Eine öffentliche Ratingagentur gegen die Übermacht der großen Drei

Rede von Axel Troost

12.11.2014 / linksfraktion.de, 06.11.2014

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,

mit der Entfesselung der Finanzmärkte haben Ratingagenturen in den letzten Jahrzehnten eine immer größere Bedeutung gewonnen. Ihr Urteil beeinflusst, zu welchen Konditionen ein Unternehmen oder ein Staat an Kredite kommt. In vielen Gesetzen ist geregelt, dass sich bestimmte Anleger nur an Produkte mit einem bestimmten Rating halten dürfen, etwa bei Versicherungen. Die Zentralbanken berufen sich ebenfalls auf externe Ratings, wenn sie Finanzprodukte bewerten, die sie als Sicherheiten hineinnehmen.

In der Finanzkrise hat sich deutlich gezeigt, dass die Ratingagenturen vielfach versagt haben. Dies gilt in besonderem Maß für sogenannte strukturierte Produkte, also extrem komplizierte Finanzprodukte. Diese lassen sich nicht seriös bewerten. Da die Ratingagenturen dafür bezahlt wurden, haben sie es trotzdem gemacht, sich damit eine goldene Nase verdient und Anleger in Scharen in die Irre geführt. Als die Blase schließlich platzte, wurden angeblich hochsichere Papiere praktisch wertlos. Aus diesem und anderen Beispielen ist bekannt, dass bei den Agenturen die Zufriedenheit der Kunden an oberster Stelle steht, nicht ein möglichst treffsicheres Urteil. Bei Entwicklungsländern zeigte sich beispielsweise auch, dass die entsprechenden Ratings von schlechter Qualität waren – weil sich die Bewertung aus privatwirtschaftlicher Perspektive sonst zu wenig rentiert hätte.

Ratings sind, so die Ratingagenturen, im Grunde genommen private Meinungsäußerungen, die man schlecht verbieten kann bzw. soll. Sie sind aber weit mehr als dass, denn die Verankerung von Ratings in Gesetzen verleiht ihnen einen regulativen Charakter. Es ist leicht möglich, den Markt für Ratings konsequenter zu regulieren und vor allem die Verankerung von Ratings in Gesetzen zu verringern. Die diesem Gesetz zugrundeliegende Verordnung ist ein Schritt in diese Richtung. Weitere Schritte sind nötig, denn viele starke Maßnahmen haben den EU-Gesetzgebungsprozess nicht überlebt.

Die drei großen Ratingagenturen besitzen einen riesigen Marktanteil und haben einen entsprechend große Macht. Sie haben alle drei Wurzeln in den USA. Es gab in den vergangen Monaten Versuche, ihnen eine große private europäische Ratingagentur entgegenzusetzen. Dies ist gescheitert, weil sich dafür nicht genügend Geldgeber fanden. Wir waren immer schon der Meinung, dass dies der falsche Ansatz gewesen ist. Denn für den Aufbau einer neuen großen Agentur braucht man einen langen Atem und zudem ist nicht gesichert, warum eine private europäische Ratingagentur sich nicht genauso verhalten wird wie die vielfach kritisierten großen Drei.

Deswegen halten wir die Gründung einer öffentlichen europäischen Ratingagentur für den deutlich vielversprechenderen Weg. Wir kennen viele öffentliche Finanzunternehmen, etwa die deutschen Sparkassen oder die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die sich sehr gut mit Finanzgeschäften auskennen und entsprechend behaupten. Dazu muss man auch Risiken bewerten können. Mit der dafür notwendigen Ausstattung wird auch die öffentliche Ratingagentur kompetente Urteile treffen können. Sie böte den Vorteil, dass sie aus dem jetzigen System der privatwirtschaftlichen Ratings ausbrechen und unter Zugrundelegung anderer Kriterien bewerten könnte.

Weitere stärkere Maßnahmen wären etwa das Verbot von weiteren Übernahmen durch die Großen Drei oder stärkere Haftungsregeln. All dies steht unter dem Ziel, die Dominanz der Finanzmärkte zu brechen und das Primat der Politik wiederherzustellen.

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Bundestagsrede zur Debatte am 06.11.2014 wurde zu Protokoll gegeben