Sparen auf Deubel komm raus?

Interview mit Caren Lay und Axel Troost

28.10.2014 / linksfraktion.de, 28.10.2014

Am Donnerstag ist wieder mal Weltspartag. In Zeiten von Mini-Zinsen verlieren Sparguthaben jedoch langfristig an Kaufkraft, von einer Enteignung der Sparerinnen und Sparer ist die Rede. Muss es da nicht heißen: Sparen lohnt sich nicht, my darling?

Caren Lay: Leider stimmt es ja auch. Wer heute Geld auf sein Sparbuch legt, läuft Gefahr es real durch die Inflationsrate zu verlieren. Vergangene Woche vermeldete der Sparkassen- und Giroverband, dass bis zu 30 Prozent der Menschen seit Jahren überhaupt nicht mehr für das Alter sparen können, da die meisten von ihnen jeden Cent ausgeben müssen, um die täglich anfallenden Kosten zahlen zu können. Eine Altersvorsorge oder ähnlicher "Luxus" sind da nicht drin. Selbst die Bundesregierung geht mittlerweile in Deutschland von 600.000 Menschen aus, die kein Giro-Konto besitzen. Die Europäische Kommission schätzt deren Anzahl gar auf über eine Million Kundinnen und Kunden.

Die Zinsen scheinen wegen der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank dauerhaft niedrig zu bleiben. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund den Satz: "Merkel und Schäuble sind entschlossen, den Euro auf Kosten der deutschen Sparer zu retten."?

Axel Troost: Der Satz ist natürlich Humbug. Merkel und Schäuble haben auf die Zinspolitik der Zentralbank gar keinen direkten Einfluss. Und Zentralbanken haben zum Glück nicht die Aufgabe, das Vermögen der Sparer zu mehren, sondern für stabile Preise zu sorgen und dabei auch die gesamtwirtschaftliche Lage im Blick zu halten. Wie genau und wie erfolgreich sie das im Einzelfall macht, ist dann schon wieder eine ganz andere Frage.

Bei der Schimpfe auf die Niedrigzinsen bleibt eine Sache meist außer Acht: Für den Sparerfolg ist letztlich entscheidend, wieviel Zinsen nach Abzug der Inflation übrig bleiben. Aktuell liegen die Zinsen für Spareinlagen zwar unter der Inflationsrate, dies ist aber nicht ungewöhnlich. Laut Bundesbank war dies in den vergangenen Jahrzehnten sogar eher die Regel als die Ausnahme. Nur ist es früher nicht so aufgefallen.

Erfunden wurde der Weltspartag vor 90 Jahren auf dem 1. Internationalen Sparkassenkongress 1924. Ist der Weltspartag also eine Werbeveranstaltung für die Bankenbranche oder geschah das eher aus sozialpädagogischen Gründen? Oder anders gefragt: Erklären Sie uns Sinn und Unsinn des Sparens?

Axel Troost: Für den Einzelnen macht Sparen Sinn bei größeren Anschaffungen wie etwa für den Kühlschrank, das Auto, den Traumurlaub oder um Rücklagen für schlechtere Zeiten oder das Alter zu bilden. Dazu gibt es natürlich auch Alternativen wie Kredite oder Versicherungen. Das kennt man alles.

Interessant wird es, wenn man Sparen nicht aus der Sicht des Einzelnen betrachtet, sondern in der Gesamtschau. Sparen bedeutet eben auch Verzicht auf Konsum. Wenn nun alle auf Deubel komm raus anfangen zu sparen, müssten Geschäfte, Gaststätten und andere Betriebe geschlossen werden, die Wirtschaft würde abschmieren und am Ende ständen alle ärmer da. Deswegen müssen den jährlichen zusätzlichen Ersparnissen der privaten Haushalte zusätzliche Kreditaufnahmen der Unternehmen oder des Staates im Inland gegenüberstehen. Ist dies nicht der Fall – wie seit längerem in Deutschland – bleibt nur das Exportventil.

Sparende bekommen kaum noch Zinsen auf ihr Erspartes, aber wenn das Konto mal ins Minus gerät, wird es richtig teuer. Die Zinsen auf den Dispo liegen seit Jahren deutlich über 10 Prozent. Zurecht, sagen die Banken, denn Kurzzeitkredite sind teuer für die Banken. Was sagt DIE LINKE?

Caren Lay: Das ist eine Schutzbehauptung. Tatsächlich sanieren sich die Banken durch den Dispozins. Denn jeder Prozentpunkt beim Dispo spült 380 Millionen Euro jährlich mehr in die Kassen der Banken. Gleichzeitig ist das Ausfallrisiko eines Dispokredits mit 0,3 Prozent minimal.

Kundinnen und Kunden, die ihren Dispo überziehen, sind oft auf ihn angewiesen. Das wiederum nutzen die Banken schamlos aus!

Deswegen haben wir auch im Oktober zum wiederholten Mal einen ANTRAG zur gesetzlichen Deckelung der Dispozinsen auf 5 Prozent über dem Basiszinssatz eingebracht. Im Ausschuss beschwerten sich CDU/CSU-Abgeordnete, dass DIE LINKE diesen Antrag schon zum fünften Mal in den Bundestag eingebracht hätte. Wir werden den Antrag aber auch noch ein sechstes und siebtes Mal einbringen, so lange, bis sich CDU/CSU und SPD an den Bankkundinnen und -kunden orientiert und nicht mehr an den Wünschen der Finanzlobby.

Das Image der Banken ist am Boden. Am Sonntag hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Ergebnisse ihres Stresstest der Banken veröffentlicht. Was können die Sparerinnen und Sparer dadurch über das Gebaren ihrer Bank lernen?

Axel Troost: Nicht wirklich viel. Überprüft wurden nur die "bedeutendsten" europäischen Banken. In Deutschland waren das 24 Banken, darunter die Landesbanken, die aus Sparersicht uninteressant sind. Die hunderten kleinen Sparkassen und Genossenschaftsbanken wurden gar nicht überprüft.

Ob die Banken ihre Kunden oder Geschäftspartner besonders gekonnt über den Tisch ziehen oder ihr Geld auf nettere Weise verdienen, ist nicht Bestandteil der Stresstests. Die EZB ist keine Verbraucherschutzbehörde, sie hat das nicht untersucht.

Die Finanzkrise hat deutlich gemacht, dass viele Produkte reine Luftnummern waren. Auch Sparer sind auf die Versprechen hereingefallen, ohne genau zu wissen, was mit ihrem Geld getrieben wurde. Hat die Politik daraus gelernt?

Caren Lay: Kein Stück. Und das, obwohl das Problem schon ewig bekannt war. Sowohl die jetzige als auch die Vorgängerregierung verstecken sich hinter angeblichen Selbstverpflichtungen oder stellen medienwirksam nutzlose "Aktionspläne" vor. Zuletzt konnten wir so ein Spektakel im Sommer erleben, als Heiko Maas gemeinsam mit Wolfgang Schäuble so ein Papier präsentiert hat. Im Endeffekt stand nicht mehr drin, als dass sich die Bundesregierung mehr Transparenz wünscht. Auf echte Gesetze im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher warten wir vergeblich. DIE LINKE fordert daher schon seit langem einen Finanz-TÜV , der Schrottpapiere gar nicht erst auf den Markt lässt. Außerdem fordern wir eine Verbraucherschutzbehörde, die anders als die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), auch mit Ermittlungsbefugnissen ausgestattet ist, und von ihr unabhängig agieren kann. Zusätzlich muss auch der Graue Kapitalmarkt endlich unter Aufsicht gestellt werden.

Nach dem Ausbruch der Finanzkrise und den Milliarden-Rettungspaketen warnten viele vor einer drohenden Hyperinflation. Das ist nicht eingetroffen. Derzeit herrschen Mini-Inflation, Mini-Wachstum und Mini-Zinsen – welche Antwort muss LINKE Politik darauf geben?

Axel Troost: Mini-Inflation, Mini-Wachstum und Mini-Zinsen hängen eng zusammen. Man kennt diese Konstellation seit langem aus Japan. In Japan hat man unter anderem den Fehler gemacht, dass Banken ohne funktionierendes Geschäftsmodell künstlich am Leben gehalten wurden. Deswegen gab es in Europa den zuvor angesprochenen Stresstest, der aber auch schon der Dritte in der Krise ist.

Solange die Wirtschaft nicht wieder in Schwung kommt, werden auch die Banken nicht auf die Beine kommen – Stresstest hin oder her. Deswegen ist ein Ende der Austeritätspolitik und ein langfristiges europäisches Investitionsprogramm unbedingt erforderlich. Den finanziellen Spielraum dafür hat aber in erster Linie Deutschland.