Euro-Kritiker proklamieren eine bürgerliche Alternative

Von Axel Troost

16.04.2013 / 16.04.2012

Seit längerem geistert eine Parteineugründung der Euro-Kritiker durch die Medien. Jetzt hat „Alternative für Deutschland“ (AfD) auf einem Gründungsparteitag ihre Kandidatur zu den Bundestagswahlen angekündigt. Nach eigener Darstellung will die AfD einen „geordneten Ausstieg“ aus dem Euro und sei daher angetreten, die „Zwangsjacke der erstarrten und verbrauchten Altparteien zu sprengen“. Die AFD inszeniert sich daher in geradezu lächerlicher Weise als Robin-Hood-ähnlichen Retter, der die Bürger vor der „großen Koalition“ der sonstigen Parteien bewahrt, die angeblich alle auf eine Rettung der Euro-Zone ausgerichtet seien. Dabei wird die Kritik der LINKEN an der Euro-Rettungs-Strategie der Bundesregierung und der EU bewusst verschwiegen. Aus gutem Grund: die Kritik von AfD hat eher rechts-populistische als linke Hintergründe

Neben den Kernforderungen „Schluss mit diesem Euro“ und der Stärkung der Bürger­beteiligung nehmen sich die anderen Zielsetzungen reichlich karg aus. Unter anderem wird eine durchgreifende Steuerreform nach dem Vorbild der Bierdeckel-Steuer, wie sie der Heidelberger Verfassungsjurist Paul Kirchhof vorgeschlagen hat. Das ist der vielzi­tierte „Professor aus Heidelberg“, dessen unsoziale Steuerpolitik selbst der CDU vor dem Bundestagswahlen 2005 zu rechts war.

7.500 Mitglieder hat die Anti-Euro-Partei „Alternative für Deutschland“ nach wenigenWochen gesammelt. Unter den neuen Mitgliedern sind etliche Überwechsler aus ande­ren Parteien vor allem aus der CDU, was vielleicht auch die wohlwollende Aufnahme bei den bundesdeutschen Medien erklärt. Die AFD wird geführt von Professoren, eini­gen ehemaligen Journalisten und Anti-Euro-Aktivisten. Sie argumentieren gegen den vorherrschenden Mainstream der Bundesregierung, aber wie sie sich „einen geordneter Ausstieg aus der europäischen Wirtschafts-und Währungsordnung“ für Deutschland vorstellt, bleibt bei dieser Formation im Dunkeln.

Genauso wie die Euro-Einführung, bei der dramatische politische Fehler gemacht wur­den, so ist auch der Ausstieg aus einer Währung eben keine Lehrbuchoperation, son­dern ein tiefer Eingriff in die gesellschaftliche Dynamik. Wenn man aus der falschen Konstruktion der Währungsunion eines lernen kann, dann dies: Eine Währung ist eine viel zu wichtige Sache, als dass man sie mal kurzerhand im kurzlebigen Medienspekta­kel einer Bundestagswahl wechselt.

Denn die eigentlichen Ursachen der Finanz- und Eurokrise wie soziale Unterschiede, politisch verantwortungslose Finanzmarkt- und Bankenderegulierung sowie unzu­reichende Rahmenbedingungen für gesellschaftliche Wertschöpfungsprozesse werden von der Protestpartei kaum oder überhaupt nicht angesprochen.

Viele BürgerInnen dürften der Kritik der europäischen Politik einiges abgewinnen kön­nen; aber nur gegen das Europa und den Euro von heute zu sein, ist noch lange kein Konzept für ein besseres Europa von morgen. Die Existenz der AfD erklärt sich wohl am Besten aus dem verbreiteten Unbehagen innerhalb der wirtschaftlichen und politi­schen Eliten mit dem europäischen Einigungsprozess. Die AFD will vor allem den Euro­Kritikern innerhalb der christdemokratischen und freidemokratischen Partei eine Stimme geben.

Die neue Partei stellt daher mit ihrer Programmatik vor allem eine Herausforderung für die Parteien des bürgerlichen Lagers dar. „Die Gründer der Alternative sind honorige und anerkannte Volkswirtschaftler“, sagt der CSU-Abgeordnete und Euro-Kritiker Peter Gauweiler. Mehr als 50 Prozent der Bevölkerung habe Skepsis bezüglich der Euro-Rettungspolitik. „Die Unionsführung darf davor nicht die Augen verschließen“, sagte Gauweiler. Er glaubt dennoch, dass die AFD scheitern werde. Auch der FDP-General­sekretär Patrick Döring stellt klar, „wir unterschätzen die neue Bewegung nicht“. Pro­testparteien, die sich auf ein einziges Thema konzentrierten, hätten aber „auf Dauer keinen Bestand“. Selbst viele Euro-Kritiker innerhalb der bürgerlichen Parteien werden daher mit der schlichten Botschaft der AfDnicht zu überzeugen sein.

Auch wenn viele der Initiatoren der AfD aus dem rechts-bürgerlichen Lager kommen, kommt die Kritik am EURO auch bei Anhängern unserer Partei an. Das Institut Infratest dimap ermittelte im Auftrag einer Sonntagszeitung (WamS), dass sich 24 Prozent der Deutschen vorstellen können, bei der Bundestagswahl die neue Partei zu wählen: 7 Prozent antworteten mit „Ja, sicher“ und 17 Prozent mit „Ja, vielleicht“ auf die entspre­chende Frage. Konnten sich unter den CDU/CSU-Anhängern 19 Prozent vorstellen, die AfD zu wählen, so waren es bei der LINKEN 29 Prozent und bei der SPD 21 Prozent. Das ist ein wichtiger Hinweis, dass wir als LINKE uns in der Kritik der Euro-Rettung noch deutlicher von jeglichem recht-populistischen Seitenhieb distanzieren müssen. Die AfD birgt nämlich die Gefahr, dass sie auf die von einigen deutschen Medien geschür­ten rechts-populistische Vorurteile gegen „die faulen Südeuropäer und deren unfähige Regierungen“ aufspringt und dadurch die CDU, die FDP und insbesondere die CSU zwingt, selbst in die recht-populistische Kerbe zu schlagen. Damit ist schnell der ganze Bundestagswahlkampf verseucht.

Natürlich wäre eine aufgeklärte Diskussion über die Fehlkonstruktion des Euro und über Wege zu einem anderen Europa im Wahlkampf eine wünschenswerte Sache, aber er­fahrungsgemäß wird gerade dann von rechts mit Stammtischparolen statt Aufklärung reagiert. Es liegt daher eine gewisse bittere Hoffnung in der Einschätzung des Instituts für Demoskopie Allensbach, dass der EURO „kein großes Potential für Volksaufregung“ habe, weil die Deutschen den Euro als eine „Sache von Fachleuten“ ansehen. Die nor­malen Leute treibt gewiss die Sorge um, dass Deutschland zu viele Risiken auf sich lädt und zu viel zahlen muss. Deshalb wünschen sie sich eine Regierung, die diese Risiken eindämmt. Doch ist das nicht zwangsläufig die „Alternative für Deutschland“, sondern doch eher eine politische Partei, die durch eine umfassendere Gesellschaftssicht aus­gewiesen ist.

Keine Frage: die politischen Eliten auf nationaler wie auf europäischer Ebene stellen sich dar als hilf- und ratloses Führungspersonal, dem es nicht gelingt, die Eurokrise und die damit verbundene Schuldenkrise in Europa in den Griff zu bekommen. Auch wenn die Regierungskoalition das Gegenteil behauptet: Es ist keineswegs auszuschließen, dass in den verbleibenden fünf Monaten bis zur Bundestagswahl die Euro-Krise noch erhebliche Zuspitzungen erlebt. Die bürgerliche Regierungskoalition setzt darauf, dass in einer chronischen Krisenkonstellation die Bereitschaft zu einem Regierungswechsel gering bleibt. Im Vergleich zu den europäischen Nachbarstaaten sind die Rückwirkun­gen der Krise auf die Lebensverhältnisse bescheiden geblieben. Gleichwohl bricht sich die Unzufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Kanzlerin und der Zustimmung auch der SPD und der Grünen zu den „Rettungspaketen“ Bahn. Der Parteienforscher Walter fasst daher hinsichtlich der AfD zurecht zusammen: „Viele der aktuellen Expo­nenten würde man kaum in der dumpfen rechten Ecke ansiedeln. Es ist eher klassi­scher Liberalismus mit konservativen Zügen. Aber solche Bewegungen fangen oft so an. Nur mit den Erfolgen bewegen sie sich dann immer mehr ins Plebejische, ins Ext­reme – wie die FPÖ von Jörg Haider in Österreich. Dann sind sie nicht mehr wirt­schaftsliberal, sondern protektionistisch und fremdenfeindlich, setzten auf einen starken Staat. Sie ziehen dann auch viele Wähler aus der Unterschicht an. Insofern sollte bei uns auch die SPD nicht freudig hoffen, dass allein das altbürgerlichen Lager unter einer neuen Partei dieser Art zu leiden hat.“

Als Linkspartei kritisieren wir die schamlosen Rettungsversuche von Banken und Ver­mögensansprüchen. Aber die Krise ist nicht primär von den Ländern der südlichen Pe­ripherie der Euro-Zone ausgelöst worden, sondern das Ergebnis einer fehlerhaften Konstruktion der Währungsunion. Und diese Fehler – u.a. die Nicht-Abstimmung in grundlegenden Fragen der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik – wurden vor allem auf Druck der deutschen Regierung unter Helmut Kohl und Theo Waigel eingebaut. Deutschland hat mit seiner Strategie des Lohn- und Sozial-Dumpings durch die Agenda 2010 und entsprechenden Exportüberschüssen einen Entwicklungsweg eingeschlagen, der notwendig auf Kosten der restlichen EURO-Partner geht – und insbesondere die südlichen Euro-Länder in die Schuldenfalle getrieben hat.

In so einer Situation ist es natürlich eine zutiefst zynische Forderung von Bundes­finanzminister Schäuble, dass Zypern sein Geschäftsmodell als Steueroase aufgeben müsse. Natürlich ist es mit dem Leitbild eines solidarischen Europas nicht vereinbar, dass Länder systematisch die Steuerhinterzieher der europäischen Partner unterstüt­zen. Aber es muss eben nicht nur eine Abkehr vom Geschäftsmodell Steueroase ge­ben, sondern das Geschäftsmodell Deutschland „Lohndumping und Exportwahn“ ist genauso unsolidarisch und richtet in der Summe mindestens genau so großen Schaden an wie zyprische Schwarzgeldkonten.

In der Kritik der Euro-Rettung sind genau dies die Argumente, die von AfD nie zu hören sein werden. Wenn wir uns also wohltuend davon unterscheiden wollen, dann gehören unsere Argumente für soziale Gerechtigkeit und Umverteilung von Oben nach Unten in den Vordergrund, denn Mindestlöhne, höhere Tarifabschlüsse, bessere Sozialtransfers und unser Zukunftsprogramm in Deutschland nützen auch den gebeutelten euro­päischen Partnerländern.