"Die EZB kann nicht pleite gehen"

LINKEN-Wirtschafts- und Finanzexperte Axel Troost über den Ankauf von Staatsanleihen und seine Folgen

22.01.2015 / Neues Deutschland vom 22.01.2015

Die Preise in der Eurozone sind zuletzt leicht gefallen. Seit geraumer Zeit verdichten sich die Gerüchte, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihr im September 2012 eingerichtetes 0MT Programm zum Ankauf von Staatsanleihen nun erstmals aktiviert. Wird die EZB dies am Donnerstag beschließen?

Axel Troost: So wie die wirtschaftliche Lage derzeit aussieht und wie die Diskussionen verlaufen, ist davon auszugehen, dass die EZB ihre Ankündigungen wahr macht. Schließlich will sie mit ihrer Geldpolitik positive Effekte auf die derzeit zu schwache Inflationsrate erzielen.

In der Vergangenheit wurden der EZB und ihrem Chef Mario Draghi, immer wieder vorgeworfen, mit ihren Maßnahmen unerlaubterweise Wirtschaftspolitik zu betreiben. Mit der derzeit akuten Gefahr einer Deflation müsste die EZB nun doch innerhalb ihres Mandats handeln?

Natürlich versucht die Notenbank auch, die Wirtschaft anzukurbeln. Aus ihrer Sicht will sie damit einer Deflation entgegenwirken. So ist es das erklärte Ziel der EZB, in der Eurozone eine Inflationsrate von knapp unter zwei Prozent zu haben. Das ist ihr geldpolitisches Ziel und die hierfür erforderlichen Maßnahmen führen auch zu einer Belebung derWirtschaft.

Anleihenkäufe von 500 bis 750 Milliarden Euro sind im Gespräch. Denken Sie, dass diese den gewünschten Effekt erzielen werden?

Dies ist schwer abzuschätzen. Natürlich werden die Anleihen nicht auf einen Schlag alle aufgekauft, sondern über einen gewissen Zeitraum gestreckt. Doch ob die Maßnahmen wie gewünscht wirken werden, da gibt es unter Experten verschiedene Meinungen.

Welche wären das?

Die einen sind der Meinung, dass durch das OMT-Programm die Kreditvergabe angeregt wird, weil die Banken durch den Verkauf von Staatsanleihen mit neuer Liquidität ausgestattet werden. Andere Stimmen gehen davon aus, dass derzeit schon genug Liquidität vorhanden ist. Das neue Geld würde deswegen wahrscheinlich nur in Spekulationen fließen und zu weiter steigenden Immobilien- und Aktienpreisen führen.

Was wären die Alternativen?

Das Problem ist, dass die Geldpolitik in Situationen wie der jetzigen irgendwann am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt ist. Was wirklich gebraucht wird, ist eine Ankurbelung der Binnennachfrage durch öffentliche Investitionen. Doch dies wird verteufelt, weil sie zumindest in begrenztem Umfang durch eine neue Staatsverschuldung finanziert werden müssten.

Gleichzeitig sagen die Kritiker des 0MT-Programms, dass die EZB durch den Ankauf von Anleihen große Risiken anhäufen würde.

Die Meinung teile ich überhaupt nicht. Schließlich kauft die EZB diese Papiere an. Im schlimmsten Fall würden die Anleihen einfach nicht zurückgezahlt.

Droht so nicht eine Pleite der EZB?

Nein. Die EZB kann im Gegensatz zu Geschäftsbanken nicht pleite gehen. Sie kann sogar Verluste im dreistelligen Milliardenbereich machen, ohne dass dies ein Problem wäre oder die Steuerzahler dafür haften müssten. Diese Verluste müssten weder kurzfristig gedeckt werden, noch führen sie zu einer Insolvenz der Notenbank.

Warum?

Insolvenz bedeutet letztlich, nicht zahlungsfähig zu sein. Doch Zentralbanken verfügen über das Recht, Geld zu schaffen. Dies ist auch ihre wichtigste Aufgabe. Deswegen sind sie immer zahlungsfähig und können nicht pleite gehen.

Draghi geht auf seine Kritiker zu. So sollen die nationalen Notenbanken die Anleihen kaufen...

Ob nun die EZB oder die jeweiligen Notenbanken Anleihen kaufen, hätte denselben ökonomischen Effekt. Es würde einfach anders bilanziert werden. Bereits bei den vorangegangenen Kaufprogrammen landeten nur knapp acht Prozent der Anleihen in der Bilanz der EZB, den Rest hatten die nationalen Notenbanken. Doch auch dies birgt kein Risiko für die Steuerzahler. Staaten müssen nicht für ihre Notenbanken haften, denn diese können die möglicherweise entstehenden Defizite einfach in ihrer Bilanz stehen lassen.

Die EZB will dennoch keine griechischen Anleihen kaufen. Eine politische Entscheidung?

So kurz vor den Wahlen in Griechenland ist dies natürlich auch eine politische Entscheidung, die die Wählerinnen und Wähler verunsichern soll. Das Ausfallsrisiko dieser Anleihen ist hoch, weil ein Schuldenschnitt zumindest mittelfristig notwendig ist und auch kommen wird. Doch halte ich es für völlig falsch, deswegen keine griechischen Anleihen zu kaufen, weil durch den Aufkauf von Anleihen Griechenlands Schuldenproblem zumindest zum Teil abgemildert würde.

Zum Weiterlesen: Axel Troost und Philipp Hersel: „Was passiert, wenn die EZB Verluste macht?“