Junckers Investitionsoffensive schon gescheitert?

Von Axel Troost

22.02.2015 / 22.02.2015

Im Dezember des letzten Jahres wurde von EU-Präsident Jean-Claude Juncker ein nach ihm benannter 315 Mrd. Euro schwerer Investitionsplan für Europa angekündigt, der gegen die Abwärtsspirale der europäischen Konjunktur und die hohe Arbeitslosigkeit wirken soll. Die Staats- und Regierungschefs der EU haben ihn im Grundsatz bereits gebilligt. Die Anerkennung der Notwendigkeit von zusätzlichen Investitionen trägt die Chance in sich, eine Bresche in die allgegenwärtige Austeritätspolitik zu schlagen. Mehr aber auch nicht, denn er ist viel zu gering dimensioniert und enthält kaum „frisches Geld“, sondern im Wesentlichen umgewidmete Mittel.

Dieses Projekt findet trotzdem Unterstützung. Nach Einschätzung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) könnte dadurch die hohe Arbeitslosigkeit in vielen EU-Mit­gliedsländern reduziert werden. 2,1 Millionen Arbeitsplätze könnten bis Mitte 2018 entstehen, wenn das Vorhaben konsequent umgesetzt werde, erklärte die ILO in einer Studie. Um den erwünschten Effekt zu erreichen, müsste der Juncker-Plan den am 22. Januar von der Europäischen Zentralbank (EZB) beschlossenen Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen in Höhe von 60 Mrd. Euro monatlich ergänzen, sagte ILO-Forschungschef Raymond Torres. Die UN-Sonderorganisation rief die Privatwirtschaft auf, diese Möglichkeiten für Investitionen zu nutzen. Sie müssten allerdings gezielt in Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit erfolgen, um das starke Arbeitsmarkt-Gefälle innerhalb der EU auszugleichen.

Die dem Juncker Plan unterliegende These wird vielfach geteilt: Investitionen in die Infrastruktur stärken das Wachstum kurzfristig durch die Nachfrage und langfristig durch das Angebot. Ohne Wachstum wäre die Einhaltung der haushaltspolitischen Vor– schriften durch die Mehrheit der 28 Mitgliedstaaten kaum möglich. Das gesamt­wirtschaftliche Umfeld in der Eurozone mit stockendem Wachstum und der Verringerung des Preisniveauanstiegs (Disinflation) würde schwach bleiben.

Das Investitionsprogramm könnte daher ein kleiner Schritt in die richtige Richtung werden, ist aber bisher völlig ungenügend:

  • Es ist völlig unklar, ob sich die große Hebelwirkung erzielen lässt.
  • Die Liste der Projekte, die die Mitgliedstaaten als förderungswürdig nach Brüssel gemeldet haben, stimmt äußerst skeptisch. Weder die ökologische und soziale noch die europäische Dimension scheinen bei der Auswahl der Projekte berücksichtigt worden zu sein.
  • Es ist auch immer noch nicht sicher, ob es sich dabei wirklich um zusätzliche Investitionen handelt.

Auch wegen dieser Mängel ist die bisherige Resonanz politisch nicht ermutigend. Bis heute hat kein einziger EU-Staat eigene Beiträge zu dem 315-Mrd.-Paket angekündigt. Bisher ist der Fonds nur mit 16 Mrd. Euro aus dem EU-Haushalt und 5 Mrd. Euro der Europäischen Investitionsbank (EIB) unterlegt. Die deutsche Bundesregierung schließt eine direkte Beteiligung an dem europäischen Investitionsfonds aus. Finanzminister Schäuble hat zwar angekündigt, über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) 8 Mrd. Euro für europäische Investitionen bereitzustellen. Die 8 Mrd. Euro sollen aber nicht in den EFSI (Europäischer Investitionsfonds für strategisches Investment) genannten Fonds fließen, sondern allenfalls in Zusammenarbeit mit dem EFSI vergeben werden. Sofern der Plan ab Juni in Kraft tritt, wird die Kommission einen Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) mit einem Volumen von 21 Mrd. Euro gründen.

Die bisherige politische Blockade der EU-Staaten ist offensichtlich, obwohl es unstreitig reichlich vernünftige Investitionsprojekte in Europa gibt. Seit Jahren lebt Europa von der Substanz, der öffentliche Kapitalstock und die Infrastruktur sind marode und auch das private Investitionsniveau ist drastisch abgesunken. Um eine Verschärfung durch den Übergang in eine Deflation zu verhindern, wird ein Einstieg in eine Investitions­bewegung gebraucht.

„Wir brauchen einen zielgerichtet handelnden, aktiven unternehmerischen Staat, der in der Lage ist, Risiken einzugehen und ein hochgradig vernetztes System von Akteuren zu schaffen, die aus dem privaten Sektor das herausholt, was mittel- und langfristig für das Allgemeinwohl das Beste ist. Der Staat muss in diesem Netzwerk als Hauptinvestor und Katalysator wirken und die Verbreitung von Wissen steuern.“(Mariana Mazzucato) Die gegenwärtige Entwicklung steuert in eine andere Richtung und es ist zu befürchten, dass der Juncker-Plan über das Stadium der Absichtserklärung gar nicht mehr hinaus­kommt.

Auch in Deutschland beträgt die Investitionslücke in Deutschland Studien zufolge 75 bis 80 Mrd. Euro im Jahr. Selbst wenn man wie der Sachverständigenrat von einem gerin­geren Beitrag ausgeht: Unumstritten ist, dass der Investitionsstau eine Aufgabe ist, die in einer Legislaturperiode nicht mal eben gelöst werden kann. Wirtschaftsminister Gabriel will statt öffentlicher Investitionen einen Teil der maroden deutschen Infra­struktur teilprivatisieren und über Fonds sogenannter öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP) finanzieren. Die Geldgeber dieser Projekte könnten Versicherungen, institutionelle Anleger, aber auch einzelne Bürger sein. Sie würden die Anlagen dann für einen längeren Zeitraum – in der Regel 30 Jahre oder mehr – betreiben und dafür eine Gebühr erhalten. Dazu muss selbst die vom Bundesrechnungshof bereits widerlegte Mär: „öffentlich-private Baupartnerschaften sind wirtschaftlicher“, herhalten. Es ginge um Projekte in Höhe von 15 Mrd. Euro. Allein der Instandsetzungsrückstau derÖffentlichen Hand im Hoch- und Tiefbau wird auf 600 Mrd. Euro geschätzt.

Wenn die Gewinn-Erwartungen gerade im Bereich Hoch- und Tiefbau für private Kapitalgeber nicht attraktiv sind, werden sie nicht investieren. Es sei denn, ihnen werden entsprechende Renditen gewährt, die dann allerdings die Allgemeinheit zu tragen hätte. Der Denkfehler ist: Unternehmen investieren nicht, wenn es sich nicht lohnt. „Unternehmen verhalten sich daher wie Dagobert Duck und bauen riesige Liquiditätshorte auf.“ (Frankfurter Rundschau vom 24.1.2015)

Die Alternative: Die Bundesregierung müsste selbst ein Vielfaches dessen investieren, was sie bisher vorgesehen hat und die Hoheit bei Projekten nicht an beteiligte Unternehmen abgeben. Es gilt also – auch um den Preis weiterer Schulden – die öffentliche Infrastruktur und den Kapitalstock auszubauen. Dies müsste freilich begleitet werden von einer nachhaltigen Umverteilungspolitik zur Verminderung der Einkommens- und Vermögensungleichheit und zur Abwendung der Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen.

Die LINKE setzt sich seit langem für eine Art europäischen New Deal und für ein öffentliches Investitionsprogramm in Deutschland ein. Eine Realisierungsebene wird von der IG Metall markiert. Das IG Metall Vorstandsmitglied Wolfgang Lemb schlägt vor: der Staat solle zunächst den finanziellen Spielraum ausschöpfen, den er trotz Schuldenbremse habe.[1] Bis 2018 seien das immerhin 150 Mrd. Euro für Bund und Kommunen. Produktive Investitionen sollten zudem aus der Schuldenbremse heraus­gerechnet werden. Erst dann sei privates Kapital zu aktivieren, aber nur im Rahmen eines „öffentlich gesteuerten Zukunftsfonds“.

[1] IG-Metall-Vorstand über ÖPP - „Der Staat ist in der Verantwortung“. TAZ vom 10.02.2015 www.taz.de vgl. auch Axel Troost www.axel-troost.de vom 14.11.2014