Topverdiener durch Steuerreformen besonders stark entlastet

Böckler Impuls 13/2013

08.09.2013 / Hans-Böckler-Stiftung, 04.09.2013

Mit den rot-grünen Steuerreformen bis 2005 ist die Politik den Beziehern hoher Einkommen weit entgegengekommen. Besteht nun weiterer Spielraum, die Einkommensteuer für Topverdiener wieder zu erhöhen? Diese Frage lässt sich nur beantworten, nachdem geklärt ist, wie viel die reichsten Haushalte tatsächlich an den Fiskus zahlen. Der nominelle Spitzensteuersatz gibt darüber keine Auskunft, weil er nicht auf das gesamte Einkommen angewandt wird. Aussagekräftiger ist der effektive Durchschnittssteuersatz. Er bezeichnet den Teil des Gesamteinkommens, den das Finanzamt einzieht. Wie hoch diese Belastung für Haushalte mit unterschiedlichen Einkommen in der Vergangenheit war, hat Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) gemeinsam mit Giacomo Corneo und Viktor Steiner von der Freien Universität Berlin untersucht. Das Besondere an ihrer Studie: Mit einer Kombination aus offizieller Steuerstatistik und Daten aus dem Sozio-oekonomischen Panel können sie präzise Aussagen über die Verteilung der Steuerlast auf die gesamte Bevölkerung machen und zugleich einzelne Einkommensgruppen analysieren, auch am obersten Ende der Verteilung.

Dabei stellt sich heraus, dass die durchschnittliche Belastung aller Einkommensteuerpflichtigen im Jahr 2005 - neuere Daten liegen nicht vor - 11,3 Prozent betrug. Dieser Wert ist nicht zuletzt deshalb relativ niedrig, weil die Einkommen vieler Familien nur wenig über den steuerlichen Freibeträgen liegen. Aber selbst Großverdiener kamen 2005 nicht einmal in die Nähe des Spitzensteuersatzes von damals 42 Prozent:

  • Das reichste Hundertstel, Haushalte ab etwa 150.000 Euro Jahreseinkommen, zahlte inklusive Solidaritätszuschlag 30,5 Prozent Einkommensteuer.
  • Das reichste Hunderttausendstel, die "ökonomische Elite" mit wenigstens 11 Millionen Euro Einkommen im Jahr, kam auf 31 Prozent.
  • Die "Superreichen", eine Gruppe von weniger als 50 Haushalten mit jeweils mindestens 58 Millionen Euro pro Jahr, mussten dagegen nur 28,7 Prozent abgeben.

"Die Steuerprogression verschwindet am oberen Ende der Einkommensverteilung wieder", schreiben Bach und seine Forscherkollegen. Neben den Abzugsbeträgen für Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen oder ermäßigten Steuersätzen für Veräußerungsgewinne ist dies laut den Forschern auch auf die Nutzung von Steuervergünstigungen zurückzuführen, die steuerlich hohe Verluste aus Vermietung und Verpachtung oder auch aus Gewerbebetrieb ergeben. Hier gelingt es den "Superreichen" offenbar, ihre Steuerbelastungen gegenüber dem Staat herunterzurechnen.

Wie hat sich die effektive Besteuerung der Reichen im Zeitverlauf verändert? Ein Vergleich der Jahre 1992 und 2005 zeigt:

  • Die Steuerbelastung der "ökonomischen Elite" ging um 27 Prozent zurück.
  • Die "Superreichen" zahlen 34 Prozent weniger.

Die durchschnittliche Belastung des oberen Zehntels veränderte sich dagegen kaum, schreiben die Wissenschaftler. Die Steuerreform von 2000 habe vor allem den Haushalten an der obersten Spitze der Einkommenspyramide genützt und nur geringe Auswirkungen auf die übrigen Steuerzahler gehabt.

Statt zunehmende Einkommensunterschiede auszugleichen, hat die Steuerpolitik damit in die gleiche Richtung gewirkt wie die Entwicklung der Bruttoeinkommen. Diese legten im Untersuchungszeitraum real um durchschnittlich 1,1 Prozent zu, während die "ökonomische Elite" einen Zuwachs von 123 Prozent zu verzeichnen hatte. Ohne Veräußerungsgewinne lag ihr Einkommenszuwachs immer noch bei 103 Prozent. Eine höhere Besteuerung von Top-Einkommen sei daher empfehlenswert, so die Forscher, wenn die Ungleichheit wieder auf den Stand der 1990er-Jahre zurückgefahren werden solle.