Auf dem Weg zum digitalen Medienkonzern? Springer verkauft u.a. seine Regionalzeitungen

Von Joachim Bischoff und Björn Radke

28.07.2013 / sozialismus.de, vom 28.07.2013

Die Axel Springer AG und die Funke-Medien-Gruppe nehmen eine Umverteilung des Medienmarktes vor: die bisher bei Springer verlegten Regionalzeitungen »Berliner Morgenpost« und »Hamburger Abendblatt«, die Anzeigenblätter in Berlin und Hamburg sowie die fünf Programm- und zwei Frauenzeitschriften von Axel Springer (»Hörzu«, »TV Digital«, »Funk Uhr«, »Bildwoche«, »TV Neu«, »Bild der Frau«, »Frau von Heute«) sowie die dazugehörigen Digitalausgaben werden zukünftig unter dem Dach der Funke Mediengruppe erscheinen und deren bestehendes Regionalzeitungs-, Anzeigenblatt- und Zeitschriftenportfolio ausbauen.

Die Verlage haben außerdem vereinbart, Gemeinschaftsunternehmen für Vermarktung (unter der Führung der Axel Springer AG) und Vertrieb von gedruckten und digitalen Medienangeboten zu gründen und damit ihre Aktivitäten, Ressourcen und ihr Know-how in diesen Bereichen zu bündeln. In beiden Gesellschaften wird Axel Springer in der unternehmerischen Führung sein und die Mehrheit halten. Dafür sei ein entsprechender rechtsverbindlicher Vorvertrag geschlossen worden. Die Umsetzung der beabsichtigten Maßnahmen sei mit wirtschaftlicher Wirkung zum 1. Januar 2014 geplant.

Die Regionalzeitungen sowie die Programm- und Frauenzeitschriften trugen im Geschäftsjahr 2012 94,8 Mio. EUR zum operativen Gewinn und 512,4 Mio. Euro zum Umsatz des Axel Springer-Konzerns bei. Vom Kaufpreis von 920 Mio. Euro werden laut Springer beim Vollzug des Geschäfts 660 Millionen EUR fällig, bis zum 30. Juni 2014 sei diese Summe zu zahlen. Der restliche Betrag werde Springer der Funke Mediengruppe als Darlehen mit mehrjähriger Laufzeit gewähren. Als Hauptfinancier eines Konsortiums tritt Unicredit Hypo-Vereinsbank auf.

Rund 900 Mitarbeiter der bisherigen Springer-Stammbelegschaft in Hamburg und Berlin werden von Funke übernommen. Deren Vertragsbedingungen würden nicht geändert, versichert Springer. Die betroffenen Beschäftigten in Hamburg und Berlin sind da nicht so zuversichtlich. Die Funke-Gruppe hatte erst im vorigen Jahr die Mitgesellschafter (Familie Brost) für 500 Millionen Euro aus der Gruppe um die »Westdeutsche Allgemeine Zeitung« herausgekauft und sich dabei »mit der Entlassung der gesamten Redaktion der ›Westfälischen Rundschau‹ bereits einen unrühmlichen Namen als unsozialer Profitmaximierer gemacht«, so die für den Medienbereich zuständige Gewerkschaft ver.di.

Die Funke-Mediengruppe, mittlerweile der drittgrößte deutsche Medienkonzern, ist seit längerem für eine Politik der Verschlankung von Redaktionen und das Auspressen der Ressourcen von Medienunternehmen bekannt; allein bei seinen vier Zeitungstiteln im Ruhrgebiet wurde in den vergangenen Jahren rund die Hälfte von etwa 800 Redakteuren wegrationalisiert. Es geht jedoch nicht nur um den beschleunigten Abbau von journalistischen Arbeitsplätzen, sondern wir sind Zeuge einer Veränderung der dominanten Medienlandschaft.

Die Funke-Mediengruppe erhält auf dem Markt der Regionalzeitungen eine Machtposition und in drei großen Ballungsräumen eine Führungsrolle erschließt: im Ruhrgebiet, Hamburg und Berlin. Das eröffnet auch dem Anzeigengeschäft ganz neue Möglichkeiten. Die bisherige Dominanz von Springer in Hamburg wird jetzt durch einen gleichermaßen konservativen Medienkonzern abgelöst. Funke betreibt mit harten Mitteln die Resteverwertung von Printtiteln.

Die Erzählung aus dem Reich der Medienunternehmen lautet nicht: Springer räumt für die Funke Gruppe das Feld; sondern der Medienkonzern Funke übernimmt unter der Führung des ehemaligen »Bild«-Geschäftsführers Christian Nienhaus einen Teil von Springers Printgeschäft für 920 Millionen Euro. Der Funke Konzern kann einige Jahre die Verwertung mit geringen Personalressourcen erledigen. Für diese Nutzung muss der Verkäufer dem Käufer allerdings 260 Millionen Euro in einem »zinsgünstigen Kredit« leihen.

Schon seit Jahren arbeitet der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner an der Neuaufstellung des Springer-Konzerns weg vom traditionellen Print-Geschäft hin zum Mischkonzern mit digitalem Schwerpunkt. Axel Springer wolle konsequent den Weg zum führenden digitalen Medienunternehmen weitergehen – mit klarer Ausrichtung auf die »Bild«- und die »Welt«-Gruppe. Diese beiden Titel blieben ein »unverzichtbarer Kern des Unternehmens«, sagt Döpfner. Zur Strategie gehört auch der Ausbau von Online-Rubrikenmärkten und digitalen Vermarktungsplattformen. Döpfner will mit Springer das führende digitale Medienhaus Deutschlands bauen, der Verkauf von Printtiteln ist die radikale und konsequente Umsetzung dieser Strategie. Es ist eine Abkehr von dem gedruckten Journalismus in weiten Teilen bei Springer und auch eine Abkehr von Traditionen, »Hörzu« und »Abendblatt« in Hamburg waren die ersten Medien, die Axel Springer gegründet hat.

Schon im Oktober 2012 wurden die Redaktionen von »Hamburger Abendblatt«, »Welt« und »Berliner Morgenpost« zu einer Redaktionsgemeinschaft zusammengelegt. Überregionale Themen für alle Titel entstanden nur noch unter Federführung der »Welt«-Gruppe. Damals erklärte Jan Bayer, zuständiger Vorstand für die »Welt«-Gruppe: »Mit der Zusammenführung und gemeinsamen Nutzung der publizistischen Kernkompetenzen von ›Welt‹ und ›Berliner Morgenpost‹ vor zehn Jahren haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht: Die journalistische Qualität der Titel ist gestiegen, die Kosten sind gesunken. Dieses Erfolgsmodell, das branchenweit zum Vorbild geworden ist, bauen Chefredaktion und Verlag nun konsequent aus.«

Beim Hamburger Abendblatt waren seit längerem Verluste zu verzeichnen. Im 3. Quartal 2012 hat die Zeitung gegenüber dem Vorjahr im Einzelverkauf 12% und bei den Abos 5% verloren, der Gesamtabsatz lag bei 199.184 Exemplaren (minus 2,9%). Auch bei der »Welt« stand in Hamburg ein Minus (14,9%) im Einzelverkauf und ein beim Abo (3,9%) in der Auflagenstatistik. Insgesamt sanken die »Welt«-Verkäufe in der Hansestadt um 4,3%. Gleichzeitig nahmen die Verantwortlichen den digitalen Umbau der WELT in Angriff: Die digitale Ausgabe wurde mit Videos erweitert und ebenso wie auch beim Abendblatt wird bei der WELT der »paid content« eingeführt, es muss also für Inhalte im Netz bezahlt werden.

Wenige Tage vor dem großen Funke-Deal leitete Springer in Berlin die nächste Stufe des Umbaus zu einem digitalen Anbieter ein: Die Redaktionen der regionalen Boulevardzeitung B.Z. und BILD-Berlin werden zusammengelegt, es fallen »weniger als 50 Stellen« weg. Die Online-Berichterstattung soll nicht mehr nur aus Berlin kommen, sondern an den Standorten Hamburg, Essen, Frankfurt, München und Leipzig ausgebaut werden. BILD-Chefredakteur Kai Dieckmann fordert, die Redaktion müsse sich »neu erfinden«. Insofern ist die Trennung von regionalen Printmedien in ganz Europa – so auch von ihrem französischen Zeitschriften-Verlag Publications Grand Public (PGP) – nur konsequent. Für den Konzern ist die Ausweitung des Printgeschäftes keine Option, da durch die marktbeherrschende Stellung der BILD-Zeitung weitere Übernahmen am Kartellrecht scheitern würden. Die Zukunft sieht Springer in der Ausrichtung als digitaler Mediendienstleister.


»Online First« ist die strategische Zuspitzung bei Vorstandschef Döpfner. Schon 2006 erklärte er, künftig vor allem zwei Schwerpunkten zu folgen: Digitalisierung und Internationalisierung. Damit verbunden ist die Abkehr von der bis dahin geübten Praxis, Inhalte im Internet kostenlos zur Verfügung zu stellen. Seit dem 12. Dezember 2012 gelten bei der »Welt« neue Bezahlmodelle für die digitalen Angebote der überregionalen Zeitungsmarke. So will Springer »die 2009 gestartete Premium-Initiative fortsetzen mit dem Ziel, auch für digitale journalistische Inhalte erfolgreiche kostenpflichtige Angebote zu machen«. Folgen wird dann auch Bild.de, mit bereits jetzt teilweise kostenpflichtigen Angeboten.

Im Jahr 2012 betrugen die Erlöse aus dem digitalen Geschäft mehr als eine Milliarde Euro, vor allem durch die Online-Rubrikanzeigen wie Immonet, Totaljobs und Stepstone. Die »journalistischen Portale und anderen digitalen Medien«, zu denen unter anderem Bild.de, Welt online, das französische Frauenportal Aufeminin.com und das Preisvergleichsportal Idealo gerechnet wird, machen derzeit 32% des gesamten Digitale-Medien-Umsatzes aus.

Aber allein das Zukaufen bestehender Portale ist nicht praktikabel. Deshalb will Springer eigene neue »innovative« Digitalprojekte entwickeln und sie über seine Netzwerke verbreiten. Insgesamt gibt der Verlag rund 230 Zeitungen und Zeitschriften heraus, hinzu kommen über 160 Online-Angebote sowie mehr als 120 Apps. Zudem hält er etliche Beteiligungen an TV- und Radiosendern und ist in 34 Ländern weltweit aktiv.

Die Kehrseite dieser Entwicklung, die auch vor den anderen Verlagshäusern und Medienkonzernen nicht halt macht, ist Veränderung der Arbeitsbedingungen der beschäftigten RedakteurInnen und JournalistInnen. Die »Neuerfindung« von BILD fordert die Anpassung des Berufes an die digitalen Anforderungen. BILD-Chef Kai Diekmann, der für ein Jahr »Fortbildung« im Silicon Valley in Kalifornien freigestellt war, »begründet« dies wie folgt: »Dort sollen sich Reporter und Fotografen künftig ›ausschließlich auf ihre journalistische Arbeit‹ konzentrieren. Die ›multimediale Ausstattung‹ soll ausgebaut werden, mit anderen Worten: der Verlag kauft seinen Leuten neue Kameras und Smartphones.« (meedia.de vom 24.7.2013) Jörg Sadrozinski, Leiter der Deutschen Journalistenschule (DJS), stellt fest: »Wir waren uns alle einig, dass man auf keinen Fall auf die Vermittlung multimedialer Inhalte und das Training neuer Techniken verzichten darf.«

Horst Röper, Zeitungsforscher vom Dortmunder Formatt-Institut sieht die Veränderungen, die im Journalismus in den vergangenen Jahren stattgefunden haben, kritisch. »Wir haben immer mehr Funktionskopplungen zu Ungunsten der Redakteure. Wir haben ein immer stärker verdichtetes Arbeitsfeld. Und wir haben ein sehr ausgedünntes Berufsfeld, weil in vielen Unternehmen Redakteursstellen und journalistische Arbeitsplätze gestrichen worden sind. Zudem wird die Bezahlung durch Tarifflucht, Leiharbeit und ähnliches schlechter... Im Grunde hat diese Tendenz aber schon früher begonnen, nämlich Anfang der 80er Jahre mit der Elektronisierung der Produktion im Journalismus. Damals sind ganze Berufssparten, die den Journalisten zu- oder nachgearbeitet haben, weggefallen. Zum Beispiel Setzer oder Metteure. All diese Arbeiten sind in die Redaktionen hinein verlagert worden. Wir haben es dort nun mit erheblichen Funktionskopplungen zu tun. Später kam dann die Mehrfachverwertung von journalistischen Produkten über neue Transportwege hinzu, vor allem natürlich durch das Internet. Heute kommen mobile Anwendungen wie Apps dazu. Damit ist der so genannte Echtzeit-Journalismus aufgekommen, der nichts anderes bedeutet als extremer Aktualitätsdruck.«

Und zu Recht kritisierte der stellvertretende Vorsitzende von ver.di, Frank Werneke, dass der Springer-Konzern den Deal mit dem Funke-Konzern den Betriebsräten verheimlicht hatte, als diese über die Zusammenlegung der Redaktionen von »Bild« und »B.Z.« informiert wurden. Der Verkauf bedeute zudem, dass sich Springer faktisch komplett von ihrem Standort in Hamburg verabschiede und damit die seit längerem bestehenden Befürchtungen der dortigen Beschäftigten bestätigt.