Steuererhöhungen für Einkommens- und Vermögensstarke jetzt!

Von Rudolf Hickel

07.10.2013 / www.2.alternative-wirtschaftspolitik.de, 07.10.2013

Der Streit um Steuererhöhungen steht im Zentrum der Findung einer Koalition. Trotz gegenteiliger Bekundungen, hinter den Kulissen scheint klar, Steuererhöhungen sind auch aus der Sicht der Bundeskanzlerin letztlich unvermeidbar. Die Frage ist nur, wem dann dieser steuerpolitische Kompromiss in die Schuhe geschoben wird. Die CDU/CSU verfolgt mit ihrem apodiktischen Nein einen doppelten Zweck: Die SPD soll zu Abstrichen in ihrem steuerpolitischen Konzept gezwungen werden. Und wenn dann der Kompromiss steht, soll für das (bedauerliche) Umfallen die SPD vorgeführt werden.

Gegen diese Taktiererei, die am Ende die Demokratie belastet, ist eine rationale Diskussion über eine aufgabenbegründete und sozial gerechte Steuerpolitik erforderlich. Erstens ist eine Erhöhung von Steuern wegen des wachsenden Finanzierungsbedarfs für Investitionen in das Verkehrs- und Energiesystem sowie das Schulsystem, Kindertagesstätten und Hochschulen unvermeidbar. Zweitens geht es nicht um alle Steuern, sondern um die höhere Besteuerung der Einkommensstarken und Vermögenden. Nach massiven Steuerentlastungen im letzten Jahrzehnt sollen sie wieder stärker in die Finanzierung staatlicher Aufgaben auch zugunsten der Gesamtwirtschaft einbezogen werden. Keine der in die Koalitionsverhandlungen eingebundenen Parteien fordert wegen der sozial ungerechten Wirkung eine Anhebung der Mehrwertsteuersätze (wie 2007). Niemand will eine Mehrbelastung der großen Masse von Lohnsteuerzahlern innerhalb des Einkommensteuertarifs. Im Gegenteil, über deren Entlastung von der „kalten Progression“ wird diskutiert.

Im Mittelpunkt stehen die drei steuerpolitischen Maßnahmen. Der Spitzensteuersatz wird etwa ab 80.000 Euro zu versteuerndes Einkommen von den derzeit 45 Prozent „Reichensteuer“ auf 49 Prozent erhöht. Der Spitzensteuersatz liegt dann immer noch unterhalb der 53-Prozent-Marke zu Kohls Regierungszeit. Die Vermögensteuer, die nicht abgeschafft wurde, wird verfassungskonform wiederbelebt. Dabei werden die Freibeträge so hoch gesetzt, dass die selbst genutzte Wohnung bzw. Immobilie (das „Häusle“ des Arbeitnehmers und des Rentners) nicht belastet werden. Die bei einem Satz von 1 Prozent geschätzten Steuereinnahmen über etwa 12 Milliarden Euro fließen den Ländern zu. Schließlich wird die völlig ungerechte Abgeltung der Kapitalerträge von 25 Prozent durch die Besteuerung im Rahmen des allgemeinen Tarifs aufgehoben. Die Kapitalerträge des Spitzenverdieners werden künftig auch mit 49 Prozent versteuert.

Entscheidend ist die Verwendung der Mehreinnahmen. Sie fließen vor allem in die Finanzierung derzeit zum Teil unterversorgter öffentlicher Güter, von der auch künftige Generationen profitieren. Die derzeit beschworenen „sprudelnden Steuerquellen“ stehen dazu nicht zur Verfügung. Sie sind bereits durch ebenso gestiegene Ausgaben verfrühstückt worden. Unehrlich ist auch die Forderung, finanziellen Spielraum durch weitere Einsparungen bei den Ausgaben zu schaffen. Durch die „Schuldenbremse“ haben in vielen Bereichen die Kürzungen bereits zur Unterversorgung mit öffentlichen Gütern geführt. Schlussendlich dienen die hier vorgeschlagenen Steuererhöhungen dem Ziel, die Einkommens- und Vermögensstarken durchaus zumutbar und machbar in die solidarische Finanzierung des Gesamtstaats einzubeziehen. Abschließend der Hinweis auf die oftmals unterschlagene Gesamtwirkung von Steuererhöhungen. Steuern belasten nicht nur. Von der besseren Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen etwa im Bereich der Sicherheit sowie der öffentlichen Infrastruktur profitieren auch die Mehrsteuerzahler.