Zyperns Zwangssoli - Bürger wehren sich gegen Sonderabgabe - Präsident droht mit Schreckensbildern

Von Christiane Sternberg

18.03.2013 / Neues Deutschland vom 18.03.2013

Die Ankündigung der EU, dass die Kunden zyprischer Banken mit ihrem Geld für die Rettung ihres Landes geradestehen sollen, löste am Wochenende einen Ansturm auf die Geldhäuser der Mittelmeerinsel aus. Die Bürger fühlen sich bestohlen und erpresst. Auch EU-Parlamentarier halten es für falsch, Kleinsparer zur Behebung politischer Fehler heranzuziehen.

»Sehr geehrte Kunden, wegen der jüngsten Entscheidung der Eurogruppe sind die Funktionen für Überweisungen ins Ausland vorübergehend deaktiviert. Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten. Mit freundlichen Grüßen, Ihre Bank.« Diese Mitteilung fanden zyprische Bürger am Wochenende vor, wenn sie die Internetseiten ihrer Geldhäuser aufriefen. In der Nacht zum Sonnabend hatten die Euro-Partner beschlossen, Zyperns angeschlagene Banken mit zehn Milliarden Euro zu stützen. Als Gegenleistung für einen EU-Kredit soll das Land mit Beteiligung seiner Bankkunden 5,8 Milliarden Euro selbst aufbringen. Von Guthaben über 100 000 Euro werden einmalig 9,9 Prozent eingezogen, Bankeinlagen unterhalb dieser Grenze werden um 6,75 Prozent gekürzt. Fälligkeit: sofort.

Am Sonnabend setzte ein Ansturm auf die Geldautomaten ein, um das Ersparte vor dem Zugriff des Staates zu retten. Aber zur Berechnung des erzwungenen »Solibeitrags« zählt angeblich der Kontostand vom Zeitpunkt des Beschlusses der Eurogruppe. Die Wellen der Empörung schlagen hoch. Am Montag sollen die Abgeordneten den von Präsident Nikos Anastasiades ausgehandelten Deal ratifizieren, bereits am Wochenende demonstrierten Hunderte Menschen vor dem Präsidentenpalast. »Diebstahl!«, »Enteignung!«, ist die Meinung auf der Straße und in Internetforen.

Die Zwangsabgabe, die eigentlich auf diverse Zypern-Konten reicher Russen zielt, trifft auch die einfachen Bürger. Sie haben außer einem Teil ihres Ersparten das Vertrauen in den Rechtsstaat verloren. Denn wie in anderen EU-Ländern sind Bankeinlagen in Zypern bis zu einer Höhe von 100 000 Euro durch ein Entschädigungssystem abgesichert. Allerdings nur gegen Zahlungsunfähigkeit der Bank - offenbar nicht gegen den Zugriff per Gesetz. Dass die Kontoinhaber mit Aktien der jeweiligen Geldhäuser im Wert der eingezogenen Abgabe entschädigt werden sollen, ist da auch kein Trost.

Anastasiades erklärte seinen Landsleuten, dass die Zwangsabgabe ein schmerzhaftes, aber kontrolliertes Management der Krise bedeute. Die Alternative sei eine unüberschaubare Katastrophe, denn die Europäische Zentralbank habe bereits beschlossen, die Notfallkredite für Zypern umgehend zu stoppen. Die Folge wären ein Zusammenbruch des Bankensystems des Landes, der Verlust aller Bankguthaben, explosionsartig ansteigende Arbeitslosigkeit, die Rückkehr zum Zypern-Pfund sowie noch mehr Staatsschulden. Mit solchen Szenarien verteidigt der Präsident seine Zugeständnisse an die Eurogruppe, die als Gegenleistung für den angekündigten Kredit außerdem noch eine Steuer auf Zinsen für Bankeinlagen und die Erhöhung der Körperschaftssteuer fordert.

Die zyprischen Parteien reagierten unterschiedlich auf die Hiobsbotschaft aus Brüssel. Während sich aus ihren Statements noch nicht abzeichnet, wie die Abstimmung im Parlament ausgehen wird, sind die Meinungen zur EU eindeutig. Die sozialistische EDEK spricht von der »Beerdigung des Prinzips der gemeinschaftlichen Solidarität«, die rechte DIKO nennt die Forderungen eine »unzumutbare Erpressung«. Die Führung der linken AKEL beschreibt Zyperns Behandlung durch die Troika als »rachsüchtig und neo-kolonial« und kündigt an, Zyperns Austritt aus der Eurozone vorzuschlagen.

Heute ist in Zypern ein Feiertag, mit dem die siebenwöchige Fastenzeit vor dem orthodoxen Osterfest beginnt. Aber auch am Dienstag könnten die Banken geschlossen bleiben: Man fürchtet Panik unter den Sparern, die möglicherweise nun alle ihre Guthaben abheben wollen.