexit-Schwachsinn

Von Egbert Scheunemann

12.07.2015 / www.egbert-scheunemann.de, 12.07.2015

Liebe politisch Interessierte,

Denk- und Moralfähige sind seit langer, langer Zeit sprach- und fassungslos über das, was die geisteskranke neoliberale Kaputtsparpolitik, aufgeherrscht von IWF, EZB, EU und in dieser speziell von Großdeutschland, in Griechenland an wirtschaftlichen und sozialen Verheerungen angerichtet hat. Diese Politik soll nicht nur fortgesetzt werden - jetzt wird auch noch ein Grexit (auf Zeit) ins Spiel gebracht. Und zwar nicht von irgendeinem Idioten, sondern von einem mit großer Macht. Die verheerenden Folgen, die ein Grexit zeitigen würde, habe ich in meinem Buch "Griechenland als Exempel" kurz und knapp zusammengefasst. Hier finden Sie diese sechs Punkte als Kommentar zur neuesten Meldung in der "Chronik des (nicht nur) neoliberalen Irrsinns":

„Der Streit ums Schäuble-Papier. Das Papier ist nur eine Seite lang, birgt aber dennoch viel Sprengstoff. Vor den Verhandlungen der Eurogruppe hat Finanzminister Schäuble einen „Grexit auf Zeit“ ins Spiel gebracht.“ (www.tagesschau.de; 12. Juli 2015)

(Der Finanzminister der hegemonialen EU-Macht Deutschland offenbart endgültig, dass er von volkswirtschaftlichen Zusammenhängen so viel Ahnung hat wie eine schwäbische Hausfrau, dem intellektuellen Vorbild seiner Kanzlerin. Um mir etwas Arbeit zu sparen, erlaube ich mir, aus meinem Buch „Griechenland als Exempel“ die Stelle zu zitieren, die die Folgen des Grexit-Schwachsinns kurz und knapp auf den Punkt bringt, besser gesagt: in sechs Punkten zusammenfasst:

  • 1. „Die internationale Devisenspekulation hat es zeitweise geschafft, Druck auf die Währung der drittgrößten Wirtschaftsmacht der Welt auszuüben: den Euro als Währung der 18 Länder des Euroraums (die größte Wirtschaftsmacht ist die gesamte EU (EU-28) gefolgt von den USA). Was würde die internationale Devisenspekulation wohl mit der Währung eines Landes machen, das weniger Einwohner zählt und eine weit geringere Wirtschaftskraft hat als auch nur NordrheinWestfalen? Wenn es im Interesse dieser Spekulanten läge, würden sie die Drachme zerdrücken wie einen Wurm!
  • 2. Würde die Drachme nach ihrer Einführung beispielsweise um 50 Prozent abgewertet werden – die griechischen Auslandsschulden würden sich schlagartig verdoppeln! Die müssten nämlich weiterhin in Euro (oder Dollar) bezahlt werden! Auch alle Importpreise – für Energieträger, für Rohstoffe, für Investitionsgüter etc. – würden sich schlagartig verdoppeln! Das wäre endgültig verheerend für die so und so schon hochgradig verheerte griechische Wirtschaft!
  • 3. Und welchen Ländern hätte denn in der 2008 ausgebrochenen internationalen Finanzmarkt- und Bankenkrise die eigene Währung genutzt? Sind Großbritannien oder Japan besser gefahren als – im Schnitt – die Eurozone? Oder gar die USA, die die Weltwährung Nr. 1, den Dollar, selbst drucken können? Wäre mir nicht bekannt!
  • 4. Und nur kurz zur Erinnerung: Die vielfältigen historischen Versuche, Währungsverbünde, Währungsschlangen, feste Wechselkurse oder rigide überwachte Tunnel einzuführen, innerhalb derer Devisenkurse maximal schwanken durften, wurden doch gerade unternommen, um die zerstörerischen Wirkungen von Devi- 2 senspekulationen und Abwertungswettläufen zu dämpfen und nach Möglichkeit vollständig abzuschaffen. Nichts unterbindet den internationalen Handel mehr als heftig schwankende Wechselkurse, nichts macht ihn unsicherer!
  • 5. Das ‚Argument‘, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Volkswirtschaft durch die Abwertung einer wiedereingeführten Drachme zu steigern, macht vor allem klar, dass die, die es vorbringen, schlichtweg keine Ahnung von der Wirtschaftsstruktur Griechenlands haben. Um es am Verhältnis zwischen den ökonomischen Strukturen Griechenlands und denen Deutschlands zu verdeutlichen: Deutschland hat in den Bereichen, in denen Griechenland stark ist, nicht den Hauch einer Chance in Sachen Wettbewerbsfähigkeit! Wie könnte Deutschland gegen griechische Sonne, Strände und Inseln konkurrieren? Gegen griechisches Olivenöl, griechischen Schafskäse, griechische Feigen? Und wie könnte Griechenlands nicht vorhandene Autoindustrie gegen die deutsche konkurrieren? Wie gegen den deutschen Maschinenbau? Die Wirtschaftsstrukturen beider Länder sind grundverschieden! Nur etwas mehr als 20 Prozent des griechischen BIP werden im Industriesektor erwirtschaftet, in dem wiederum die Nahungsmittelindustrie einen sehr großen Stellenwert hat (bei der Weiterverarbeitung und Veredelung der Produkte des eigenen Agrarsektors). Über 70 Prozent des griechischen BIP werden hingegen im Dienstleistungssektor geschaffen, darunter vor allem die Bereiche Tourismus, Handel, Schifffahrt und Finanzdienstleistungen.
  • 6. Oder so gefragt: Würden Sie wesentlich mehr griechische Oliven essen, wären diese dreißig Prozent billiger? Wesentlich mehr griechischen Schafskäse genie- ßen, würde sein Preis um vierzig Prozent sinken? Wesentlich mehr griechisches Olivenöl verbrauchen, fiele sein Preis um fünfzig Prozent? Womöglich würden sie diese ‚Billigware‘ dann sogar eher im Regal stehen lassen...“ (Egbert Scheunemann: Griechenland als Exempel – oder als der Fluch des Neoliberalismus über die Menschen kam, Hamburg-Norderstedt 2014, S. 55-58) E.S.)"" Aus: www.egbert-scheunemann.de/Chronik-des-neoliberalen-Irrsinns-11.pdf Egbert Scheunemann,
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