Bankenabwicklung bleibt Wunschphantasie

Von Axel Troost

20.09.2013 / 19.09.2013

Die Bankenrettung in Deutschland kam unvorbereitet und teuer. Allein im Bankenret­tungsfonds Soffin wurden bisher 22 Milliarden Euro versenkt. Hinzu kommen 10 Milliar­den Euro für die Rettung der IKB, etwa 18 Milliarden Euro für die WestLB und Verluste aus der unprofessionellen Rettung der Commerzbank (so zahlte die Commerzbank über mehrere Jahre keine Zinsen auf die stillen Einlagen des Bundes und für 5,1 Milli­arden erworbene Aktien verloren bisher über die Hälfte ihres Wertes). Die genauen Kosten werden sich erst beziffern lassen, wenn die etwa 300 Milliarden Euro schweren Bestände an Forderungen und Schrottpapieren der HRE (bisher 13 Milliarden Euro Ver­luste) und der WestLB vollständig abgewickelt sind – doch das wird noch viele Jahre dauern.

Am Ende wird der Steuerzahler auf einem hohen zweistelligen oder gar dreistelligen Milliardenbetrag sitzen bleiben. Dafür ist natürlich die fahrlässige Politik vor der Krise verantwortlich, aber auch das schlechte Krisenmanagement. Anders als etwa in Schweden oder in den USA war es für deutsche Politiker fast undenkbar, ein Bank zu verstaatlichen – und sei es auch nur vorübergehend. Doch die großen Schäden sorgten für begrenzte Einsicht. Inzwischen sind spezielle Insolvenzregime für systemrelevante Banken, bei denen diese aufgespalten und zum Teil abgewickelt werden können, fast schon internationaler Standard. Auch in Deutschland gibt es inzwischen ein entspre­chendes Gesetz. Wenn die FDP jedoch in ihrem Wahlprogramm behauptet: „Mit einem Bankeninsolvenzrecht für systemrelevante Banken haben wir Risiko und Haftung wie­der zusammengebracht“, verschaukelt sie damit die Wählerinnen und Wähler. Denn während sich eine mittelgroße Bank vom Schlag einer IKB mit dem Restrukturierungs­gesetz vielleicht noch abwickeln ließe, würde die Pleite einer Commerzbank oder Deut­schen Bank das Finanzsystem weiterhin sprengen.


Bankenabwicklung in Deutschland

Das deutsche Restrukturierungsgesetz leidet an mehreren Fehlern: Zum einen darf die Abwicklung einer Bank nur als letztes Mittel angeordnet werden. Anders als etwa in der Schweiz oder in Großbritannien ist Gläubigerschutz in Deutschland höher angesiedelt als die Abwendung von Verlusten für die Steuerzahler oder die Wahrung der Finanz­stabilität. Daher muss unnötig viel Zeit für Sanierungs- und Reorganisationsverfahren verplempert werden, die am Ende zu nichts führen. Zum zweiten wird das Restrukturie­rungsgesetz für Mega-Banken schlicht nicht praktikabel sein. Eine Bank mit mehreren tausend Niederlassungen weltweit wird sich nämlich nicht so einfach übers Wochen­ende aufspalten lassen. Das geht rein organisatorisch gar nicht (auch wenn die Aufsicht inzwischen für jede größere Bank Abwicklungspläne entwerfen muss), ganz zu Schwei­gen von den fehlenden rechtlichen Übereinkommen, die für die Abwicklung einer grenz­überschreitend tätigen Bank nötig wären. Im Fall einer großen Bankpleite wären also wieder einmal hohe staatliche Garantien nötig.

Schließlich ändert das Restrukturierungsgesetz auch nichts daran, dass die Pleite einer großen Bank zu Panikreaktionen auf den Finanzmärkten führen wird, die weitere Ban­ken in Schieflage brächten. Kein Wunder also, dass die Koalition den Ende 2010 aus­gelaufenen 480 Milliarden Euro schweren Bankenrettungsfonds Soffin Anfang 2012 wieder reaktiviert hat und seine Laufzeit anschließend noch ein weiteres Mal bis Ende 2014 verlängert hat.

Ein unrühmliches Kapitel ist auch die Beteiligung des Finanzsektors an den Krisen­kosten. Im Restrukturierungsfonds, mit dem laut FDP-Wahlprogramm die Banken „erst­mals für die Kosten zur Bewältigung einer Finanzkrise herangezogen“ werden, wurden bisher gerade einmal 1,3 Milliarden Euro eingezahlt. Da dieser Fonds aber gerade zu­künftige Krisen finanzieren soll, hat die Branche damit immer noch keinerlei Schadens­ersatz geleistet. Zwar hatte sich die Bundesregierung durch öffentlichen Druck für eine Finanztransaktionssteuer breit schlagen lassen, die sie dann tatsächlich international auch vorangetrieben hat. Doch die FDP war seit jeher gegen die Steuer und inzwischen schwindet auch in der Union die ohnehin schwache Begeisterung. So findet sich im Wahlprogramm der Union zur Finanztransaktionssteuer nur die Sorge, "dass Wettbe­werbsverzerrungen vermieden und die Interessen des Finanzplatzes Deutschlands ge­wahrt bleiben". Die Argumente der Finanzlobby scheinen also wieder einmal auf frucht­baren Boden gefallen zu sein.


Streit um Bankenabwicklung in Europa

Die EU streitet derzeit über einen europäischen Rechtsrahmen für die Bankenabwick­lung. Dieser besteht aus einer Richtlinie für alle 28 EU-Staaten, welche die einzelnen nationalen Abwicklungsregime harmonisieren soll. Dadurch bietet sich auch eine Mög­lichkeit, einige Fehler des deutschen Restrukturierungsgesetzes wie den hohen Gläubi­gerschutz zu beseitigen. Doch auch dann wird ein harmonisiertes Abwicklungsregime die Abwicklung größerer Banken zwar erleichtern, bei Großbanken aber wieder schnell an seine Grenzen stoßen.

Der Streit entzündet sich jedoch derzeit vor allem um die zusätzliche Verordnung für die Staaten der sogenannten Bankenunion. Diese regelt, welche zentrale Instanz über die Abwicklung einer Bank und damit den Umgang mit beträchtlichen Vermögenswerten entscheiden soll und wo die Verluste schließlich hängen bleiben – also hochpolitische Fragen. Allerdings zeigt der Streit auch, dass die Staaten große Bankenpleiten immer noch für sehr realistisch halten und dass über ganz andere Alternativen – nämlich eine grundlegende Neuordnung des Finanzsektors insgesamt – gar nicht mehr ernsthaft nachgedacht wird.

Im Streit um die Regeln zur Bankenunion wurden Altfälle nun ausgeklammert. Sprich, das Abwicklungsregime darf für bereits jetzt notleidende Banken nicht mehr zum Ein­satz kommen. Das ist zwar sinnvoll, wenn sich die Staaten in absehbarer Zeit über­haupt einigen sollen und die Regeln weniger vom Blick aufs eigene Staatsäckel, son­dern von grundsätzlichen Prinzipien geleitet werden sollen. Es löst aber keineswegs das gravierende Problem, wer nämlich für die Rekapitalisierung der notleidenden Ban­ken der Krisenstaaten aufkommen soll. Die EZB durchforstet im nächsten Jahr die Bi-lanzen der großen Euro-Banken. Dann dürften weitere staatliche Finanzspritzen und Rettungsprogramme fällig werden. Doch darauf wird die Bevölkerung von den Streit­hähnen kaum vorbereitet.