Hans-Olaf Henkel verstärkt die AfD – auch mit seinem Unwissen

Von Heiner Flassbeck

24.01.2014 / www.flassbeck-economics.de, 21.01.2014

Vielen Medien war es eine Meldung wert: Hans-Olaf Henkel, der Standortmahner der ersten Stunde, schließt sich der „Alternative für Deutschland“ nun auch offiziell an, nachdem er schon lange mit der Partei sympathisiert hatte. Und prompt hat er kundgetan, dass er, wie viele andere, den entscheidenden Punkt in einer Währungsunion nicht verstanden hat oder nicht verstehen will.

Im Handelsblatt sagte er: „Um den Euro zu retten, muss der große Gegensatz in der Produktivität zwischen dem Norden und dem Süden der Eurozone reduziert werden. Da das im Süden nur unzureichend gelingt, müssen die Politiker die Wettbewerbsfähigkeit des Nordens, insbesondere Deutschlands, beschädigen. Jeder Ökonom weiß doch: der Euro ist schon längst zu schwer für die Franzosen, die Spanier, die Italiener und für Griechenland sowieso. Und er ist viel zu leicht für die Deutschen. Die Konsequenz ist, dass die Südländer mit ihren Exporten nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Auf der anderen Seite ist es für die deutschen Exporteure vor dem Hintergrund eines aus ihrer Sicht unterbewerteten Euros zu einfach, ihre Produkte ins Ausland zu verkaufen. … die Euro-Rettungspolitik wird sich weiterhin darauf konzentrieren müssen, die Unterschiede zwischen dem Süden und dem Norden einzuebnen. Um das zu tun, versucht man zwar, den Süden zu reformieren. Da das nur unzureichend gelingt, muss man die Wettbewerbsfähigkeit des Nordens reduzieren. Man kann den Euro also nur retten, wenn man die Produktivitätsunterschiede zwischen Deutschland und Griechenland einigermaßen angleicht.“

Das ist, wie wir schon fast bis zum Überdruss dargelegt haben, falsch, weil hier Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit mit Unterschieden in der Produktivität gleichgesetzt werden. Es kommt aber nicht auf die Produktivitätsunterschiede an, sondern auf die Unterschiede bei der Wettbewerbsfähigkeit, und das heißt so viel wie auf die Unterschiede bei den Lohnstückkosten. Das ist keine feinsinnige Unterscheidung, wie mancher meinen mag, sondern absolut zentral. Der Euro ist eben nicht zu schwer für die Franzosen, weil deren Produktivität niedriger ist als die deutsche (was sie obendrein nachweislich nicht ist), sondern weil die französischen Löhne in den vergangenen Jahren stärker gestiegen sind als die deutschen. „Unterbewertung“ kommt in einer Währungsunion niemals von einer an sich zu hohen Produktivität, sondern immer von Löhnen, die im Vergleich zur Produktivität weniger gestiegen sind als in anderen Ländern. Und umgekehrt: “Überbewertung” entwickelt sich nicht aus einer absolut gesehen zu niedrigen Produktivitätssteigerung, sondern aus einer im Vergleich zur Produktivitätsentwicklung unangemessen hohen Lohnsteigerung. Im Falle der Europäischen Währungsunion sind die deutschen Löhne in Hinblick auf die deutsche Produktivität und das gemeinsam vereinbarte Inflationsziel von 2 Prozent zu wenig gestiegen.

Dass man den Menschen (und hier den Journalisten) immer wieder so ein Zeug erzählen kann, wie das Hans-Olaf Henkel tut, ohne sofort unterbrochen zu werden, ist mehr als erstaunlich. Wie hat China bei einem riesigen Produktivitätsrückstand zu den USA seinen Wechselkurs gegenüber dem US-Dollar über zwanzig Jahre stabil halten und sogar aufwerten können, ohne hoffnungslos ins Abseits zu geraten? Wieso sagt Herr Henkel seiner eigenen Logik folgend nicht, dass auch Nordländer wie Estland und Lettland sofort wieder aus dem Euroraum ausscheiden müssten angesichts ihres Produktivitätsrückstandes?

Dass die Politiker die Wettbewerbsfähigkeit des Nordens beschädigen müssen zur Eurorettung, ist vollkommen zutreffend, nicht aber die Produktivität des Nordens. Entscheidend für die Verwerfungen, die mit einer Senkung der Wettbewerbsfähigkeit des Nordens einhergehen, ist, in welchem Zeitraum und auf welche Weise die Senkung geschieht. Wer, wie Hans-Olaf Henkel, den Euro aufsplitten will in Nord- und Südeuro, muss damit rechnen, dass die Verwerfungen unglaublich groß werden, weil die deutschen Marktanteile sozusagen über Nacht geschrumpft werden. Im Gegensatz zu der Variante, in der die Lohnstückkosten im Norden über einen langen Zeitraum stärker steigen als zuvor und im Süden etwas weniger, wird bei jeder Spaltung der Währung die Wettbewerbsfähigkeit des Nordens sofort und heftig gegenüber dem Rest Europas und gegenüber dem Rest der Welt beschädigt, weil die ganze Operation ja nur Sinn macht, wenn sie mit einer kräftigen Abwertung des Südeuros beginnt.

Das sagt Hans-Olaf Henkel natürlich nicht klar, sondern er verweist auf eine mögliche Zusammenarbeit der dann neu entstandenen Nord- und Südeuropäischen Zentralbank. Ja, wozu sollen die zusammenarbeiten? Um die Wettbewerbsfähigkeit des Nordens zu schützen, indem sie verhindern, dass der Nordeuro zu stark aufwertet? Da müssten die Südländer verrückt sein, wenn sie das täten. Wer im Streit ausscheidet oder gar vom Norden gezwungen wird auszuscheiden, für den gibt es nur eine vernünftige Strategie und die heißt, gleich am Anfang so stark wie möglich abzuwerten, um in eine Überschussposition bei der Leistungsbilanz zu kommen, denn nur dann kann man aus einer Position der Stärke heraus agieren, was heißt ohne Abhängigkeit vom internationalen Kapitalmarkt. Wenn der Süden einschließlich Frankreichs ausscheiden würde, wäre er ohnehin stark genug, nach einer ersten starken Abwertung dem Norden die Bedingungen für eine Zusammenarbeit zu diktieren.

Es ist immer die gleiche Art von Demagogie, die angewendet wird. Man konstruiert sich einen Fall zu recht, verkündet plakative Parolen und verteidigt auf Teufel komm raus die deutsche Position. Ob das inhaltlich vernünftig ist, fragt ohnehin keiner, und welchen politischen Schaden man mit solchen suggestiven Formulierungen („Euro ist zu schwer für Frankreich“) anrichtet, ist in Deutschland sowieso kein Thema, weil wir ja wieder wer sind!